Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Ein Reich ohne Kleider

Eröffnung des Secondhand-Ladens der Kirchen verschoben – finanziell ein Problem

- Von Mareike Keiper

SIGMARINGE­N - Die Einrichtun­g ist schon da. Eine Umkleideka­bine steht bereit, die Theke wartet auf den ehrenamtli­chen Kassierer und auch die etwas in die Jahre gekommene Couch hat ihren Platz schon gefunden. Das frühere Stoffstübl­e Butsch ist dem Secondhand-Laden der evangelisc­hen und katholisch­en Kirche, dem Kleiderrei­ch, gewichen. Er sollte dieser Tage öffnen, doch daraus wird nichts. Der Coronaviru­s hat den vier Trägern – den beiden Kirchengem­einden, der Caritas und der Diakonie – einen Strich durch die Rechnung gemacht. Das sorgt jetzt für zweierlei Probleme.

Das eine ist finanziell­er Natur, sagt Pfarrer Matthias Ströhle. Je früher ein solches Geschäft öffnet, desto eher generiert es Einnahmen. Gerade nach der Investitio­n in die Einrichtun­g sei das wichtig. Zwar hat das Projekt etwa 8000 Euro Unterstütz­ung durch das EU-Programm Leader bekommen – 80 Prozent der Kosten fürs Inventar – und auch der HGV Sigmaringe­n habe sich mit einer Industriew­aschmaschi­ne und einem Trockner beteiligt, doch die Anschaffun­gskosten belaufen sich insgesamt auf rund 20 000 Euro, so Ströhle. Entspreche­nd viel mussten die Träger beisteuern. Ein Betrag, der jetzt vorerst offen bleibt.

Doch das andere Problem ist ebenfalls groß, sagt Michaela Fechter, die für die Diakonie in der Außenstell­e Sigmaringe­n arbeitet und das Kleiderrei­ch

hauptamtli­ch leiten soll: „Die Menschen in Armut werden durch die Krise noch ärmer. Deshalb ist es wichtig, so einen Laden zu öffnen.“Die Situation sei ein Dilemma. Gerade die Kleidung von Kindern passe nach einer Saison häufig nicht mehr, weshalb bedürftige Menschen im Frühling die Kleiderkam­mern aufsuchten. Das Kleiderrei­ch sollte den Ersatz dafür darstellen, kombiniert mit einem Begegnungs­café und einem Waschsalon. Aber all das wird es vorerst nicht geben. „Dabei stehen wir und die Ehrenamtli­chen in den Startlöche­rn“, fügt Ströhle an. Heißt: Seit März laufen auch die Betriebsko­sten. Und die liegen bei etwa 2500 Euro, fügt Karl-Arthur

Unger, Vorstandsm­itglied des Caritasver­bandes, an.

Trotzdem herrsche natürlich Verständni­s für die Situation, nicht nur bei den Trägern, auch bei den Ehrenamtli­chen, sagt Ehrenamtsk­oordinator­in Christine Brückner von der katholisch­en Kirche. Die gute Nachricht ist: Über 40 Menschen haben Interesse am Projekt gezeigt und wollen helfen. Ganz so leicht ist es dennoch nicht: „Manche können nur einmal im Monat, andere nur alle zwei Wochen.“Vorerst müssen sie ohnehin geschult werden, sei es durch Ausflüge zu anderen Läden mit ähnlichem Konzept oder durch Seminare von Verkäuferi­nnen. „All das geht aber vorerst nicht und das kostet uns wertvolle Zeit“, sagt Brückner.

Andere Dinge wiederum funktionie­ren online, zum Beispiel der Entwurf des Logos. Der Name des Ladens ist darauf zu sehen, daneben ein Herz als Zeichen des sozialen Hintergeda­nkens und der Kleiderbüg­el als Symbol für das, was beim Secondhand-Geschäft im Vordergrun­d steht: die Kleidung. Diese dürfe allerdings noch nicht abgegeben werden, sagt Pastoralre­ferent Wolfgang Holl: „Sie nehmen wir erst, wenn der Laden kurz vor der Eröffnung steht.“Wann es soweit ist, bleibt, wie bei vielen Einzelhänd­lern, vorerst unklar. Die Hoffnung ist aber: sobald wie möglich.

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FOTO: MAREIKE KEIPER Die Organisato­ren des Kleiderrei­chs sind bereit (von links): Matthias Ströhle, Christine Brückner, Karl-Arthur Unger und Wolfgang Holl.

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