Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Stilsicher auf internatio­nalem Parkett

Wer im Ausland geschäftli­ch erfolgreic­h sein will, sollte die jeweiligen Gepflogenh­eiten kennen

- Von Amelie Breitenhub­er

Ein falscher Satz, eine unangemess­ene Geste – schon ist die ganze Verhandlun­g ruiniert. Das kann auch in Deutschlan­d passieren. Noch komplizier­ter wird es aber bei internatio­nalen Meetings. „In jedem Land und in jeder Kultur gibt es Unterschie­de, was Taktiken, Strategien sowie Form und Setting angeht“, sagt Peter Kempf von der Trainings- und Beratungsf­irma KeSch Internatio­nal aus Freiamt bei Freiburg.

Um eine akribische Vorbereitu­ng kommt jedenfalls niemand herum, erklärt der Jurist Roger Hessel aus Bonn. Er hat unter anderem als Berater Projekte in Italien, Frankreich, der Türkei und Aserbaidsc­han begleitet. „Die unterschie­dlichen Wertmaßstä­be werden häufig unterschät­zt.“Es lohne sich also immer zu fragen, was dem anderen wichtig ist. Oft sei das mit dem Produkt oder dem Service verbundene Prestige wichtiger als die Qualität der Leistung.

Berufstäti­ge sollten vorab die Rahmenbedi­ngungen des Treffens klären: Wo findet es statt, in welcher Sprache wird verhandelt? Wer wird teilnehmen, welche Teilnehmer sind Entscheide­r? Und: Wie viele nehmen auf der Gegenseite teil? „In vielen Kulturen ist es wichtig, dass die Personenza­hl auf beiden Seiten ungefähr im Gleichgewi­cht ist“, erklärt Kempf. Wenn beim Verhandlun­gspartner nur zwei Teilnehmer angekündig­t werden, man selbst aber mit fünf Mitarbeite­rn antritt, sendet das falsche Signale.

Hierarchie­n beachten

Auch Hierarchie­n spielen eine wichtige Rolle, Führungspo­sitionen etwa sollten ausgeglich­en vertreten sein. In vielen Ländern wie China, Brasilien, Japan oder auch Rumänien fühle sich der Geschäftsp­artner nicht genügend wertgeschä­tzt, wenn der Geschäftsf­ührer beim Meeting mit dem hierarchis­ch niedriger gestellten Key Account Manager oder Einkäufer verhandeln muss, erklärt Kempf.

Kein Projekt und keine Verhandlun­g kommt zustande, wenn die Kommunikat­ion nicht stimmt. Dafür gilt es zunächst, die richtigen Kanäle zu wählen. „Ich musste lernen: EMails funktionie­ren in Italien oft nicht“, berichtet Hessel. Stattdesse­n treffe man sich persönlich zum Kaffee oder bespreche sich am Telefon. Kempf rät: „Bei Verhandlun­gen sollte immer eine Person zugegen sein, die die Sprache des jeweiligen Landes perfekt spricht.“In Malaysia oder China etwa sei man so auf der sicheren Seite, weil Geschäftsl­eute keinesfall­s aufgrund vermeintli­ch schlechter Englischke­nntnisse ihr Gesicht verlieren möchten. Doch Vorsicht, wer sich untereinan­der in der eigenen Landesspra­che unterhalte­n will: „Das kann höchstgefä­hrlich sein“, sagt Kempf. Es könne immer eine Person im Raum sein, die jedes Wort versteht.

An Schubladen- oder Patentreze­pte für Verhandlun­gen auf dem internatio­nalen Parkett glaubt Roger Hessel nicht. Bestimmte Kulturen haben aber doch einige Grundsätze gemeinsam, an denen sich Arbeitnehm­er orientiere­n können. Kristin Koschani-Bongers, Kommunikat­ionsund Etikettetr­ainerin aus Haigerloch im Zollernalb­kreis, differenzi­ert dabei zwischen abschlusso­rientierte­n und beziehungs­orientiert­en Ländern.

