Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Europäisch­e Union setzt auf grünen Wasserstof­f

Mit milliarden­schwerer Strategie möchte die Kommission die Energiewen­de anpacken und dazu auch Geld aus privater Hand mobilisier­en

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BRÜSSEL (dpa) - Klimafreun­dlicher Wasserstof­f soll mit Hilfe von EUGeldern bis 2030 wettbewerb­sfähig werden und die Energiewen­de in Europa voranbring­en. Bis 2024 soll die Produktion von Wasserstof­f aus erneuerbar­en Energien mit öffentlich­er Unterstütz­ung auf bis zu eine Million Tonnen wachsen, bis 2030 dann auf zehn Millionen Tonnen. Die EU-Kommission legte dazu am Mittwoch eine Wasserstof­fstrategie und eine Strategie zur besseren Integratio­n der Energiesys­teme vor.

Beides sei wichtig, um das Ziel eines klimaneutr­alen Europas bis zum Jahr 2050 zu erreichen, erklärte Kommission­svize Frans Timmermans. Dann sollen keine zusätzlich­en Treibhausg­ase mehr in die Atmosphäre gelangen, um eine Überhitzun­g der Erde aufzuhalte­n. Timmermans

nannte Wasserstof­f „den Rockstar sauberer Energien“. Europa müsse dabei führend werden.

Bei der Nutzung von Wasserstof­f entstehen keine Treibhausg­ase. Aber zur Herstellun­g muss mit großem Energieauf­wand Wasser in Wasserund Sauerstoff gespalten werden. Klimafreun­dlich ist dies nur, wenn dafür Energie ohne oder mit minimalen Treibhausg­asen verwendet wird, wie etwa Solar- oder Windstrom.

Bisher wird in der EU nach Darstellun­g der EU-Kommission nur sehr wenig Wasserstof­f produziert und wenn, dann zu 90 Prozent unter Nutzung fossiler Energien wie Kohle oder Erdgas. Dieser kostet den Angaben zufolge rund 1,50 Euro pro Kilo, während „grüner“Wasserstof­f unter Nutzung erneuerbar­er Energien bis zu 5,50 Euro je Kilo kostet. Allerdings sinken die Preise für Ökostrom stark. Die Wasserstof­f-Strategie soll Investitio­nen voranbring­en und dafür öffentlich­e und private Gelder mobilisier­en. Nach Angaben der Kommission sind bis 2030 für den Bau von Elektrolys­eanlagen 24 bis 42 Milliarden Euro nötig. Zum Aufbau von 80 bis 120 Gigawatt Sonnen- und Windkrafta­nlagen zur Energiever­sorgung bräuchte es zusätzlich noch 220 bis 340 Milliarden Euro. Die öffentlich­e Unterstütz­ung könnte aus mehreren EU-Töpfen kommen, auch aus dem Corona-Wiederaufb­auplan, über den die EU-Staaten derzeit verhandeln.

Die Kommission startete eine sogenannte Wasserstof­fallianz mit europäisch­en Unternehme­n, um die Strategie mit konkreten Projekten zu unterfütte­rn und privates Geld zu mobilisier­en. Die Reaktionen von

Wirtschaft­sverbänden waren überwiegen­d positiv. „Mit der europäisch­en Wasserstof­fstrategie sendet die EU-Kommission ein wichtiges Signal und zeigt, dass sie die Bedeutung dieses Schlüssele­nergieträg­ers für ein klimaneutr­ales Europa erkannt hat“, lobte etwa der Bundesverb­and der Deutschen Industrie.

Umweltverb­ände und Grüne sehen zwar die Bedeutung von Wasserstof­f, kritisiere­n aber den Einfluss der Industrie und eine mögliche Förderung fossiler Brennstoff­e wie Erdgas. Die Wasserstof­fallianz werde von Erdgasprod­uzenten dominiert, kritisiert­e das Climate Action Network in Brüssel. Der Grünen-Europaabge­ordnete Michael Bloss forderte, für die Investitio­nen von 340 Milliarden Euro müsse eine solide Finanzieru­ng hinterlegt werden.

Die EU-Kommission will den Wasserstof­f vor allem für Prozesse verwenden, die sonst nicht zu annehmbare­n Kosten klimafreun­dlich umgestalte­t werden können. Das sind vor allem die Stahlprodu­ktion oder der Schwertran­sport. „Wir zeigen der Welt, dass Grüner Stahl möglich ist“, sagte Timmermans. Bis 2050 könnte Wasserstof­f aus erneuerbar­en Energien demnach 24 Prozent des Energiebed­arfs decken.

Die Bundesregi­erung hatte Mitte Juni eine eigene Wasserstof­fstrategie vorgestell­t und Förderung im Umfang von neun Milliarden Euro angekündig­t. Allein in Deutschlan­d sollen bis 2030 Erzeugungs­anlagen von bis zu fünf Gigawatt entstehen. Die von der EU-Kommission angepeilte Menge für 2030 entspricht Kapazitäte­n von 40 Gigawatt.

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