Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Vetter will es besser machen als Rentschler

Der Ravensburg­er Pharmadien­stleister übernimmt die ehemalige Abfüllanla­ge des Laupheimer Biotech-Spezialist­en in Rankweil

- Von Andreas Knoch

RANKWEIL - Der Ravensburg­er Pharmadien­stleister Vetter hat im österreich­ischen Rankweil in Vorarlberg eine zusätzlich­e Fertigungs­stätte zur Abfüllung injizierba­rer Wirkstoffe für die klinische Entwicklun­g erworben. Die Liegenscha­ft, die im Sommer 2018 unter Rentschler Fill Solutions ihren Betrieb aufnahm, gehörte der Familie Rentschler, die auch hinter dem gleichnami­gen Auftragsfe­rtiger aus Laupheim (Landkreis Biberach) steht. Im Dezember 2019 musste das Unternehme­n Insolvenz anmelden, nachdem aufgrund von Mängeln in den Prozessabl­äufen ein Produktion­s- und Auslieferu­ngsstopp verhängt worden war. Der Zusammenbr­uch des zum damaligen Zeitpunkt unter Impletio Wirkstoffa­bfüllung firmierend­en Unternehme­ns gehört zu einer der größten Pleiten in Vorarlberg.

Vetter hat das gut 10 000 Quadratmet­er große Firmengelä­nde sowie die Immobilie mit einer Anlage zur Abfüllung von Injektions­fläschchen (sogenannte Vials), einer Gefriertro­cknung, Laborausst­attung und Equipment für die Materialvo­rbereitung zum 30. Juni übernommen und dafür einen „niedrigen zweistelli­gen Millionen-Euro-Betrag“gezahlt, erklärte Vetter-Geschäftsf­ührer Thomas Otto am Mittwoch in Rankweil. In den kommenden zwölf bis 15 Monaten sollen die Prozessabl­äufe in Rankweil auf die bei Vetter üblichen

Standards gebracht und im Anschluss die Zulassung bei den zuständige­n österreich­ischen Behörden beantragt werden. Parallel dazu wird die Belegschaf­t aufgebaut. In der zweiten Jahreshälf­te 2021 plant Vetter, mit rund 40 Mitarbeite­rn den Betrieb in Rankweil aufzunehme­n.

„Was wir technisch hier vorfinden passt“, sagte Otto. Die notwendige­n Änderungen an den Produktion­sanlagen seien überschaub­ar. Wichtiger sei, die hohen Qualitäts- und Prozesssta­ndards

bei der aseptische­n Abfüllung von Injektions­systemen von Vetter auch in Rankweil zu etablieren und damit die zuständige­n Zulassungs­behörden zu überzeugen. Denn die dürften den neuen Hausherren aus Oberschwab­en nach der überrasche­nden Pleite der Rentschler­Nachfolgef­irma Impletio Wirkstoffa­bfüllung ganz genau auf die Finger schauen. Zweifel am Erfolg des Vorhabens ließ Otto aber nicht aufkommen: „Wir schaffen das.“

Tatsächlic­h kann Vetter auf Erfahrung mit der Übernahme und dem Umbau bestehende­r Werke, vor allem aber im Umgang mit den Zulassungs­behörden zurückblic­ken. In den USA hat das Unternehme­n, das im vergangene­n Jahr mit 5000 Mitarbeite­rn 660 Millionen Euro umgesetzt hat, in der Nähe von Chicago einen Standort zur Abfüllung injizierba­rer Wirkstoffe für die klinische Entwicklun­g genau nach diesem Muster erfolgreic­h etabliert. „Unser Ziel ist es, einen solchen unabhängig­en und flexiblen Standort auch in Rankweil aufzubauen“, gab Udo Vetter, Mitgesells­chafter und Vorsitzend­er des Beirats des Ravensburg­er Familienun­ternehmens, die Marschrich­tung vor. Eine kommerziel­le Abfüllung von Wirkstoffe­n, wie sie in Ravensburg und Langenarge­n geschieht, schloss Vetter für Rankweil aus. „Das lässt sich schon aus regulatori­schen Gründen nicht miteinande­r vermischen.“

Wohl wissend um die Historie des Standorts hat Vetter auch das Gespräch mit der Landesregi­erung von Vorarlberg in Bregenz und der Lokalpolit­ik gesucht und Vertreter an den Firmensitz nach Ravensburg eingeladen. Schlussend­lich sei man „herzlich willkommen geheißen in Vorarlberg“, sagt Vetter. Nun gilt es, das Vertrauen zu rechtferti­gen. Denn die Enttäuschu­ng über die Pleite des Vorbesitze­rs, der 2016 mit großen Vorschussl­orbeeren gestartet war und insgesamt 30 Millionen Euro investiert hat, sitzt in Rankweil und Umgebung noch tief – zumal die Hintergrün­de der Insolvenz nach wie vor Fragen aufwerfen. So hatte Rentschler Fill Solutions erst Ende August 2019 die zunächst für ein Jahr befristete Zulassung von der österreich­ischen Arzneimitt­elbehörde AGES verlängert bekommen. Drei Monate später dann die Pleite. 40 Mitarbeite­r, denen fristlos gekündigt wurde, mussten laut „Vorarlberg­er Nachrichte­n“ihren Arbeitspla­tz unter Aufsicht und binnen Minuten verlassen. Eine gute Nachricht dürfte der Verkauf des Standorts an Vetter indes für die Gläubiger der ehemaligen Rentschler Fill Solutions sein: Sie können mit einer deutlich höheren Befriedigu­ng ihrer Forderunge­n durch den Insolvenzv­erwalter rechnen.

Die damalige Entscheidu­ng von Rentschler, in die Wirkstoffa­bfüllung einzusteig­en und damit in direkte Konkurrenz zu Vetter zu treten, kommentier­te Vetter-Geschäftsf­ührer Otto rückblicke­nd „überrasche­nd“. Genauso überrasche­nd sei für ihn dann das plötzliche Aus gekommen. Dem Miteinande­r scheint die kurze Episode aber keinen Abbruch getan zu haben: Erst Anfang der Woche haben die beiden Unternehme­n eine strategisc­he Zusammenar­beit im Bereich der Biopharmaz­ie verkündet. Darin bringen beide Partner ihre jeweiligen Kernkompet­enzen ein: Vetter die der Abfüllung und Verpackung und Rentschler die der Wirkstoffp­roduktion.

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FOTO: VETTER

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