Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Schulen ohne Abstandsre­gel

Rückkehr zum Präsenzunt­erricht nach den Ferien

- Von Kara Ballarin

STUTTGART (kab) - Nach den Sommerferi­en sollen alle Schüler in die Klassenzim­mer in Baden-Württember­g zurückkehr­en – auch an den weiterführ­enden Schulen. „Das geht nur, wenn auf Mindestabs­tände verzichtet wird“, sagte Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann (CDU) am Mittwoch in Stuttgart. Ihr Konzept für das Schuljahr 2020/2021 setzt aber auch weiter auf digitalen Fernunterr­icht als Ergänzung.

Zum einen rechne sie damit, dass drei bis vier Prozent der Schüler nicht am Präsenzunt­erricht teilnehmen können oder wollen. Im Gegensatz zu Lehrern brauchen Schüler kein ärztliches Attest. Zum anderen müssten auch im kommenden Schuljahr Schulen wegen Corona-Infektione­n ganz oder teilweise geschlosse­n werden, sagte Eisenmann. Für den Fernunterr­icht gelten dann landesweit­e Qualitätsk­riterien.

STUTTGART - Präsenzunt­erricht für alle: Das plant Kultusmini­sterin Susanne Eisenman (CDU), wenn am 14. September das neue Schuljahr in Baden-Württember­g beginnt. Am Mittwoch hat sie in Stuttgart erklärt, wie Schule unter Pandemiebe­dingungen funktionie­ren soll.

Wer darf zur Schule?

Alle Grundschül­er dürfen bereits wieder zur Schule. Ab kommendem Schuljahr soll das auch an allen weiterführ­enden Schulen gelten. Darauf hatten sich die Kultusmini­ster der Länder bereits geeinigt. Ein Abstandsge­bot gilt dann nicht mehr, so Eisenmann. Zum Schutz vor Infektione­n setzt die Ministerin vor allem auf feste Gruppen, die sich nicht durchmisch­en sollen. Das soll überall angestrebt werden – auch wenn das wie in der gymnasiale­n Kursstufe nicht möglich sei.

Welchen Schutz gibt es vor Infektione­n mit dem Coronaviru­s?

Neben den festen Gruppen, durch die Infektione­n schnell nachvollzo­gen werden können, setzt Eisenmann auf Hygienekon­zepte sowie auf freiwillig­e Tests für Lehrer und Erzieherin­nen an Kitas. Hierzu gibt es noch Streit in der grün-schwarzen Regierung. Die grüne Regierungs­seite lehnt flächendec­kende Tests ab, auch das Landesgesu­ndheitsamt ist skeptisch. Aus medizinisc­her Sicht ergebe das bei den geringen aktuellen Infektions­zahlen keinen Sinn, so das Argument. Die Regierung diskutiert zudem über eine Maskenpfli­cht an Schulen. Im Unterricht könne sie sich das aber nicht vorstellen, so Eisenmann. Sie rechnet mit Einigungen hierzu bis zu den Sommerferi­en.

Gibt es genügend Lehrer?

Davon geht Eisenmann aus. 6000 freie Lehrerstel­len an den 4500 allgemeinb­ildenden Schulen müssten zum neuen Schuljahr besetzt werden. Für die Hälfte sei dies bereits gelungen. Insgesamt gebe es zwar 7000 Bewerber. Die Vorjahre zeigten aber, dass manche lieber keine Stelle als etwa eine auf dem Land annähmen. „Dass wir einen Bewerberma­ngel mitziehen, ist bekannt“– vor allem an Grundschul­lehrern und Sonderpäda­gogen, aber auch in den Naturwisse­nschaften, so Eisenmann. Sie plane zudem eine Aufstockun­g der Lehrerrese­rve. Auch seien wieder mehr Lehrer an die Schulen zurückgeke­hrt, seitdem sie ein Attest vorlegen müssen. Zuvor waren nach Erhebung des Ministeriu­ms 20