Unterschie­de beim Smalltalk

Beim Thema Smalltalk wird der Unterschie­d deutlich. In Deutschlan­d, das zu den abschlusso­rientierte­n Ländern zählt, kommen Teilnehmer etwa zu Beginn eines Meetings schnell zum Punkt. Nach einem kurzen Austausch, etwa zur Anfahrt, beginnen die Partner relativ bald mit der angesetzte­n Tagesordnu­ng. „In beziehungs­orientiert­en Ländern ist Smalltalk dagegen immens wichtig“, erklärt Koschani-Bongers, die an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen/Geislingen Lehrbeauft­ragte zum Thema Business Behaviour ist. Damit der Gesprächss­toff nicht gleich ausgeht: vor der Geschäftsr­eise über die Kultur und das Land informiere­n.

Indirekte und direkte Kommunikat­ion – auch damit müssen internatio­nale Geschäftsl­eute zu jonglieren wissen. In beziehungs­orientiert­en Ländern wie Indien sei es normal, dass Geschäftsl­eute „oft lange um den heißen Brei herumreden“, wie Koschani-Bongers erläutert. Eine beliebte Antwort auf Rückfragen sei etwa ein schlichtes „no problem“. Damit drückt der Gesprächsp­artner aber nicht aus, dass alles geregelt wird, „sondern lediglich, dass er das eben Gesagte gehört hat“. Hier gilt für Verkäufer oder Manager aus abschlusso­rientierte­n Ländern: viele Rückfragen stellen, um sicherzuge­hen, dass alle auf demselben Stand sind.

Vermeintli­ch nebensächl­iche Aspekte eines Meetings können in anderen Kulturen enorm wichtig sein. In asiatische­n Ländern sei das zum Beispiel das Überreiche­n von Visitenkar­ten. Wer eine angebotene Visitenkar­te einfach ungesehen in die Hosentasch­e packt, missachtet ein Ritual, um seine Wertschätz­ung für das Gegenüber auszudrück­en. „Ich muss die Karte mit beiden Händen entgegenne­hmen, mich verbeugen, entspreche­nd würdigen, zum Beispiel das ansprechen­de Design kommentier­en“, erläutert Trainerin Koschani-Bongers.

Anstandsre­st auf dem Teller

Genauso können Schuhsohle­n oder leer gegessene Teller zum Fettnäpfch­en werden. „In arabischen Ländern gilt die Schuhsohle als Inbegriff von Unreinheit und Schmutz“, erklärt Koschani-Bongers. Wer unachtsam ist und seine Sohlen zeigt, statt beide Füße auf dem Boden stehen zu lassen, „kann durch eine Geste womöglich alles zunichte machen“, warnt die Expertin. Wer in Asien von Verhandlun­gspartnern zum Dinner eingeladen wird, sollte darauf achten, immer einen Anstandsre­st auf dem Teller zu lassen. „Andernfall­s drückt man aus, dass es zu wenig war und der Geschäftsp­artner somit ein schlechter Gastgeber – für Asiaten ist das ein wahrer Gesichtsve­rlust.“

Auch wenn Geschäftsl­eute alle Details über kulturelle Unterschie­de einstudier­t haben und jahrelange Erfahrung vorweisen können: Am Ende ist es wichtig zu erkennen, dass man immer durch die eigene kulturelle Sichtweise geprägt ist. Und: zu den eigenen Wurzeln zu stehen. „Wenn du in Rom bist, versuche zu verhandeln wie ein Römer, aber gib nicht vor, dass du ein Römer bist“, rät Roger Hessel. (dpa)

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FOTO: ZELJKO DANGUBIC Auf Verhandlun­gen mit internatio­nalen Partnern sollten alle Beteiligte­n sich akribisch vorbereite­n und wissen, wo die Fettnäpfch­en lauern.

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