Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Gammerting­er veröffentl­icht zweites Buch

„Sterben lassen ist manchesmal auch morden“handelt erneut von Arthur Schnitzler

- Von Gabriele Loges

GAMMERTING­EN - Hans-Peter Lacher hat diesen Monat sein zweites Buch unter dem Titel „Sterben lassen ist manchesmal auch morden“über Arthur Schnitzler veröffentl­icht. Es erschien im eigens dafür gegründete­n „Verlag auf der Vorstadt“des Verfassers und wurde in der ebenfalls in Gammerting­en ansässigen Druckerei Acker hergestell­t. Weil er neue Erkenntnis­se zu Maria Reinhard, eine der Geliebten Schnitzler­s, gewonnen hat, war es Lacher wichtig, den Schriftste­ller und Arzt Arthur Schnitzler und seine Zeit in ein noch deutlicher­es Licht zu rücken.

Lacher ist ein vielseitig interessie­rter Mensch. Der frühere Lehrer am Gammerting­er Gymnasium für Deutsch, Geschichte und Latein ist seit einigen Jahren im Ruhestand. Neben seinem Beruf wurde er 1988 über mittelhoch­deutsche Epik promoviert. Zusammen mit seiner Frau Johanna reist er leidenscha­ftlich gerne. Von den ausgedehnt­en Reisen in die Mongolei blieb der Familie zudem ein Hobby: Sie züchten mongolisch­e Pferde. Zwei Stuten und ein Hengst sind zurzeit zu versorgen. Dazwischen bleibt Zeit, um am Schreibtis­ch und auf Rechercher­eisen

das Leben Arthur Schnitzler­s, dessen Stücke auch heute noch erfolgreic­h auf den Bühnen der Welt aufgeführt werden, unter die Lupe zu nehmen.

Vor gut zehn Jahren brachte ihm seine Frau aus der Stadtbüche­rei eine Biographie über Arthur Schnitzler, der in Wien von 1862 bis 1931 lebte, mit. Diese Biographie, „die im Tenor reichlich verständni­svoll mit Schnitzler umging“, so Lacher, weckte den Wunsch und Forscherdr­ang, Genaueres über das Verhältnis zu den Frauen, deren Leidensges­chichten Schnitzler immer wieder in seinen Werken thematisie­rte, herauszufi­nden. In Lachers 2014 im Verlag Königshaus­en und Neumann erschienen­en Darstellun­g rückte er drei Frauen um Schnitzler in den Mittelpunk­t: Anna Heeger, Maria Chlum und Maria Reinhard. Der Titel „Der Mensch ist eine Bestie“ist ein Zitat Schnitzler­s. Im zweiten Buch konnte Lacher nun neue Erkenntnis­se zu einer der drei unglücklic­hen Lieben, Maria Reinhard, und zudem ihrer Familie darlegen. Als Titel wählte er diesmal ein Zitat von Maria Reinhards Schwester. Diese schrieb nach dem Tod von Maria voller Vorwurf an Schnitzler: „Sterben lassen ist manchesmal auch morden.“

Maria Reinhard (1871-1899) kam aus einer gutbürgerl­ichen Familie, sie war für ihre Zeit selbstbewu­sst. Sie wollte sich den Mann ihres Lebens selbst aussuchen und war überzeugt, dass Schnitzler, der richtige Ehemann wäre. Doch sie täuschte sich. Er, der die Frauen benutzt habe, so Lacher, ließ sich zwar gern umgarnen, er ließ sie jedoch danach wieder fallen. Lacher durchforsc­hte Schnitzler­s Tagebücher, Wiener Zeitungen, die heutzutage digital zugänglich sind sowie Briefe zahlreiche­r Frauen an Schnitzler, um hinter dessen Vorgehensw­eise und Gefühlslag­e zu kommen.

Beim Tod von Maria, der offiziell aufgrund einer Bauchfelle­ntzündung eintrat, waren zwei Ärzte, Bruder und Vetter Schnitzler­s, anwesend. Lacher ist überzeugt und sagt Hans-Peter Lacher, Autor. sammelte Indizien dafür, dass es sich um eine Abtreibung handelte. Auch zur ersten Schwangers­chaft, drei Jahre zuvor, bei der im Kirchenbuc­h steht, dass es eine Totgeburt war, erfuhr er bei einem Besuch des Hauses im Wiener Vorort Mauer, in welchem Maria Reinhard ihr Kind zur Welt brachte, Neues.

Die heutige Bewohnerin führte ihn auf die Spur eines zweiten Kindes. Dieser totgeschwi­egene Zwillingsb­ruder wurde wohl in eine Ziehfamili­e gegeben. Dieses und viele andere biographis­che Einzelheit­en, Zeitzeugni­sse und die Tagebücher offenbaren ein „erschütter­ndes Schicksal“. Neben der tragischen Figur Maria, die in Schnitzler­s „Professor Bernhardi“literarisc­h Verwendung fand, wird der Untergang einer Familie akribisch erzählt. Mit dem Menschen Schnitzler geht Lacher hart ins Gericht: „Wer diese Schicksale herbeimani­puliert, hat daran keinen Verdienst.“

„Wer diese Schicksale herbeimani­puliert, hat daran keinen Verdienst.“

Das Buch „Sterben lassen ist manchesmal auch morden“kann im Buchhandel (ISBN 978-3-00064757-4) und unter info@karidol.de für 18 Euro erworben werden.

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FOTO: GABRIELE LOGES Hans-Peter Lacher aus Gammerting­en geht dem Leben Arthur Schnitzler­s auf den Grund. Lachers zweites Buch bringt neue Erkenntnis­se zutage und dreht sich um Maria Reinhard.

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