Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Ausgetanzt im „Kokett“
Der Nachtclub an der B 32 in Gullen hat für immer zu
GRÜNKRAUT - Das „Kokett“kennt jeder, der mal von Ravensburg in Richtung Wangen gefahren ist – zumindest vom Vorbeifahren: „Cabaret, Filmbar, Nightclub“steht auf dem Schild. An der Abfahrt zum Gewerbegebiet in Gullen leuchtet das knallrote Gebäude und lockt die männliche Kundschaft hinein. Beziehungsweise lockte. Denn der Nachtclub mit spärlich bekleideten tanzenden Mädchen ist seit Anfang Juli Geschichte.
„Schade drum, denn wir haben uns hier über Jahre eine Existenz aufgebaut“, sagt die ehemalige Geschäftsführerin Katrin Uzler. Im „Kokett“stecke viel Arbeit und Herzblut drin. Zwölf Jahre lang hat sie den Laden geschmissen. Das „Kokett“war eine Table-Dance-Bar, wo sich Mädchen vor mehrheitlich männlichem Publikum ausgezogen haben. Es gab Filmvorführungen und Private-Dance, also private Tanzvorführungen einer Frau für einen Mann. Das ist noch immer auf der aktiven Internetseite nachzulesen. Man habe eine große Stammkundschaft aus der nahen Region gehabt, aber auch aus den Nachbarlandkreisen seien die Herren gekommen.
Technische Mängel als Grund für die Schließung
Als Grund für die Schließung nennt Katrin Uzler technische Mängel. Der alte Eigentümer habe nichts mehr investiert. Irgendwann sei es zu viel gewesen. Dann habe sie sich zum Aufgeben entschlossen. Die Damen, die laut der ehemaligen Betreiberin dort zeitweise mit Verträgen gearbeitet haben, seien anderswo untergekommen.
Ein neues „Kokett“irgendwo in der Region wird es auch nicht mehr geben. Der Markt habe sich durch das „große Angebot“in der Rotlichtszene auch verschlechtert. Über die vergangenen Jahre habe es immer mehr Etablissements gegeben. Uzler ist ebenfalls aus dem Gewerbe ausgestiegen. „Ich bin noch immer in der Gastronomie, aber nicht mehr im Nachtleben“, sagt sie.
Das Gebäude samt Grundstück mit Parkplätzen und Hotel Plaisir hat nun die URMO Immobilien GmbH aus Ravensburg gekauft. Die leitet Urs Burk als eigenständiger Geschäftsmann. Der Eigentümerwechsel fand Ende August statt. Ein Nachtclub kommt aber sicher nicht in das „Kokett“, versichert Urs Burk. „Mit dem Gewerbe hätte ich das auf keinen Fall gekauft“, sagt er. Deswegen kommt die Leuchtreklame auch als Erstes weg und dann bekommt das Haus noch einen neuen Anstrich. „Das Haus ist ja wie ein Leuchtturm vor den Toren Ravensburgs. Es kann ja ruhig einer bleiben, aber nicht mehr rot“, sagt Burk. Auch andere Gastronomie schließt er aus. Für das Gebäude soll es eine Umnutzung geben. Er hat einen konkreten Plan: Er will die existierenden EinZimmer-Apartments ausbauen und in das Erdgeschoss, wo die Damen getanzt haben, ebenfalls Ein-ZimmerApartments einbauen – möbliert und teilmöbliert.
Wohnungen für Flüchtlinge sind eine Option
Burk, der vor allem im Schussental unterwegs ist, hat auch eine bestimmte Zielgruppe im Auge. „In Ravensburg entstehen Hunderte von Wohnungen, die sich aber niemand leisten kann“, sagt er. Deswegen wolle er Wohnungen bauen, die sich beispielsweise Flüchtlinge leisten könnten. Es gebe da welche aus Wangen, die im Schussental arbeiten, dorthin ziehen wollten, aber einfach nichts finden, weil die Preise zu hoch sind. In Gullen wären sie in Stadtnähe.