Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Autofirmen sollen Beatmungsgeräte bauen
Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann bittet die Industrie um Hilfe
STUTTGART/RAVENSBURG (tja/ ben) - Baden-Württembergs Landesregierung hat die Auto- und Maschinenbauer im Land aufgefordert, bei der Produktion dringend benötigter medizinischer Produkte Hilfe zu leisten. In einem Brief an die Unternehmen der Branchen, welcher der „Schwäbischen Zeitung“vorliegt, schreibt Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne): „Meine Regierung steht zur Stunde vor der gewaltigen Herausforderung, zum einen die weitere Verbreitung des Coronavirus wirkungsvoll einzudämmen und zum anderen Krankenhäuser sowie medizinische Einrichtungen vorzubereiten.“
Im Vordergrund stehe, so Kretschmann weiter, die Versorgung etwa mit Beatmungsgeräten oder Schutzmasken. „Möglicherweise verfügen Ihre Unternehmen – dies ist nur ein Beispiel – über entsprechende Produktionstechnik, mit der etwa Bauteile für Beatmungsgeräte hergestellt werden können.“Die außergewöhnliche Situation erfordere eben auch die Einleitung außergewöhnlicher Maßnahmen. Deshalb wende er sich mit der dringenden Bitte an die Firmen, zu prüfen, ob es möglich sei, „einen wichtigen Beitrag zur Produktion solcher Geräte zu leisten“.
Der Verband der Automobilindustrie (VDA) sowie der Maschinenbauerverband VDMA reagierten positiv auf den Vorstoß.
RAVENSBURG - Wenn Baden-Württembergs Regierungschef Winfried Kretschmann eine Sache weiß, dann die, auf welchen Branchen der Wohlstand seines Landes maßgeblich beruht: Es ist die Automobilindustrie und der Maschinenbau, für deren technologische Kompetenz der Südwesten Deutschlands in aller Welt bekannt ist. In der schwersten Krise, die Baden-Württemberg und auch die gesamte Bundesrepublik seit Ende des Zweiten Weltkriegs erlebt, wendet sich der grüne Ministerpräsident nun an seine Vorzeigebranchen und bittet sie um Hilfe.
In einem Brief, der der „Schwäbischen Zeitung“vorliegt, fragt Winfried Kretschmann, ob „es der Automobilwirtschaft sowie den Anlagenund Maschinenbauern im Land möglich ist, einen wichtigen Beitrag zur Produktion“von medizinischen Geräten zu leisten, insbesondere Beatmungsgeräten und Atemschutzmasken, um die Verbreitung des Coronavirus einzudämmen. Eine „außergewöhnliche und ernste Situation erfordert die Einleitung außergewöhnlicher Maßnahmen“, schreibt der gebürtige Sigmaringer in seinem Brief. „Möglicherweise verfügen ihre Unternehmen über entsprechende Produktionstechnik, mit der etwa Bauteile für Beatmungsgeräte hergestellt werden können“, heißt es in dem Schreiben weiter. Um die Herstellung der für die Versorgung an Covid-19 erkrankten Patienten so wichtigen Geräten zu forcieren, habe Kretschmann die baden-württembergische Landesagentur für Mobilitätslösungen, e-mobil BW GmbH, und Landesgesellschaft für die Gesundheitsindustrie, Biopro BW GmbH, beaufragt, die Taskforce „Beatmungsmaschinen“zu gründen. Die Taskforce werde die Unternehmen, die das erforderliche Knowhow und die entsprechenden Produktionstechniken haben, zeitnah mit den herstellenden Firmen der Medizintechnik zusammenbringen.
Der Verband der Automobilindustrie (VDA) steht in Fragen nach Hilfen in der Corona-Krise nach eigenen Angaben bereits in engem Austausch mit seinen Mitgliedsunternehmen. „Wir arbeiten an Möglichkeiten zur kurzfristigen Unterstützung der Produktion entsprechender Komponenten, Geräte und Produkte“, sagt VDAPräsidentin
Hildegard Müller der „Schwäbischen Zeitung“. Allerdings sei eine verantwortungsvolle Prüfung notwendig, weil alle Zulieferungen „den Anforderungen und Prozessen der Medizintechnik entsprechen“müssen. „Die Unternehmen der deutschen Automobilindustrie wollen ihren Beitrag dazu leisten, die aktuelle Krise schnell und erfolgreich zu bewältigen“, sagte Müller weiter. „Wir haben derzeit schon Unternehmen,
die in China Schutzmasken herstellen, andere spenden derzeit Hundertausende dieser Masken. Über weitere Maßnahmen reden wir.“Zu den Konzernen, die in China Masken produzieren und die nicht benötigten Masken spenden, gehört auch der Friedrichshafener Zulieferer ZF. Kretschmanns Bitte um Hilfe auch im Südwesten prüfe der Konzern „wohlwollend“, wie ein Sprecher bestätigte.
Auch der Maschinenbauverband VDMA in Baden-Württemberg werde den Brief Kretschmanns zum Anlass nehmen, bei den Unternehmen im Südwesten für das Anliegen zu werben, wie Dietrich Birk, Geschäftsführer des VDMA in BadenWürttemberg, der „Schwäbischen Zeitung“bestätigte. „Möglicherweise ist das eine oder andere Unternehmen dabei, das die Produktion unterstützen kann“, sagte Birk. Allerdings müsse man auch sehen, dass bei solchen Produkten eine sensible Zertifizierung notwendig sei. „Nicht jedes Unternehmen ist in der Lage, von einem auf den anderen Tag auf Medizintechnik umzustellen“, erläuterte Birk weiter. Am wahrscheinlichsten sei, dass Spezialfirmen aus der Luft-, Pumpen- oder Filtertechnik Komponenten liefern könnten.
Dabei sind Komponenten nicht alles, was Kretschmann von seinen Vorzeigebranchen will. Der Ministerpräsident möchte auch die „langjährige Erfahrung beim Aufbau, dem Betrieb und der Optimierung von Produktionslinien“für den Kampf gegen das Virus nutzen. Und die können die Autoindustrie und der Maschinenbau auf jeden Fall bieten.