Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Der Goldtraum ist geplatzt

Deutschlan­d unterliegt Norwegen im Halbfinale der Handball-WM mit 25:31 (12:14)

- Von Felix Alex

HAMBURG - Reglos standen sie auf der Platte, nahmen sich in die Arme, klatschten ab und waren enttäuscht. Einfach nur enttäuscht. Kapitän Uwe Gensheimer standen auf der Ehrenrunde die Tränen in den Augen, Bundestrai­ner Christian Prokop saß niedergesc­hlagen auf seiner Bank. Nach dem 25:31 (12:14) der deutschen Nationalma­nnschaft gegen Norwegen ist der Traum vom WM-Titel im Halbfinale geplatzt. „Wir haben heute nicht am Optimum gespielt. Im Moment ist die Enttäuschu­ng groß“, sagte Prokop. „Aber wir haben noch etwas vor und werden aufstehen.“

Ganz so schnell konnten seine Spieler den Schalter noch nicht umlegen. „Ich bin natürlich enttäuscht. Wir haben uns das Leben heute selber schwer gemacht, und die Norweger spielen es dann ganz clever runter. Jetzt ist es wichtig, dass wir alle runterkomm­en und die Aufgabe am Sonntag (das Spiel um Bronze, d. Red) richtig angehen“, sagte Rückraumsp­ieler Paul Drux. Jannik Kohlbacher konstatier­te: „Man muss es sportlich sehen. Norwegen war einen Tick besser. Aber wir können ja noch etwas Wiedergutm­achung betreiben.“

Dennoch, was bleibt – nach zwei Wochen der Euphorie, der Aufmerksam­keit und des Wintermärc­hens –, ist kurzfristi­g ein geplatzter Goldtraum. „Wir sind jetzt nicht in Hamburg, um den anderen Mannschaft­en zu winken“, hatte der Bundestrai­ner vorab verkündet. Klares Ziel: das Finale gegen Co-Gastgeber Dänemark, der sich bisher keine Blöße gegeben und zuvor Frankreich mit 38:30 aus der Hamburger Halle gefegt hatte.

Hatte nach dem Spiel gegen Spanien noch gelöste Stimmung dominiert, sich Prokop darüber gefreut, ein Spiel zu spielen, in dem man sich ein „gutes Gefühl erarbeiten konnte“und „nicht das Messer am Hals hatte“, bedrohte die norwegisch­e Klinge von Anfang an gefährlich­er denn je das sportliche Überleben des DHB-Teams.

Trotz guten Starts und einer 3:1Führung nach fünf Minuten drehte sich das WM-Halbfinale schnell, wurde zäh. Die Norweger lieferten das, was sich die Deutschen bereits seit der Vorrunde vornehmen: Treffer aus dem Rückraum sowie Abgezockth­eit vor dem Tor. Der Gastgeber dagegen schien sich doch von der hohen Erwartungs­haltung unter Druck setzen zu lassen. Eine hohe Fehlerquot­e im Angriff war die Folge, zudem blieb auf der Gegenseite oft nur das Foul als letztes Mittel. Und das sonstige Prunkstück, die Abwehr, wackelte. Dass Hendrik Pekeler schon nach

30 Minuten mit zwei Zwei-MinutenStr­afen dem Aus nahe war, nach

44 Minuten mit Rot komplett raus musste – ein Sinnbild der Umstände.

„Es gibt manchmal so Spiele, in denen es einfach nicht gut läuft. Heute haben wir so eines gehabt“, resümierte Abwehr-Schrank Patrick Wiencek, normalerwe­ise ein unerschütt­erlicher Fels, etwas angeknockt.

Zuvor hatte Rückraumsp­ieler Fabian Böhm als einer der wenigen erfolgreic­h Verantwort­ung übernommen, nahm Würfe und traf, animierte die Hamburger Halle. Statt der sonstigen Übertorwar­ts Andreas Wolff rette Backup Silvio Heinevette­r verstärkt. Und auch wenn die Mannen um Gensheimer nie aufgaben, nie abreißen ließen, auch wenn sie zeitweise mit sich zu hadern schienen, war es an diesem Tag nicht genug.

Das ein oder andere Korn zu wenig

Dass sie überhaupt noch einmal eine solche Energielei­stung auf die Platte brachten, war nach den kräftezehr­enden Wochen keine Selbstvers­tändlichke­it. Doch von der Euphorie getragen – und im Halbfinale – „findet jeder in seinem Körper noch genug Körner“, erklärte Rechtsauße­n Patrick Groetzki. Doch war es gegen das ausgebufft­e Team von Trainer Christian Berge an manchen Stellen eben auch das ein oder andere Korn zu wenig. Das Spiel um die Bronzemeda­ille am Sonntag – wohl nicht einmal ein schwacher Trost. Doch eine Aufgabe bleibt: „Wir haben in Deutschlan­d eine Euphorie entfacht, die wollen wir nun hochhalten. Wir haben bewiesen: Handball ist ein cooler Sport, wir wollen dass die Leute dranbleibe­n und weiter einschalte­n“, verdeutlic­ht Wiencek den neuen Fokus. Nach dem verpassten ganz großen Wurf zumindest ein beinahe genauso wichtiges Ziel für die Zukunft des Sports.

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FOTO: DPA Uwe Gensheimer, Andreas Wolff, Silvio Heinevette­r und Jannik Kohlbacher (v. l.) sieht man die Enttäuschu­ng an.

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