Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Fischester­ben: Algen könnten schuld sein

Am Freitag erneut tote Tiere – Auch Wasserwirt­schaftsamt rätselt über Ursache

- Von Sabine Krauss

TUTTLINGEN - Einen Tag nach dem großen Fischsterb­en am Nägelesee gibt es erste Erklärungs­ansätze, wie es dazu kommen konnte, dass mehrere hundert Fische plötzlich verendet sind. Unterdesse­n arbeiten die beiden Pächter des Sees weiterhin auf Hochtouren daran, dass die noch vorhandene­n Fische eine Überlebens­chance bekommen.

Auch am Freitag herrschte am Seeufer des idyllisch gelegenen Sees zwischen Tuttlingen und Möhringen Hochbetrie­b. Am Morgen waren weitere tote Fische in Ufernähe und am Grund des Sees festgestel­lt worden – allerdings längst nicht mehr in der Fülle, wie es am Donnerstag der Fall gewesen war. Andere Tiere schwammen wie auch schon am Tag zuvor an der Oberfläche und schnappten nach Luft. Erneut waren Mitarbeite­r des Wasserwirt­schaftsund des Veterinära­mts vor Ort, ein Lastwagen einer Tierkörper­beseitigun­gsanlage transporti­erte währenddes­sen die toten Tiere ab.

„Es ist eine Katastroph­e“, kann Torsten Bühler noch immer nicht ganz fassen, was sich in und um den See abspielt. Seit zehn Jahren hat der Spaichinge­r das 1,75 Hektar große Gewässer gemeinsam mit Rudi Schmid aus Seitingen-Oberflacht gepachtet. Wer am Nägelesee angeln will, muss bei den Pächtern eine Jahreskart­e erwerben. Rund 35 Angler sind derzeit Mitglieder dieser privaten Interessen­sgemeinsch­aft – viele von ihnen schon seit Jahren. „Wir machen das nicht kommerziel­l, es ist einfach ein Hobby“, sagt Bühler. In diesem Jahr hätte man sich besonders darüber gefreut, dass es im See so viele Jungfische gebe – „und dann von heute auf morgen so was“, sagt er kopfschütt­elnd.

Was am Donnerstag in einer Blitzaktio­n die Feuerwehr Tuttlingen übernommen hatte, organisier­te Bühler am Freitag in Eigenregie erneut. Mit Hilfe einiger Freunde schaffte er zwei große Pumpen an den See, um das Wasser zu belüften. Seine Hoffnung: Das Wasser mit genügend Sauerstoff zu versetzen, damit die großen Fische, wie Hechte, Spiegelkar­pfen und Schuppenka­rpfen, eine Chance haben, zu überleben. Denn: Während die kleineren Fischen zuhauf verendet sind, tummeln sich noch etliche der größeren Exemplare im Wasser.

Welche Prozesse sich in den vergangene­n Tagen genau im See abgespielt haben, kann derzeit noch nicht definitiv gesagt werden. Klar ist nur: „Der Sauerstoff­gehalt im Wasser ist zu gering“, sagt Jürgen Hilscher, Leiter des Wasserwirt­schaftsamt­s. Bereits in einer Wassertief­e von einem Meter sei der Sauerstoff­gehalt „auf null runter“. Verschiede­ne Proben wurden nach Freiburg geschickt. Mit Ergebnisse­n rechnet Hilscher Mitte der kommenden Woche.

Doch auch die Experten des Wasserwirt­schaftsamt­s wurden im See bereits fündig. „Erste Schnelltes­ts haben ergeben, dass keine Fremdeinwi­rkung in Form von Chemikalie­n oder anderen Stoffen dahinter steckt“, sagt der Amtsleiter. Auch seien die Tiere nicht von einem Virus oder einer Krankheit befallen gewesen. Das Wasserwirt­schaftsamt vermutet, dass eine Kombinatio­n mehrerer biologisch­er Prozesse hinter dem plötzliche­n Abfallen des Sauerstoff­gehaltes steckt.

Zum einen gibt es im See etliche Grünalgen – die in Gewässern allerdings häufig vorkommen und nicht ungewöhnli­ch sind, wie Hilscher ausführt. Sterben diese jedoch naturgemäß ab, entsteht ein Faulgas – das sich negativ auf den Sauerstoff­gehalt im Wasser auswirkt. „Diesen Effekt gibt es allerdings jedes Jahr“, betont der Amtsleiter. Ein erschweren­der Faktor könnte in diesem Jahr sein, dass der See weniger Wasser hat als sonst der Fall.

Alarmieren­der ist jedoch ein weiterer Fund: Auch Blaualgen wurden im See festgestel­lt. „Und die sind nicht ohne“, so Hilscher. Blaualgen, der wissenscha­ftliche Name lautet Cyanobakte­rien, können giftige Toxine produziere­n, Badeseen mussten wegen ihnen bereits gesperrt werden. Auch sie könnten ein Grund für das plötzliche Verschwind­en des Sauerstoff­s im Wasser sein. „Wir sind ein bisschen am Rätseln“, meint der Amtsleiter, der von einem „Phänomen“spricht. Auch die angrenzend­en Seen habe das Landratsam­t untersucht – doch dort sei alles in Ordnung.

„Es ist kaum zu erwarten, dass sich die Situation verbessert“, meint Karl Schwab, der vom Veterinära­mt als Experte hinzugezog­en wurde. Für die verbleiben­den Fische könne man nicht viel tun. Frisches Wasser in den See zu pumpen: „Das ist schon eine Frage der praktische­n Machbarkei­t.“Auch die angrenzend­e Donau habe zur Zeit wenig Wasser, ein Abfischen des Sees und Umsetzen der Tiere ebenfalls kaum möglich.

Pächter Torsten Bühler klammert sich indes an die Hoffnung, dass die Situation bald umschlägt. „Bei Blaualgen dauert es etwa zwei, drei Tage, bis die Spitze vorbei ist – wir hoffen, dass es dann wieder normal wird.“Vor allem die größeren Fische hätten bislang überlebt.

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FOTOS: SABINE KRAUSS Wasserfont­änen über dem Nägelesee: Während am Donnerstag die Tuttlinger Feuerwehr eine Belüftungs-Aktion des Wassers übernommen hatte, organisier­te Pächter Torsten Bühler diese am Freitag selbst.
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Am Donnerstsa­g sind mehrere Fische verendet.

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