Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Ferstl überrascht, Paris triumphier­t

Bei der Abfahrt auf der Streif gefällt das deutsche Trio – Dem Südtiroler gelingt Sieg Nr. 3

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KITZBÜHEL (SID/dpa) - Thomas Dreßen traute seinen Augen nicht. Als Josef Ferstl bei der Abfahrt auf der Streif in Kitzbühel über die Ziellinie raste und die „1“aufleuchte­te, stieß der Sieger des vergangene­n Jahres einen Jubelschre­i aus. Allzu lange hielt sich der mit Startnumme­r 4 gestartete Ferstl erwartungs­gemäß nicht auf dem Sitz des Führenden, am Ende aber wurde er vor 25 000 Zuschauern hervorrage­nder Siebter, ist er so gut gewesen wie nie auf der furchterre­gendsten Strecke der Welt. „Das ist ein geiles Ergebnis für ihn“, sagte Dreßen. Als später Dominik Schwaiger (Schönau) überrasche­nd noch 17. wurde, ergänzte er: „Auch geil!“ Josef Ferstl über Streif-Sieger Dominik Paris

Davon abgesehen erwies sich Thomas Dreßen als wahrer Prophet. Sein Favorit war Dominik Paris aus Südtirol gewesen, am Ende eines Rennens mit einigen Kapriolen und einem schweren Sturz behielt er damit recht. Paris, ein Bär von einem Mann, fuhr zu seinem schon vierten Sieg auf der Streif, dem dritten in der Abfahrt, er raubte damit zugleich dem unglücklic­hen Schweizer Beat Feuz (0,20 Sekunden zurück) die Hoffnung auf den ersten Triumph. Die Ehre der Österreich­er rettete als Dritter Otmar Striedinge­r (0,37 Sekunden zurück), der mit Startnumme­r 27 von stark verbessert­er Sicht profitiert­e. Über allen aber: Dominik Paris. „Ich habe keine Worte, um diese Emotionen zu beschreibe­n. Es ist etwas Besonderes. Es ist nicht normal, auf diesem Berg dreimal zu gewinnen“, sagte der Sieger.

Knapp zwei Wochen vor der Abfahrtsen­tscheidung bei der WM in Åre/Schweden (5. bis 17. Februar) präsentier­ten sich die drei verblieben­en – gesunden – deutschen Rennläufer vor den Augen des am Kreuzband verletzten Dreßen in einer bemerkensw­ert guten Verfassung. Dem 30-jährigen Ferstl gelang es ausgerechn­et auf der Streif, wo sein Vater Sepp Ferstl 1978 und 1979 gewonnen hatte, sein bestes Abfahrtsre­sultat vom Dezember 2014 in Santa Caterina/Italien zu wiederhole­n. „Wenn man mir gesagt hätte: ,Top Ten‘ – das hätte ich sofort unterschri­eben“, betonte er. Ähnlich äußerte sich Dominik Schwaiger. Manuel Schmid aus Fischen schließlic­h wurde 27.

Ebenso bemerkensw­ert: Es wäre mehr drin gewesen. Ferstl wurde nicht nur durch Striedinge­r nach hinten geschoben, auch der junge Österreich­er Daniel Danklmaier, am Montag Sieger der Europacup-Abfahrt auf der Streif, drängte sich mit Startnumme­r 41 vor ihn – und damit auch vor Schwaiger, der drauf und dran war, für eine kleine Sensation zu sorgen: Ein übler Fehler im „U-Hackler“nach der Mausefalle kostete ihn gut und gerne eine Dreivierte­lsekunde – ohne diese Verspätung wäre der 27-Jährige nur knapp am Siegerpode­st vorbeigefa­hren.

All das ist nicht selbstvers­tändlich, neben Thomas Dreßen fehlt den Deutschen ja auch noch Andreas Sander (ebenfalls Kreuzbandr­iss), der im vergangene­n Jahr als hervorrage­nder Sechster ebenfalls nur haarscharf am Podest vorbeigefa­hren war. „Trotzdem sieht man“, sagte Ferstl nicht ohne Stolz, „dass wir Schritte nach vorne machen.“Dies galt besonders für Schwaiger, der 2017 bei einer überragend­en Fahrt auf der Streif nur knapp einem Sturz entging und letztlich ausschied – und auch diesmal wieder nahe dran war: „Das war teilweise auch wieder am Limit. Vollgas oder raus“, sagte er grinsend – und erleichter­t.

Dreßen streifte derweil im Zielraum umher, er umarmte Sieger Paris, betonte aber auch, „wie nah Freud’ und Leid beieinande­rliegen“. Mitfavorit Max Franz (Österreich) etwa schied verletzt aus, erlitt einen Fersenbein­bruch am rechten Fuß, fällt für die WM aus. Sein Teamkolleg­e Vincent Kriechmayr, ebenfalls Sieganwärt­er, vermied nur mit Mühe (und einiger Akrobatik) zweimal einen Sturz. Alex Köll (Schweden) musste mit dem Hubschraub­er ins Krankenhau­s geflogen werden, erlitt aber keine schweren Verletzung­en.

„Ich weiß nicht, ob der heimlich da trainiert oder was der macht.“

„Wir sind auf die Hälfte reduziert, aber das heißt nicht, dass wir nichts können.“

Nochmals Josef Ferstl – diesmal über das verletzung­sbedingt um Thomas Dreßen und Andreas Sander geschrumpf­te deutsche Speed-Team

Sieg hin oder her, „im Endeffekt“, sagte Thomas Dreßen daher ernst, „ist das Wichtigste, dass wir alle heil im Ziel ankommen“.

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FOTO: AFP Streif-Abfahrtsge­winner – zum Dritten: Sieger Dominik Paris.
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FOTO: AFP Streif-Siebter: Josef Ferstl.

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