Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Aesculap bekommt OP-Absagen zu spüren
Mutterkonzern B. Braun wagt wegen Coronavirus-Krise keine Geschäftsprognose – Gewinn des Medizinprodukteherstellers bricht ein
MELSUNGEN/RAVENSBURG - Die Coronavirus-Krise dürfte dem Tuttlinger Medizintechnikunternehmen Aesculap in diesem Jahr Umsatzausfälle bescheren. Das sagte Anna Maria Braun, Chefin der Aesculap-Mutter B. Braun, auf der virtuellen Jahrespressekonferenz des Gesundheitskonzerns am Freitag. „Weil planbare Operationen abgesagt werden, gehen wir davon aus, dass die Erlöse bei Aesculap in diesem Jahr zurückgehen“, sagte Braun.
Quantifizieren konnte die Vorstandschefin, die seit April 2019 die Geschicke des Familienunternehmens aus dem hessischen Melsungen lenkt, die Umsatzrückgänge jedoch nicht. Die Erfahrungen von Aesculap im China-Geschäft, das Europa in der Coronavirus-Krise etliche Wochen vorausläuft, ließen diese Prognose aber erwarten. Die
Frage sei, erklärte Braun, wie schnell das im Jahresverlauf wiederaufgeholt werden könne. Durch den 2015 abgeschlossenen Standortsicherungsvertrag
könne man die Situation aber ohne Auswirkungen auf die Beschäftigten in Tuttlingen abfedern – etwa indem Arbeitszeitkonten abgeschmolzen würden. Aesculap will am Dienstag kommender Woche über sein Geschäft berichten.
Für den Gesamtkonzern rechnet der Vorstand aber im laufenden Jahr mit Wachstum. „Wir haben den Vorteil, dass wir breit aufgestellt sind“, sagte Finanzchefin Annette Beller. Den Einbußen in der OP-Sparte Aesculap stünden steigende Umsätze in den Bereichen Klinikprodukte und ambulante Patientenversorgung gegenüber. Eine konkrete Prognose für 2020 nannte Beller wegen möglicher Werksschließungen und Lieferkettenprobleme durch die CoronavirusPandemie aber nicht. Aktuell haben die Behörden in Indien einen B.Braun-Standort geschlossen, und das Werk in Malaysia läuft nur mit halber Kapazität.
„Ich glaube nicht, dass wir in anderen Ländern komplette Produktionsstopps bekommen“, sagte Anna Maria Braun mit Verweis auf die „Systemrelevanz“von B. Braun. Selbst im Werk in Norditalien laufe die Produktion. Um den Betrieb zu gewährleisten, habe man Krisenpläne erstellt, um die Belegschaften zu schützen. Schichtübergaben gebe es nicht mehr, und wo es möglich ist, würden die Mitarbeiter im Homeoffice arbeiten. Zudem wurden schon sehr früh Reiseverbote verhängt und Vertriebsmitarbeitern Kundenbesuche verboten. „Das Kernportfolio kann nach wie vor produziert werden. Stand heute ist die Versorgung gesichert“, erklärte Braun. Bei besonders gefragten Produkten – wie beispielsweise Desinfektionsmitteln – habe man die Produktion sogar um ein Fünftel steigern können.
B. Braun blickt auf ein erfolgreiches Jahr zurück. Der Umsatz des
Unternehmens, das rund 5000 Medizinprodukte wie Kanülen, Infusionslösungen und -pumpen, chirurgische Instrumente und Pflaster herstellt, stieg um 8,2 Prozent auf knapp 7,5 Milliarden Euro. „Das Umsatzwachstum hat sich nicht nur gut verteilt über alle Regionen, sondern auch über alle Sparten hinweg“, sagte Vorstandschefin Anna Maria Braun.
Der Gewinn brach jedoch um 40 Prozent auf nur noch 197 Millionen Euro ein. Das liege „im Rahmen unserer Erwartungen, hat uns aber nicht zufriedengestellt“, kommentierte Braun das Ergebnis. Als Grund nannte sie steigende regulatorische Anforderungen wie die EU-Medizinprodukteverordnung, die 60 Prozent der Ressourcen in Forschung und Entwicklung gebunden hätten. Die Zahl der Mitarbeiter von B. Braun stieg 2019 von 63 571 auf 64 585, davon arbeiteten rund 16 000 Beschäftigte in Deutschland.