Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Mehr Windparks und Riesensolaranlagen
Region muss in Windkraft und Photovoltaik investieren – Das wird das Landschaftsbild stark beeinflussen
RAVENSBURG - Wenn die Energiewende geschafft werden soll, muss auch die Region Bodensee-Oberschwaben einen Beitrag dazu leisten. Davon ist Regionalverbandsdirektor Wilfried Franke überzeugt. Und das heißt: massiver Ausbau von Solarund Windenergie. Deswegen wird es nach Fertigstellung des neuen Regionalplans einen neuen „Teilregionalplan Erneuerbare Energien“geben, und der wird das Landschaftsbild stark verändern.
Momentan ist die Region im Rückstand bei diesem Thema, vor allem was die Windenergie anbelangt. Geplante Projekte sind gescheitert oder auf Eis gelegt, so wie etwa das im Tannenbühl in Bad Waldsee oder das auf der Atzenberger Höhe bei Aulendorf. Grund waren immer artenschutzrechtliche Gründe. Es gab auch viel Protest aus der Bürgerschaft. Und genau das ist das große Problem der Windkraft: „90 Prozent der Planungen von Windkraftanlagen scheitern am Artenschutz. Außerdem haben wir ein Akzeptanzproblem in der Bevölkerung“, sagt Wilfried Franke.
Er macht das an Zahlen fest: In den vergangenen 20 Jahren sind genau drei Windräder in der Region Bodensee-Oberschwaben gebaut worden. Das betrifft die Landkreise Ravensburg, Sigmaringen und den Bodenseekreis. Die drei neuen Windräder sind in Pfullendorf entstanden. Und dann gibt es noch sechs Altanlagen in Illmensee, Bad Wurzach und Mengen. In ganz BadenWürttemberg ist im ersten Halbjahr dieses Jahres gerade mal ein einziges Windrad gebaut worden.
Deshalb plädiert Wilfried Franke auch für eine lockere Regelung beim Thema Artenschutz, wenn es mit dem Ausbau vorangehen soll. „Momentan reicht ein einziger Vogel, um ein Projekt zum Kippen zu bringen. Populationen statt Einzelexemplare zu schützen, wäre für mich ein Weg“, sagt er.
Im Landkreis Ravensburg werden zurzeit zwei Windparks geplant. Im Röschenwald zwischen Mochenwangen und Zollenreute möchte die Windkraft Bodensee-Oberschwaben (WKBO) sieben Räder aufstellen. Hinter dem Windpark Wannenbühl zwischen Bergatreute und Enzisreute steckt die Bio-Energie Allgäu aus Kempten. Dieser Park soll ähnlich groß werden. Ob beide tatsächlich kommen werden, ist noch nicht wirklich klar. Auch wenn erste artenschutzrechtliche Erkenntnisse darauf hindeuten, dass die Stellen unproblematisch zu sein scheinen. Allerdings liegen beide Projekte laut heutigem Stand im regionalen Grünzug. Heißt: Dort dürfen eigentlich keine Windkraftanlagen gebaut werden. Doch das kann sich noch ändern, weil der Regionalplan noch nicht fertig ist. Es kommt auf die Eingaben und die Entscheidung der Verbandsversammlung an.
„Vor dem Hintergrund der Problematik des Klimawandels, die ich uneingeschränkt teile, müssen wir die erneuerbaren Energien ausbauen. Und da bleiben bei uns in der Region nur Wind und Photovoltaik“, sagt Wilfried Franke. Franke und auch Energieversorger wie etwa die Technischen Werke Schussental weisen darauf hin, wie wichtig Windkraft für einen dezentralen Energiemix ist. Denn: Im Sommer scheint die Sonne mehr als im Winter, dafür gibt es im Winter mehr Wind als im Sommer. Die Energieformen gleichen sich also aus.
Der neue Windatlas des Landes Baden-Württemberg bietet (theoretisch) viel mehr potenzielle Fläche für Windkraft als der alte aus dem Jahr 2011. Standorte gelten nun ab einer mittleren Windleistungsdichte von mindestens 215 Watt pro Quadratmeter (bei einer Nabenhöhe von 160 Metern) als geeignet. Vor allem im Allgäu gibt es nun für Windkraft geeignete Flächen: angefangen von Schlier über Waldburg, Bodnegg, Vogt und Wolfegg bis nach Leutkirch und Isny, wo besonders ertragreiche Flächen eingetragen sind, aber auch im Westen von Horgenzell bis in den Landkreis Sigmaringen. Im Bodenseeraum hingegen gibt es kaum Chancen für Windkraft.
Dass es jetzt mehr Fläche im Windatlas gibt als noch vor acht Jahren, hängt mit der neuen Bewertungsgrundlage zusammen. Denn die Werte sind für Anlagen in einer Höhe von 160 Metern über Grund angegeben. Das sind auch die Höhen für die sogenannten Schwachwindanlagen, die in einer bestimmten Höhe auch viel Wind in eher windschwachen Regionen wie etwa Oberschwaben abgreifen können. Zum Vergleich: Das Ulmer Münster ist 162 Meter hoch. Denn prinzipiell gilt: Je höher, desto mehr Wind. Solche Anlagen sollen auch bei den zwei Projekten im Kreis Ravensburg gebaut werden. Deren Partner ist übrigens der Windkraftanlagenhersteller Enercon aus Aurich in Ostfriesland.
Aber auch mehr Solaranlagen werden für die Energiewende benötigt. Der Regionalverbandsdirektor spricht dabei von sogenannten „großflächigen Photovoltaikanlagen“für die Region. Großflächig heißt in diesem Falle sieben bis acht Hektar, also plus/minus zehn Fußballfelder groß. Das heißt: Diese Anlagen werden definitiv die Landschaft beeinflussen. „Ich sehe sonst keine großen Möglichkeiten außer Wind und Sonne. Wasserkraft würde sich wenn, dann im Promillebereich bewegen und bei Biogas läuft die Förderung demnächst aus“, sagt Wilfried Franke. Und er weist auf den Energiebedarf in der Region hin: „Wir kommen von 50 Prozent Atomstrom. Der ist 2022 nicht mehr da. Und wir haben viele Verbraucher in der Region und Automobilzulieferer.“Den Atomausstieg hat der Bundestag 2011 beschlossen. Außerdem will Deutschland die Klimaschutzziele erreichen, was mit Strom aus Kohle schwierig ist.
Aber nicht nur bei Windrädern gibt es Widerstand aus der Bevölkerung, auch bei großflächigen Photovoltaikanlagen. Derzeit gibt es beispielsweise Diskussionen in der Gemeinde Wolfegg, wo das Unternehmen Anumar im Ortsteil Gaishaus entlang der Bahnlinie eine Freiflächen-Photovoltaikanlage mit circa zwei Hektar bauen möchte. Die ist allerdings deutlich kleiner als die Anlagen, die in der Region noch kommen werden. Die Aufstellung des neuen „Teilregionalplans Erneuerbare Energien“wird aber frühestens Ende nächsten Jahres starten.
„Populationen statt Einzelexemplare zu schützen, wäre für mich ein Weg.“Wilfried Franke, Regionalverbandsdirektor
„Wir kommen von 50 Prozent Atomstrom. Der ist 2022 nicht mehr da.“Wilfried Franke, Regionalverbandsdirektor