Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Landwirte meiden Dürreversicherung
Landwirte meiden neue Versicherungsangebote – Indexlösungen sind zu teuer
RAVENSBURG (sz) - Nach der anhaltenden Hitze und Trockenheit im vergangenen Sommer bieten Versicherer Policen an, die unter anderem Schäden durch Dürre absichern sollen. Doch viele Landwirte meiden die kostspieligen Angebote. Nun wird über mögliche staatliche Zuschüsse und die Absenkung der Versicherungssteuer diskutiert.
RAVENSBURG - Bei Minustemperaturen und Schnee in Höhenlagen verblassen die Erinnerungen an den Dürresommer 2018. Doch für viele Landwirte – vor allem im Norden und im Osten der Republik – sind die Trockenheit und die damit verbundenen Ernteausfälle noch höchst präsent. Auf mehr als 2,5 Milliarden Euro schätzt Rainer Langner, Chef der Vereinigte Hagelversicherung aus Gießen, die Schäden. Eine Forderung, die im Zuge dieser Katastrophe wiederholt geäußert wurde, war: den Bauern mehr und bessere Möglichkeiten der Risikoabsicherung anzubieten – ein Appell, der sich unter anderem an die Versicherungswirtschaft richtete.
Ein halbes Jahr nach dem Hitzesommer lässt sich konstatieren: Es kommt Bewegung in den Markt. Etliche Versicherungsgesellschaften haben das Thema aufgegriffen. So bietet beispielsweise die Sparkassenversicherung seit Anfang dieses Jahres eine Mehrgefahrenpolice an, die auch Dürre einschließt.
Doch bei diesen Konstruktionen, die auch von anderen Versicherern so auf dem Markt sind, handelt es sich um Indexlösungen. Die funktionieren so: Basis ist ein vom Deutschen Wetterdienst oder von den Statistikämtern veröffentlichter Index – beispielsweise die historische Ertragsentwicklung für Getreide, wie sie vom Statistischen Landesamt Baden-Württemberg für jeden Landkreis im Südwesten errechnet wird. Der Bauer legt im Vorfeld fest, welchen minimalen Ertragswert er zu akzeptieren bereit ist. Fällt der statistische Ertragswert bei der darauffolgenden Ernte unter das gewählte Absicherungsniveau, gleicht der Versicherer die finanziellen Verluste aus (siehe Beispiel).
Bauer muss gut rechnen können
Das Problem: Bei einer Indexversicherung wird nicht das individuelle Ernteausfallrisiko des Landwirts versichert, sondern das des zugrundeliegenden Index – um im Beispiel zu bleiben, das des entsprechenden Landkreises. Wenn der Bauer auf seinem Feld Ernteausfälle zu beklagen hat, die gewählten Indexparameter aber nicht anspringen, sprich: der Flächenertrag über dem abgesicherten Ertragswert liegt, wird sein Schaden nicht ersetzt. Der Landwirt muss also genau abschätzen können, welchen Ertrag seine Felder im Vergleich zu den Landkreisdurchschnitten bringen. „Deshalb ist eine Indexlösung keine befriedigende Versicherungslösung – weder für den Landwirt noch für den Versicherer – und sicherlich ein Grund dafür, dass in Deutschland bislang nur 0,1 Prozent der Fläche gegen Dürre versichert ist. Bei Hagel sind es 75 Prozent“, sagt Matthias Baum, Leiter des Kompetenzcenters Agrarpartner bei der R+V.
Eine schadenbasierte Dürreversicherung ist zurzeit jedoch nicht umsetzbar. Der Grund: Trockenheit ist ein sogenanntes Kumulrisiko. Das heißt, sie kommt zwar nicht allzu häufig und regelmäßig vor. Wenn es dann aber einmal für längere Zeit nicht regnet, sind davon gleich mehrere Regionen betroffen und der Schaden ist entsprechend groß.
Anders bei Hagelschäden. Die treten zwar häufiger auf, sind jedoch meist regional begrenzt. Das macht es für die Versicherer schwer, ausreichend Risikokapital vorzuhalten – und für die Versicherungsnehmer teuer. Auf vier bis neun Prozent der Versicherungssummen kalkulieren Versicherungsexperten die Prämie für eine schadenbasierte Deckung gegen Dürrerisiken. Knapp ein Zehntel des Umsatzes nur für Dürreschutz ausgeben dürfte wohl kein Landwirt wollen – auch wenn das Risiko zweifellos steigt. Hinzu kommt: Mehrgefahrenpolicen schlagen mit einer Steuer von 19 Prozent bei der Versicherungsprämie zu Buche, während etwa für Hagelversicherungen ein Steuersatz von 0,03 Prozent (drei Promille) auf die Versicherungssumme gilt. Das macht die Absicherung gegen Dürrerisiken zusätzlich teuer.
Gespräche mit der Politik
„Der Verzicht auf die 19 Prozent Umsatzsteuer wäre ein möglicher Beitrag des Staates zur Unterstützung der Bauern“, sagt Klaus Zehner, stellvertretender Vorstandschef der Sparkassenversicherung aus Stuttgart der „Schwäbischen Zeitung“. Zwar sei die Assekuranz diesbezüglich mit der Politik im Gespräch. Ob es zu einem positiven Ergebnis kommt und wenn ja wann, sei jedoch „völlig offen“. Gleiches gilt für die Gespräche über einen staatlichen Zuschuss für Mehrgefahrenversicherungen für Landwirte, wie er im Ausland bereits üblich ist.
Auch der Bauernverband ist für eine Absenkung der Versicherungssteuer; staatliche Zuschüsse für Versicherungsbeiträge will die Bauernlobby im Südwesten, ein Landstrich mit überschaubaren Dürrerisiken, aber ausdrücklich nicht. Hintergrund sind Befürchtungen, dass so ein Zuschuss aus der allgemeinen EU-Agrarförderung abgezweigt würde und damit der Bauernschaft an anderer Stelle fehlt. „Die Bezuschussung müsste durch zusätzliche Mittel erfolgen“, sagt Horst Wenk, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Landesbauernverbandes Baden-Württemberg.
Risikorücklage als Alternative
Prinzipiell scheinen Versicherungslösungen für die Bauern ohnehin nur zweite Wahl zu sein. „Wir drängen auf eine steuerbefreite Risikorücklage“, so Wenk. Die Idee dahinter: Bauern sparen in guten Jahren Gewinne an, auf die keine Steuern entrichtet werden müssen. In schlechten Jahren können sie dann aus diesem Vorsorgetopf zehren. Für Flächen „mit hoher Wertschöpfung“, –etwa im Obst- oder Weinanbau würden Absicherungsmöglichkeiten zwar Sinn machen, so Wenk, doch zum jetzigen Zeitpunkt stünden Kosten und Leistung in keiner Relation.
Ähnlich sieht das auch Gerhard Lohr, Landwirt aus Wald-Ruhestetten (Landkreis Sigmaringen). „Die Versicherungsbeiträge wiegen das Risiko auf“, sagt Lohr. Er bewirtschaftet mit einer fünfgliedrigen Fruchtfolge 40 Hektar – eine Anbaumethode, die „natürliches Risikomanagement“sei, weil sie sich positiv auf Bodengesundheit und Wasserhaltung auswirke. Lohr ist der Ansicht, seine Branche müsse Wetterrisiken selber tragen können. Dann, so der Landwirt, blieben perspektivisch auch die Gewinnaussichten für die Bauern in Takt.