Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Einkaufen für die Isolierten
Evangelische Kirche und Vereine aus Bingen und Sigmaringendorf führen Nachbarschaftshilfe ein
SIGMARINGENDORF/BINGEN - Viele Menschen müssen wegen der Pandemie in Quarantäne bleiben oder trauen sich nicht vor die Tür, weil sie der Risikogruppe angehören. Fehlt ihnen dann noch das Umfeld, das für sie einkaufen geht, stehen sie vor einem großen Problem. Dieses Problem wollen viele Menschen, Vereine und Organisationen jetzt angehen, indem sie eine Art Nachbarschaftshilfe ins Leben rufen. Zu diesen Gruppen gehört auch die evangelische Kirche in Sigmaringen, die Katholische Junge Gemeinde (KJG) Sigmaringendorf und einige Binger Organisationen.
Für ihn sei es ein „Dienst der Nächstenliebe“, sagt der evangelische Sigmaringer Pfarrer Matthias Ströhle. Deshalb haben er und seine Frau Dorothee Sauer auch schon im Kreis der Gemeindemitglieder, der Konfirmationseltern und auch der Mitarbeiter herumgefragt, wer ehrenamtlich helfen möchte. Geholfen werden solle vor allem denjenigen, die nicht auf das Netz der Familie oder einer regulären Nachbarschaftshilfe zurückgreifen könnten.
„Wir wollen damit zeigen: Die Kirche und unsere Gemeinschaft lassen niemanden im Stich“, sagt Ströhle.
Konkret könnte das wie folgt ablaufen: Wer Unterstützung beim Einkaufen benötigt, solle sich beim Pfarramt oder im Gemeindebüro melden. Diese organisierten dann jemanden aus der Riege der Ehrenamtlichen, der in der Nähe wohnt und dann einkaufen geht. „Das braucht aber etwas Vorlauf, am selben Tag klappt das wahrscheinlich selten“, sagt Ströhle.
Wichtig sei ihm der Schutz der Menschen, sowohl der Hilfsbedürftigen als auch der Ehrenamtlichen. Deshalb soll nur ein Ehrenamtlicher den Einkauf übernehmen und auch bei der Übergabe der Lebensmittel solle es wiederum keinen persönlichen Kontakt geben. Der Freiwillige ruft kurz vor seinem Besuch an und stellt den Einkauf ab. „Das Geld kann ja in einem Umschlag etwas versteckt werden“, so Ströhles Idee. Das würde die Menschen in der Risikogruppe schützen und ihnen gleichzeitig das Leben erleichtern.
Dass jemand diesen Service ausnutzt, hält der Pfarrer für unwahrscheinlich. Zu hoch sei die Schwelle für die Menschen, das Angebot überhaupt in Anspruch zu nehmen. Gleichzeitig solle die Höhe des Einkaufswerts beschränkt werden auf etwa 50 Euro. „Wir gehen ja jedes Mal in Vorleistung“, sagt Ströhle. Ein Wocheneinkauf solle aber trotzdem möglich sein.
Ähnliches hat auch die KJG in Sigmaringendorf vor. Rund 30 Ehrenamtliche haben sich zusammengetan, um die Menschen der Risikogruppe in ihrer Gemeinde zu versorgen. „Auch ehemalige Mitglieder haben sich gemeldet, um dabei zu sein“, sagt Maren Bauer, die mit zwei anderen die Nachbarschaftshilfe organisiert. Entsprechend viele Junge machen mit, angefangen bei 16 Jahren bis hin zu 30 Jahren. Auch Eltern sind mit dabei, denn einige der Ehrenamtlichen dürfen wegen ihres Alters noch kein Auto fahren.
Die Ortsbereitschaft Bingen des Deutschen Roten Kreuzes, die Binger Ministranten und Pfadfinder haben sich ebenfalls zusammengeschlossen. Von Montag bis Samstag haben sie unter der Handynummer 0151/56 68 25 40 für Bürger ein „Hilfstelefon“eingerichtet, bei welchem sie immer von 9 bis 12 Uhr anrufen und ihre Einkaufsliste durchgeben können. Montags, mittwochs und freitags gehen die Helfer einkaufen und liefern die gewünschten Artikel bis vor die Tür. „Wir können zum Glück auf eine gute Infrastruktur in Bingen zurückgreifen und können so die örtlichen Geschäfte unterstützen“, teilt Bürgermeister Jochen
Fetzer mit. Der Service ist kostenlos. Per Mail oder per Telefon können sich die Menschen melden, woraufhin über eine Whats-App-Gruppe der Einkauf in die Wege geleitet wird. Auch hier spielt die Sicherheit der Beteiligten eine große Rolle, so Bauer: „Die Einkäufe dürfen maximal zu zweit erledigt werden.“Der
Service richtet sich an all diejenigen, die der Risikogruppe angehören, sei es wegen des Alters oder wegen Vorerkrankungen, sagt die Jugendliche. Wichtig sei es, dass die Menschen das Angebot ernst nehmen, betont sie: „Die Leute brauchen keine Angst haben, die Hilfe in Anspruch zu nehmen.“