Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
„Sehr sinnvoll und vielversprechend“
RAVENSBURG - Es gibt Fortschritte bei möglichen Medikamenten gegen Covid-19. Virologe Professor Thomas Mertens ordnet sie im Gespräch mit Daniel Hadrys ein.
Israelische Forscher melden große Erfolge bei einem möglichen Medikament gegen Covid-19. Und auch das Helmholtz-Institut für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig sprach nun von einem „Durchbruch“. Können wir uns auf eine Therapie gegen Sars-CoV-2 im Herbst einstellen, wie es die RZIWissenschaftler ankündigen?
In beiden Fällen sollen Antikörper zur Therapie eingesetzt werden, wobei von den beiden Antikörpern aus Israel und Braunschweig keine Einzelheiten bekannt sind. Allerdings ist am 4. Mai ein Artikel einer niederländischen Forschergruppe in „Nature“veröffentlicht worden, der Ähnliches genau beschreibt. Jeder Mensch macht nach Infektion ein Gemisch von Antikörpern gegen Sars-CoV-2. Verantwortlich sind viele verschiedene B-Lymphozyten seines Immunsystems, die sich nach Kontakt mit dem Virus, genauer Virusantigenen, heftig vermehren und differenzieren. Alle Nachkommen eines dieser B-Lymphozyten produzieren den identischen Antikörper. Die Summe aller Nachkommen der oben beschriebenen verschiedenen B-Lymphozyten führen zu dem Antikörper-Gemisch. Die Fähigkeit der verschiedenen Antikörper, das Virus zu hemmen, sind sehr unterschiedlich, von gar nicht bis sehr stark. Viele Forschergruppen suchen nun nach dem Antikörper in dem Gemisch – übrigens auch verschiedener Menschen – der das Sars-CoV-2 am besten und stärksten hemmt und möglichst die Infektion einer Zelle vollständig verhindert. Hat man den Antikörper gefunden, sucht man nach dem B-Lymphozyten, der genau diesen einen Antikörper macht. Hat man dann diesen B-Lymphozyten gefunden, so kann man heute mit aufwendigen Methoden erreichen, dass man nur noch diesen hochwirksamen Antikörper in großen Mengen produzieren kann. Im Grunde handelt es sich bei der geplanten therapeutischen Gabe solcher „monoklonaler“Antikörper um eine sogenannte passive Immunisierung, also Impfung. Dies ähnelt sehr der Therapie von Erkrankten durch Blutplasmapräparate, die von Menschen gespendet wurden, die sich von einer Sars-CoV-2Infektion erholt haben. Nur, dass man kein normales Antikörpergemisch verwendet, sondern eben nur den am besten wirksamen Antikörper in hoher Konzentration. Ich halte dies Vorgehen für sehr naheliegend, sehr sinnvoll und auch vielversprechend. Der Patient erhält zur Behandlung keine chemischen Medikamente, sondern nur menschliche Antikörper, die sehr gut verträglich sein sollten. Die Therapie mit monoklonalen Antikörpern wird derzeit auch für andere Infektionskrankheiten entwickelt.
In den USA wurde der Wirkstoff Remdesivir in einer Notzulassung für die Behandlung von Patienten erlaubt. Wie sicher ist dieser?
Remdesivir wurde zur Behandlung von am Ebolavirus Erkrankten entwickelt, und es gab daher bereits Erfahrungen bei der Anwendung am Menschen. Die ersten Ergebnisse bei der Behandlung von Covid-19 Patienten sind nicht sehr gut, aber auch nicht ganz schlecht. Bei überlebenden Patienten konnte offenbar die Krankheitsdauer verkürzt werden. Leider konnte bisher nicht gezeigt werden, dass die Anzahl der Todesfälle bei den Behandelten geringer war. Wir brauchen hier noch die Ergebnisse weiterer Behandlungsstudien.