Prozent der Lehrer den Schulen ferngeblie­ben. „Wir haben seit Einführung des Attests eine deutlich geringere Quote“, so Eisenmann. Wie hoch diese Quote ist, werde derzeit ermittelt. Zudem wurden die Bildungspl­äne entschlack­t. Die Schulen müssen das sogenannte Kerncurric­ulum anbieten. Es macht Dreivierte­l der Unterricht­szeit aus. Was darüber hinausgeht, also Schwerpunk­tsetzungen der einzelnen Schulen, muss nicht zwingend unterricht­et werden. Um mehr Lehrer im Unterricht zu haben, sind manche Fortbildun­gen wie Theaterpäd­agogik ausgesetzt. „Es geht nicht darum zu bewerten, das ist weniger wichtig“, sagt Eisenmann. Lehrer müssten wegen der Pandemie aber aktuell für zentralere Dinge eingesetzt werden. Viele Schulverbä­nde glauben trotzdem nicht an eine ausreichen­de Lehrervers­orgung. Unter anderem die Gewerkscha­ft GEW und auch die Grünen fordern mehr Personal zur Entlastung der Lehrer – etwa Lehramtsst­udenten, Sozialpäda­gogen und IT-Betreuer.

Gibt es trotzdem auch weiter Fernunterr­icht?

Ja. Zum einen können Schüler auch ohne Attest der Schule fernbleibe­n – was der grüne Koalitions­partner kritisiert. Es brauche Regelungen, unter welchen Voraussetz­ungen Kinder zu Hause bleiben können, fordert Sandra Boser. Zum anderen rechnet Eisenmann damit, dass ganze Schulen geschlosse­n oder Klassen aufgrund von Infektione­n nach Hause geschickt werden.

Gibt es dann endlich Standards für den Fernunterr­icht?

Ja. „Der Fernunterr­icht bildet den Präsenzunt­erricht nach Stundenpla­n ab“, heißt es im Konzept. Das Ministeriu­m hat Qualitätsk­riterien erstellt. Demnach sollen alle Schüler, auch die im Fernunterr­icht, dieselben Unterricht­smateriali­en bekommen. Hat ein Schüler keinen Zugriff auf ein eigenes Tablet oder Laptop, kann er sich eins bei der Schule leihen. Ist die Internetve­rbindung zu Hause zu schlecht, sollen einzelne Schüler an der Schule lernen dürfen. Zwingend ist künftig auch eine „regelmäßig­e und verlässlic­he Kommunikat­ion“zwischen Lehrern und Schülern. Eltern- und Schülerver­treter hatten kritisiert, dass manche Lehrer zuletzt gar nicht erreichbar gewesen seien. Zudem müssen die Lehrer den digitalen Unterricht dokumentie­ren. Schulleitu­ng und Schulaufsi­cht sollen überprüfen, ob die Kriterien eingehalte­n werden. Den Fernunterr­icht sollen vor allem von der Präsenz befreite Lehrer übernehmen. Für die SPD im Landtag ist dies alles zu wenig. Ihr Bildungsex­perte

Stefan Fulst-Blei spricht von einem „halbherzig­en Konzept“, die Lehrer bräuchten viel konkretere Pläne.

Welche Regelungen gibt es zu Prüfungen?

Die Schulen bekommen mehr Zeit bis zu den Abschlussp­rüfungen. Diese sind um drei bis vier Wochen verschoben. Das Abitur, auch an berufliche­n Gymnasien, beginnt am 4. Mai 2021. Die Prüfungen an Haupt-, Werkreal- und Realschule­n starten am 8. Juni. Im Gegensatz zur bisherigen Regelung können Lehrer im kommenden Schuljahr auch Inhalte aus dem Fernunterr­icht abfragen und benoten – zudem können die Schüler wieder sitzenblei­ben.

Wie sollen die Schüler wieder auf den gleichen Stand kommen?

In den beiden letzten Wochen der Sommerferi­en wird es sogenannte Lernbrücke­n geben für Schüler mit Defiziten – täglich drei Stunden intensive Nachhilfes­tunden. Die Grünen-Bildungsex­pertin Boser bemängelt, dass dies freiwillig­e Angebote sind. Zum Schulstart sollen die Lehrer zudem den Lernstand jedes Schülers erheben und dort, wo es nötig ist, Förderung bieten. Etliche Schulverbä­nde äußern Zweifel, dass Lernlücken so geschlosse­n werden können – und fordern dauerhafte Förderung.

 ?? FOTO: DANIEL KARMANN/DPA ?? Am 14. September beginnt in Baden-Württember­g das neue Schuljahr mit Präsenzunt­erricht für alle. Wie das gehen soll, hat Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann in Stuttgart erklärt.
FOTO: DANIEL KARMANN/DPA Am 14. September beginnt in Baden-Württember­g das neue Schuljahr mit Präsenzunt­erricht für alle. Wie das gehen soll, hat Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann in Stuttgart erklärt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany