Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Viel bringt nicht viel
Sport und Bewegung sind gesund – Aber wenn Hobbysportler sich überfordern, schadet das Körper und Psyche
Unruhig und nervös, ständig irgendwo ein Zipperlein und die Lust aufs Training ist gering: Das sind Warnsignale, die Sportler ernst nehmen sollten. Denn diese Anzeichen sprechen für ein Übertraining. Auch wenn Sport und Bewegung grundsätzlich gut und gesund sind, sollte man es nicht übertreiben: Die körperlichen und seelischen Folgen können gravierend sein. Experten geben Tipps, wie viel Sport es sein darf und wann man auf die Bremse treten sollte.
Grundsätzlich gilt: Erschöpfung muss sein, um überhaupt einen Trainingseffekt zu erzielen, wie Professor Ingo Froböse von der Sporthochschule Köln erklärt. Aber: „Viele machen gerade am Anfang zu viel. Sport funktioniert nicht nach dem Motto ,Viel hilft viel’. Einsteiger sollten deshalb nur alle zwei Tage trainieren und zwar so, dass sie sich subjektiv unterfordert fühlen, wie der Experte empfiehlt. Zwar passe sich das HerzKreislauf-System nach zwei bis vier Wochen an die körperlichen Belastungen an. „Bänder, Knochen und Sehnen brauchen eher drei bis vier Monate, um sich an ein aktives Leben zu gewöhnen.“
Die Anzeichen, dass man es mit dem Sport übertrieben hat, sind seelisch und körperlich vielfältig. Zu den körperlichen Signalen zählen laut Froböse unter anderem Infektanfälligkeit, gerötete und warme Gelenke und ein noch am nächsten Morgen erhöhter Puls. Und natürlich Schmerzen. „Treten 18 bis 24 Stunden nach dem Sport Schmerzen auf, ist das auf das Training zurückzuführen“, betont Froböse. Denn so lange brauche das Immunsystem, um seine Reparaturprozesse wirken zu lassen. Das sollte man ernst nehmen: „Schmerzen sind immer ein wichtiges Signal und dienen immer dem Schutz der Gesundheit. Die kann man bei einem wichtigen Lauf zwei Kilometer vor dem Ziel mal ignorieren, aber langfristig ist das gefährlich“, erklärt Valentin Z. Markser, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Sportpsychiatrie.
Auch seelisch kann sich ein Übertraining bemerkbar machen: Man ist unruhig, schläft schlecht oder hat keine Lust mehr auf das Training. Gerade Letzteres lässt sich oft schwer von einfachen Motivationsschwierigkeiten, dem sogenannten inneren Schweinehund, unterscheiden. Markser erklärt den Unterschied: „Wenn die schlechte Stimmung
auch nach dem Sport anhält, ist das ein Zeichen, das man ernst nehmen sollte.“Denn die Konsequenzen können gravierend sein: Seelisch kann etwa eine Depression die Folge sein. Körperlich droht durch permanente Überforderung im Sport im schlimmsten Fall etwa ein Ermüdungsbruch, wie Froböse erklärt. Damit es so weit nicht kommt, empfiehlt Markser bei ausgeprägter Leistungs- und Wettkampforientierung nicht auf eigene Faust zu trainieren. „Gerade im Amateurbereich gibt es immer mehr Leute, die eine extreme Selbstoptimierung ohne sportmedizinische Begleitung betreiben. Das ist eine große Gefahr“, sagt Professor Froböse. Wichtig sei es auch, Spaß am Sport zu haben und sich nicht immer zwingen zu müssen. „Wer sich sagt ,Ich mache das nur, weil es gesund ist’, läuft Gefahr, vor allem seelisch unter dem Training zu leiden.“Sport-Einsteigern empfiehlt Markser, vor allem wenn sie älter als 35 Jahre sind, vor Beginn des Trainings eine sportmedizinische Untersuchung, bei der unter anderem die Herz-, Kreislaufund Lungenfunktion geprüft wird.
Um einer Überforderung durch das Training vorzubeugen, sind vor allem Pausen wichtig. „Die größte Gefahr für eine Überforderung droht nicht durch einzelne zu intensive Trainingseinheiten, sondern aus deren Summe und zu kurzen Pausen“, erklärt Froböse.
Was die Länge der Pausen angeht, gibt Froböse Empfehlungen basierend auf Erfahrungswerten aus der Sportwissenschaft. So machen Sportler nach einem Trainingslauf am besten 12 bis 18 Stunden Pause, Untrainierte 24 bis 36 Stunden. Nach dem Muskelaufbau sollte man mit dieser Form des Trainings 72 bis 84 Stunden pausieren. „Sportler machen niemals zwei Krafttrainings hintereinander“, betont Froböse. Wer Koordination oder neue Techniken
trainiert, sollte dies bis zu 72 Stunden sacken lassen.
Um angemessen zu trainieren, sollte man sich auch vernünftige Ziele setzten. Als Einsteiger in einem Jahr einen Marathon laufen zu wollen, das sei völlig überzogen, meint Froböse. „Man sollte sich Ziele setzen, die nach sechs bis acht Wochen möglich sind.“Das heißt zum Beispiel je nach dem eigenen Fitnesslevel nach zwei Monaten drei, fünf oder sieben Kilometer laufen zu wollen. Hat man das erreicht, sollte man sich belohnen und ein neues Ziel setzen – so meistert man auch Motivationslöcher.
Bei schweren Problemen durch Überforderung im Sport bedarf es ärztlicher und unter Umständen auch psychologischer Betreuung. Hat man sich hingegen ein bisschen übernommen, empfiehlt Froböse zunächst zwei bis drei Tage komplett auf das Training zu verzichten. „Das wirkt in der Regel schon Wunder.“Die darauffolgenden sieben bis zehn Tage legt man am besten sogenannte Regenerationseinheiten ein – ganz ruhig laufen oder walken und ein leichtes Kraftausdauertraining. „Bei leichten Überforderungen braucht der Körper meist nicht länger als zwei Wochen, um sich zu erholen.“