Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Deutschlan­ds erste Gleichstel­lungsstrat­egie

Regierung will mit Maßnahmenp­aket unter anderem soziale Berufe stärken

- Von Mathias Puddig

BERLIN - Um den Wert der Gleichstel­lungsstrat­egie der Bundesregi­erung zu illustrier­en, greift Franziska Giffey (SPD) zu einer Anekdote. Vor drei Jahren war sie auf ihrer ersten Regierungs­klausur in Schloss Meseberg. Auf der Tagesordnu­ng standen Vollbeschä­ftigung, Nato und EU – was einen Journalist­en dazu verleitete, die Frauenmini­sterin zu fragen: „Wieder nix dabei?“Noch heute kann sich Giffey darüber aufregen. „Wer Vollbeschä­ftigung will, der muss dafür sorgen, dass Gleichstel­lungstheme­n angegangen werden“, sagte sie. Das gelte auch für andere Bereiche: Gleichstel­lung sei mehr als nur ein Thema für die Frauenmini­sterin.

Ihre Ministerko­llegen hat Giffey davon jetzt überzeugt. Am Mittwoch hat das Bundeskabi­nett in Berlin die erste deutsche Gleichstel­lungsstrat­egie

beschlosse­n. Neun Ziele mit 67 Maßnahmen sind darin formuliert. Zu den Zielen gehören Entgeltgle­ichheit, die Stärkung der sozialen Berufe sowie die Schaffung gleichstel­lungspolit­ischer Standards in der digitalen Lebensund Arbeitswel­t. Zudem soll die Vereinbark­eit von Familie, Pflege und Beruf gestärkt werden. Dafür sollen Erwerbsarb­eit und unbezahlte Sorgearbei­t gerechter verteilt werden.

Verbessert werden sollen die Karrierech­ancen von Frauen; sie sollen künftig auch stärker in den Parlamente­n vertreten sein. Weitere Ziele sind die gleichbere­chtigte Präsenz in Kultur und Wissenscha­ft sowie mehr Frauen in Führungspo­sitionen des Bundes. Zudem soll die Bundesregi­erung die tatsächlic­he Gleichstel­lung als Querschnit­tsaufgabe fördern.

Die Strategie soll ein roter Faden für alle Ministerie­n sein, das Wohl der Frauen stärker zu berücksich­tigen.

Giffey sprach von einem „Meilenstei­n, der Maßstäbe auch für die weiteren Legislatur­perioden legen wird“.

Denn klar ist, dass vor der Bundestags­wahl 2021 nicht alle Ziele zu erreichen sind. Die Rentenlück­e von mehr als 50 Prozent wird so schnell nicht zu schließen sein, und der Anteil der Bürgermeis­terinnen wird auch nicht signifikan­t über die zehn Prozent anwachsen, bei denen er derzeit liegt.

Auch beim Ehegattens­plitting geht es nicht voran. Giffey sprach sich zwar erneut für die Abschaffun­g aus. Sie sehe aber nicht, „dass wir eine geänderte Beschlussl­age haben werden“. Die SPD kann sich aber gegen die Union nicht durchsetze­n. FDP-Politikeri­n Katja Suding greift das Papier deshalb zu kurz. „Das ist noch keine Strategie. Die muss erst noch entwickelt werden“, sagte sie. Der Deutsche Gewerkscha­ftsbund schlug ergänzend einen „Gleichstel­lungscheck“vor.

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