Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Lebenretten mit Atemschutzmaske
Sanitäter sind dem Coronavirus täglich ausgesetzt – So arbeiten sie in der Krise
SIGMARINGEN - Das Blaulicht jault, der Rettungswagen rast raus aus Sigmaringen über die Landstraßen. Es muss schnell gehen, die Patientin, die sich gemeldet hat, ist verletzt, vermeintlich ein Hundebiss. Sieben Minuten, dann schießt der Wagen in die Einfahrt. Doch statt direkt auf die Patientin zuzugehen, läuft es anders. Notfallsanitäter Gerhard Arnold zieht sich eine Atemmaske an, erst dann steigt er aus. Und auch jetzt gilt seine erste Frage nicht der Verletzung. „Haben Sie Fieber oder Husten?“, „Hatten Sie Kontakt zu Menschen, die im Risikogebiet waren?“, das kommt dem üblichen Prozedere zuvor. Stufenweise stellt das Deutsche Rote Kreuz seine Arbeitsweise um, damit die Mitarbeiter und die Patienten vor dem Coronavirus geschützt sind.
Das funktioniert natürlich nicht immer, betont Sina Repp, die an diesem Tag mit Arnold im Rettungswagen unterwegs ist. „Wenn es um Leben und tot geht, fragen wir das nicht. Dann wird der Patient einfach so behandelt, als hätte er Corona, was die Schutzmaßnahmen angeht“, sagt sie. Lebensbedrohlich ist die Verletzung dieses Mal nicht. Die Frau legt sich auf die Trage und wird versorgt. Ein Hundebiss war es wohl nicht, aber trotzdem hat sie tiefe Schrammen im Arm. Gemeinsam geht es ins Sigmaringer Krankenhaus.
Auch dort gibt es seit Neuestem besondere Beschränkungen. Rettungsund Krankenwagen halten nicht mehr an ihrem üblichen Parkplatz. Sie müssen einen längeren Weg in Kauf nehmen, um die Patienten über eine Schleuse ins Gebäude zu bringen. Dort erfolgt ebenfalls die Abfrage nach Kontakt zu Erkrankten oder Menschen, die in Risikogebieten waren, sowie zu Symptomen. Außerdem wird hier Fieber gemessen. „Passt alles, wird entschieden, ob ein Mundschutz für den Patienten nötig ist“, sagt Arnold. Allerdings werde auch auf das jeweilige Risiko geachtet. „Ein älterer Patient
um die 80, den wir am Morgen geholt haben, hat auch ohne Symptome einen Mundschutz bekommen, um ihn zu schützen“, fügt der Notfallsanitäter an.
Er und Repp schieben die Patienten auf der Trage durch die Schleuse. Etwa 20 Minuten später kehren sie zurück. „Das Prozedere hält wirklich auf“, sagt Repp. Dennoch haben die beiden Sanitäter Verständnis, geht es doch um mehr als Zeit.
Zeit in Anspruch nehmen auch die Infektionsfahrten, von denen es immer mehr gibt, erläutert Lothar Schneider, Bereichsleiter des Rettungsdiensts beim DRKKreisverbands Sigmaringen: „Täglich haben wir mehrfach Infektionsfahrten, dafür gehen die Krankentransporte zurück.“Auch mache sich bemerkbar, dass weniger Menschen einen Rettungswagen rufen. „Die Patienten mit normalem Drehschwindel überlegen es sich momentan mehrfach, ob sie ins Krankenhaus wollen“, so Schneider.
Der positive Effekt: Den Rettern bleibt mehr Kapazität für die Corona- Patienten, von denen in nächster Zeit deutlich mehr erwartet werden. Den Transport schwererer Fälle habe es beim DRK-Kreisverband bisher nicht gegeben, sagt Arnold. Allerdings, betont er, seien das nur die Momentaufnahmen im Sanka. Wie es mit den Patienten weitergeht? Für die Retter ungewiss. Dennoch kommen einige in die Klinik – wenn der Hausarzt diese Entscheidung trifft oder ein Risikopatient Symptome zeigt, fügt Arnold an.
Der 53-Jährige ist seit über 30 Jahren dabei, anfangs als Ehrenamtlicher, inzwischen als Notfallsanitäter, der als Praxisanleiter auch Anwärter ausbildet. Seine Kollegin Repp, 29 Jahre alt, fing ebenfalls ehrenamtlich an und kam nach mehrjähriger Arbeit als Kinderkrankenschwester
zum Job als Rettungssanitäterin. Beide sind sich einig: Das wollten sie immer schon machen. Mit entsprechend viel Begeisterung üben sie ihren Beruf aus. Sorgen in der Corona-Krise haben sie kaum, auch wenn die Belastung spürbar ansteigt. Aber: Ihr Arbeitsplatz sei wenigstens gesichert, sagt Arnold. „Die Stimmung im Team ist also immer noch gut.“Dennoch rechnet er damit, dass es auch ihn einmal erwischt. Doch bis dahin retten er, Repp und die vielen anderen Sanitäter weiterhin Menschenleben.