Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Tausende ZFler sind in Kurzarbeit
Konzern fährt weite Teile der Produktion runter – Betriebsrat: Belegschaft trägt Kurs mit
FRIEDRICHSHAFEN - 9750 Menschen arbeiten in Friedrichshafen und Kressbronn für ZF. Eigentlich, denn dieser Tage ist wenig so wie gewohnt. Nach Einschätzung des Betriebsrates befinden sich in der Woche nach Ostern 7000 ZFler am See in Kurzarbeit. Im Werk 2 wird die Produktion weitgehend heruntergefahren. Wann die Bänder wieder laufen wie früher, das ist offen.
Der Zulieferer, der weltweit knapp 150 000 Menschen beschäftigt, gerät derzeit aus zwei Richtungen unter Druck. Zum einen drosseln oder stoppen die Auto- und LkwHersteller ihre Produktion und nehmen keine Teile mehr ab, zum anderen fehlt es schlicht an Material, Eisenteile beispielsweise aus Italien und Spanien. Das bleibt nicht ohne Folgen. Achim Dietrich, Vorsitzender des ZF-Gesamtbetriebsrats, geht davon aus, dass 40 000 der 50 000 Mitarbeiter in Deutschland im Moment von Kurzarbeit betroffen sind. Ein Unternehmenssprecher spricht von zwei Dritteln der Belegschaft, die sich in Kurzarbeit befinden.
Dass die Angaben beider Seiten nicht übereinstimmen, liegt an der Unübersichtlichkeit der Situation. Jeder Bereich prüft für sich, welches Maß an Arbeitszeitverminderung nötig und sinnvoll ist. Dabei dürfte die Faustregel gelten: je produktionsnäher, desto höher die Quote der Kurzarbeit. Werke wie das in Brandenburg, die nur einen Kunden beliefern (in dem Fall Porsche), fahren komplett herunter, wenn der Kunde keine Getriebe mehr abnimmt. Kundendienstmitarbeiter oder Entwickler dagegen arbeiten teilweise noch mit dem vollen Stundensatz.
Es gilt die Regel, dass Ausfalltage zur Hälfte über Kurzarbeit und zu je einem Viertel über Urlaub und Überstundenabbau organisiert werden. Wer genau was einbringt, können laut Betriebsrat die Beschäftigten in der Regel selbst entscheiden. Die Zahl der Ausfalltage legt das Unternehmen fest.
Auch am Standort Friedrichshafen ist das Bild ziemlich uneinheitlich. Während in diesen Tage Teile der Traxon-Produktion für einen chinesischen Kunden noch laufen, wird das Werk 2 in der Woche nach Ostern komplett dicht gemacht. Im Werk 1 wird teilweise weitergearbeitet, unter Einhaltung spezieller Schutzvorschriften.
In der Konzernverwaltung liegt die Kurzarbeit im Schnitt bei 80 Prozent, bei der E-Mobilität nur bei zehn Prozent. Die Entwickler arbeiten laut Betriebsrat in vielen Abteilungen weiterhin in vollem Umfang. Das ZF-Forum, die Konzernzentrale, bleibt nach Auskunft des Unternehmens am Gründonnerstag und am Dienstag nach Ostern komplett geschlossen.
Nach Einschätzung von Betriebsratschef Achim Dietrich hat die Belegschaft „die Tragweite der Krise sehr gut verstanden“. Es sei allen bewusst, dass das Unternehmen heftigen Belastungen ausgesetzt ist, weswegen die beschlossenen Maßnahmen auch von den Mitarbeitern mitgetragen würden. Es sei in dem Zusammenhang gut angekommen, dass auch der Vorstand auf Teile seine Vergütung verzichtet habe, so Dietrich. Komplett heruntergefahren wird nach Auskunft des Konzerns übrigens keine Fabrik. Alle Anlagen werden so weiterbetrieben, dass sie im Bedarfsfall ohne unnötigen Zeitverlust wieder hochgefahren werden können. Wann das so weit ist, könne man derzeit nicht voraussehen.
Bei der Bilanz-Pressekonferenz vor einigen Tagen hatte ZF-Chef Wolf-Henning Scheider davor gewarnt, Gesellschaft und Wirtschaft gegeneinander auszuspielen. „Natürlich müssen wir die Interessen der Wirtschaft im Blick haben – aber es geht auch um die Gesundheit der Mitarbeiter und der Menschen insgesamt. Hier müssen gemeinsame Lösungen gefunden werden, Wirtschaft und Gesellschaft Hand in Hand gehen“, sagte der Vorstandsvorsitzende.