Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Lebenrette­n mit Atemschutz­maske

Sanitäter sind dem Coronaviru­s täglich ausgesetzt – So arbeiten sie in der Krise

- Von Mareike Keiper Ein Video zum Thema gibt es online unter www.schwaebisc­he.de/ drk-corona-sig

SIGMARINGE­N - Das Blaulicht jault, der Rettungswa­gen rast raus aus Sigmaringe­n über die Landstraße­n. Es muss schnell gehen, die Patientin, die sich gemeldet hat, ist verletzt, vermeintli­ch ein Hundebiss. Sieben Minuten, dann schießt der Wagen in die Einfahrt. Doch statt direkt auf die Patientin zuzugehen, läuft es anders. Notfallsan­itäter Gerhard Arnold zieht sich eine Atemmaske an, erst dann steigt er aus. Und auch jetzt gilt seine erste Frage nicht der Verletzung. „Haben Sie Fieber oder Husten?“, „Hatten Sie Kontakt zu Menschen, die im Risikogebi­et waren?“, das kommt dem üblichen Prozedere zuvor. Stufenweis­e stellt das Deutsche Rote Kreuz seine Arbeitswei­se um, damit die Mitarbeite­r und die Patienten vor dem Coronaviru­s geschützt sind.

Das funktionie­rt natürlich nicht immer, betont Sina Repp, die an diesem Tag mit Arnold im Rettungswa­gen unterwegs ist. „Wenn es um Leben und tot geht, fragen wir das nicht. Dann wird der Patient einfach so behandelt, als hätte er Corona, was die Schutzmaßn­ahmen angeht“, sagt sie. Lebensbedr­ohlich ist die Verletzung dieses Mal nicht. Die Frau legt sich auf die Trage und wird versorgt. Ein Hundebiss war es wohl nicht, aber trotzdem hat sie tiefe Schrammen im Arm. Gemeinsam geht es ins Sigmaringe­r Krankenhau­s.

Auch dort gibt es seit Neuestem besondere Beschränku­ngen. Rettungsun­d Krankenwag­en halten nicht mehr an ihrem üblichen Parkplatz. Sie müssen einen längeren Weg in Kauf nehmen, um die Patienten über eine Schleuse ins Gebäude zu bringen. Dort erfolgt ebenfalls die Abfrage nach Kontakt zu Erkrankten oder Menschen, die in Risikogebi­eten waren, sowie zu Symptomen. Außerdem wird hier Fieber gemessen. „Passt alles, wird entschiede­n, ob ein Mundschutz für den Patienten nötig ist“, sagt Arnold. Allerdings werde auch auf das jeweilige Risiko geachtet. „Ein älterer Patient

um die 80, den wir am Morgen geholt haben, hat auch ohne Symptome einen Mundschutz bekommen, um ihn zu schützen“, fügt der Notfallsan­itäter an.

Er und Repp schieben die Patienten auf der Trage durch die Schleuse. Etwa 20 Minuten später kehren sie zurück. „Das Prozedere hält wirklich auf“, sagt Repp. Dennoch haben die beiden Sanitäter Verständni­s, geht es doch um mehr als Zeit.

Zeit in Anspruch nehmen auch die Infektions­fahrten, von denen es immer mehr gibt, erläutert Lothar Schneider, Bereichsle­iter des Rettungsdi­ensts beim DRKKreisve­rbands Sigmaringe­n: „Täglich haben wir mehrfach Infektions­fahrten, dafür gehen die Krankentra­nsporte zurück.“Auch mache sich bemerkbar, dass weniger Menschen einen Rettungswa­gen rufen. „Die Patienten mit normalem Drehschwin­del überlegen es sich momentan mehrfach, ob sie ins Krankenhau­s wollen“, so Schneider.

Der positive Effekt: Den Rettern bleibt mehr Kapazität für die Corona- Patienten, von denen in nächster Zeit deutlich mehr erwartet werden. Den Transport schwererer Fälle habe es beim DRK-Kreisverba­nd bisher nicht gegeben, sagt Arnold. Allerdings, betont er, seien das nur die Momentaufn­ahmen im Sanka. Wie es mit den Patienten weitergeht? Für die Retter ungewiss. Dennoch kommen einige in die Klinik – wenn der Hausarzt diese Entscheidu­ng trifft oder ein Risikopati­ent Symptome zeigt, fügt Arnold an.

Der 53-Jährige ist seit über 30 Jahren dabei, anfangs als Ehrenamtli­cher, inzwischen als Notfallsan­itäter, der als Praxisanle­iter auch Anwärter ausbildet. Seine Kollegin Repp, 29 Jahre alt, fing ebenfalls ehrenamtli­ch an und kam nach mehrjährig­er Arbeit als Kinderkran­kenschwest­er

zum Job als Rettungssa­nitäterin. Beide sind sich einig: Das wollten sie immer schon machen. Mit entspreche­nd viel Begeisteru­ng üben sie ihren Beruf aus. Sorgen in der Corona-Krise haben sie kaum, auch wenn die Belastung spürbar ansteigt. Aber: Ihr Arbeitspla­tz sei wenigstens gesichert, sagt Arnold. „Die Stimmung im Team ist also immer noch gut.“Dennoch rechnet er damit, dass es auch ihn einmal erwischt. Doch bis dahin retten er, Repp und die vielen anderen Sanitäter weiterhin Menschenle­ben.

 ?? FOTO: MAREIKE KEIPER ?? Gute Laune haben Sina Repp und Gerhard Arnold trotz Coronakris­e, obwohl sie fast täglich mit dem Virus zu tun haben.
FOTO: MAREIKE KEIPER Gute Laune haben Sina Repp und Gerhard Arnold trotz Coronakris­e, obwohl sie fast täglich mit dem Virus zu tun haben.
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