Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Mittendrin im digitalen Wandel
Kreisbauernverband begrüßt Breitbandausbau des Landkreises und übt Medienkritik
BAD BUCHAU - Der digitale Wandel hat auch die Landwirtschaft erfasst – und das mit aller Wucht. „Es gibt kaum eine Branche, die so durchdigitalisiert ist wie die Landwirtschaft“, sagte Vorsitzender Gerhard Glaser bei der Hauptversammlung des Bauernverbands Biberach-Sigmaringen im Kurzentrum Bad Buchau. Daneben beackerten die Redner mit Klimawandel, Düngeverordnung, Ferkelkastration, Brexit, Bienensterben und Bauern-Bashing ein weites Feld an Themen. Zur Unterhaltung trugen die Schülerkapelle und der Dürnauer Bauerndichter Hugo Breitschmid bei.
Auch die Europa- und Kommunalwahlen warfen in dieser 19. Hauptversammlung ihre Schatten voraus. Immer wieder nutzten die Redner die Gelegenheit, die Landwirte im vollen großen Saal zur Stimmabgabe aufzurufen – und auch dazu, die Kommunalpolitik aktiv an den Ratstischen mitzugestalten. Auch Gerhard Glaser gab sich ausnehmend politisch, die Rede des Vorsitzenden hatte es in sich. Sein Rundumschlag streifte das „Bürokratiemonster Düngeveordnung“genauso wie den „wachsenden Landfraß“am Beispiel IGI-Risstal und begann mit dem Klimawandel, von dem – siehe Hitzesommer 2018 – insbesondere die Landwirtschaft betroffen sei. Zugleich würden die Bauern von „sogenannten Umweltparteien“als „Klima-Sünden-Böcke“ins Visier genommen. Zu Unrecht, findet Glaser. „Unsere Brot-und-Spiele-Gesellschaft schaut lustig zu, wie etwa der Massentourismus am Himmel oder auch s’heilig Blechle’ auf der Erde drastisch zunehmend mithelfen, das Klima zu ruinieren.“Dabei habe die Landwirtschaft hierzulande „enorm dazugelernt“, verwies Glaser auf eine höhere Bodenfruchtbarkeit, dem Einsatz der Landwirte in der Region für „Tierkomfort“und „gentechnikfreie Anbauzonen“. Glaser: „Niemand geht mit der Schöpfung und Umwelt so verantwortungsbewusst um wie unsere Bäuerinnen und Bauern.“
Dem Verbandsvorsitzenden stoßen aber auch Aussagen wie der von Forschungsministerin Anja Karliczek auf, wonach der Mobilfunkstandard 5G „nicht an jeder Milchkanne notwendig“sei. Dabei sei gerade die Landwirtschaft auf die Schließung von Mobilfunklöchern und den Ausbau einer digitalen Infrastruktur angewiesen, weshalb Glaser den Backbone-Ausbau des Landkreises Biberach nur begrüßte.
Eine Steilvorlage, die der Biberacher Landrat Heiko Schmid gerne aufgriff. Mit einer Investition von mehr als 30 Millionen Euro sei das Backbone-Netz „eines der wesentlichsten und teuersten Projekte“im Landkreis überhaupt. Und es sei absolut notwendig, unterstrich Schmid. „Klar ist: Auch in den Ställen wird sich die Arbeit in der digitalen Welt verändern.“Schon jetzt gehörten satellitengestützte Melkroboter oder GPS-gesteuerte Traktoren zum Standard. Doch damit allein sei es nicht getan, so Schmid: „Wir brauchen neben der Hardware auch die Software.“Gut ausgebildete Landwirtinnen und Landwirte seien notwendig, doch die Zahl der Azubis in der Matthias-Erzberger-Schule – aktuell 31 – gehe zurück.
Bewirtschaftete Fläche schrumpft
Mit „Die Landwirtschaft im Wandel – eine Herausforderung für die Gesellschaft“war die Rede des Landrats überschrieben. Ein Wandel, den Schmid mit Zahlen deutlich belegte. Allein in den vergangenen zwölf Jahren seit seiner Amtseinsetzung sei die Zahl der Industrie- und Dienstleistungsbetriebe im Kreis von 7500 auf 8200 gestiegen – die der landwirtschaftlichen Betriebe dagegen habe sich mehr als halbiert auf aktuell 1900. Auch die landwirtschaftliche Fläche habe sich seit 2006 von 78 000 auf 76 500 Hektar verringert – um zirka 2000 Fußballfelder. Die Bevölkerung im Kreis sei von 188 000 auf 200 000 Menschen gewachsen – und ihre Vorstellungen von Ernährung seien differenzierter geworden. Immerhin: 60 Prozent der Verbraucher seien bereit, für regionale Produkte tiefer in die Tasche zu greifen, gerade im wohlhabenden Landkreis Biberach. „Deshalb wollen wir uns als Bio-Musterregion noch breiter aufstellen“, so Schmid, der sich gleichwohl für „ein Miteinander von konventioneller und biologischer Landwirtschaft“aussprach.
„Wir wollen regionale Produkte mit hervorragender Qualität produzieren, die nicht nur schmecken, sondern mit denen wir uns auch identifizieren“, forderte denn auch Johannes Kieble für die Landjugend. Auch auf den ungeliebten Wolf oder den „immensen Bürokratieaufwand“durch Düngevordnung oder bei Beantragung von Aufwandsentschädigungen für den Hitzesommer kam der junge Landwirt aus Bergatreute zu sprechen. Die durch seine Partei mit auf den Weg gebrachte Dürrehilfe griff unter anderem auch SPD-Bundestagsabgeordneter Gerster auf, CDU-Landtagsabgeordneter Klaus Burger kam auf das angebliche Bauern-Bashing in der Öffentlichkeit zu sprechen: „Ich bin auch als Politiker es leid, dass unsere Bäuerinnen und Bauern ständiger Prügelknabe der Nation sind.“Ähnlich sah dies Hubert Hopp, neben Heinz Scheffold und Karl Endriß stellvertretender Verbandsvorsitzender. Die Begriffe „Landwirtschaft“und „Landwirt“seien oft negativ besetzt, da „von den Medien an den Pranger gestellt: Nach Skandalen wird regelrecht gesucht – objektive Berichterstattung bleibt auf der Strecke“. Deshalb gelte es, noch transparenter zu sein, „um unser Image zu verbessern“.