Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Frauen sind einbezogen
Es ist so eine Sache mit den Ausnahmen. Wenn man möchte, dass eine Regel gebrochen wird, dann muss man nur Ausnahmen erlauben. Und Stück für Stück wird die Regel ausgehöhlt. Wenn man Ilse Lippert eine Ausnahme zugestanden hätte – wofür es ja durchaus Argumente gibt – dann könnten und müssten die Bräutlingsgesellen ab sofort alle verheiratete Frauen um den Brunnen tragen. Ich will an dieser Stelle nicht zu sehr mit der Tradition argumentieren, sondern stärker differenzieren, aber der Vetter Guser ist nun mal zur Pflege der Bräutlingstradition gegründet worden. Warum sollte die Zunft also in ihrem innersten Kern etwas verändern?
Zumal das Hochamt der Semerenger Fasnet sehr wohl für (Ehe-) Paare ist. Beide Seiten sind in den Akt eingebunden. Sie treffen sich zum gemeinsamen Frühstück, werden von der Zunft auf den Marktplatz geleitet. Während des eigentlichen Bräutelns ist die Frau nicht ausgeschlossen, sie wird vielmehr als Ehrengast auf dem Rathausbalkon einbezogen. Sogar die Moderatoren beziehen beide Seiten in das Prozedere ein.
Es ist auch nicht so, dass die Zunft das Anliegen von Ilse Lippert ignoriert: Ihr Enkel wird ihren Mann auf der Stange vertreten. Streng genommen ist auch das mit der Tradition unvereinbar. Trotzdem springt der Vetter Guser über seinen Schatten, was wiederum zeigt, wie tief verwurzelt er in der Gesellschaft ist. Ob es ihr passt oder nicht – Ilse Lippert muss beim Bräuteln auf dem Rathausbalkon zusehen.