Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
„Der Gesunde atmet viel an der Maske vorbei“
RAVENSBURG - Viele Menschen tragen derzeit chirurgische Schutzmasken, um eine Infektion mit dem Coronavirus zu verhindern. Dabei bieten sie Gesunden keinen 100prozentigen Schutz, erklärt der Virologe Thomas Mertens im Gespräch mit Daniel Hadrys. Aber: Sie sind unter Umständen dennoch sinnvoll.
Wie groß ist der Nutzen einer „einfachen“chirurgischen Maske tatsächlich?
Es gibt kaum gute Untersuchungen zu dem Thema. Eine einfache chirurgische Maske bietet aber zumindest einen Vorteil, wenn ein Infizierter sie trägt. Denn die Übertragung läuft auch über größere Tröpfchen, die beim Ausatmen abgefangen werden. Der Gesunde, der sich schützen will, atmet aber nicht vollständig durch die Maske hindurch, sondern viel an der Maske vorbei. Diese Masken sind zudem nicht darauf ausgelegt, kleinste Tröpfchen aufzuhalten. Der Chirurg trägt die Maske übrigens nicht, um sich vor dem Patienten zu schützen – sondern den Patienten vor seinen ausgeatmeten Tröpfchen.
Macht das flächendeckende Tragen chirurgischer Masken demnach Sinn, damit unbemerkt Infizierte den Erreger nicht weitergeben?
Ja, das ist auch einer der Gründe, warum die Menschen in China immer zur Grippezeit solche Masken tragen. Dort ist es eben eine allgemein akzeptierte Gewohnheit.
Welche Art von Masken gibt es außerdem?
Die sogenannten FFP2-Masken kann man tragen, sie sind effektiver. Die FFP3-Masken schützen zwar vor einer Übertragung und werden bei Risikotätigkeiten im Labor getragen. Doch mit ihnen hält man es nicht lange aus, weil das Atmen durch sie innerhalb relativ kurzer Zeit schwer fällt und es darunter auch heiß wird.
Im Internet kursieren mittlerweile Anleitungen zum MaskenSelbstbau. Wie effektiv können diese sein?
Diese Anleitungen kenne ich nicht. Jede Maske sollte unbedingt dem Standard der zugelassenen Masken (CE) entsprechen.
Ein Fallreport aus China zeigt, dass sich die Passagiere einer vierstündigen Busfahrt mit Mundschutz nicht infiziert haben, die Passagiere ohne Maske jedoch schon. Wie ist das zu erklären?
Von anderen Infektionserregern weiß man, und es ist vernünftig anzunehmen, dass dies auch hier gilt: Infektion ist ein dosisabhängiger Prozess und hängt von mehreren Faktoren ab: lokale Menge von Virus (Erreger) in der Atemluft (Anzahl der Ausscheider), Größe und Lüftung des Raumes, in dem sich Ausscheider und Infektionsgefährdete befinden, und vor allem auch von der Dauer des Aufenthaltes in dem Raum. Die Infektion erfolgt äußerst wahrscheinlich nicht durch ein einzelnes Coronavirus, die genaue erforderliche Infektionsdosis kennt man aber noch nicht. Masken beim Ausscheider und „Empfänger“mögen da schon helfen.