Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Vetter will es besser machen als Rentschler
Der Ravensburger Pharmadienstleister übernimmt die ehemalige Abfüllanlage des Laupheimer Biotech-Spezialisten in Rankweil
RANKWEIL - Der Ravensburger Pharmadienstleister Vetter hat im österreichischen Rankweil in Vorarlberg eine zusätzliche Fertigungsstätte zur Abfüllung injizierbarer Wirkstoffe für die klinische Entwicklung erworben. Die Liegenschaft, die im Sommer 2018 unter Rentschler Fill Solutions ihren Betrieb aufnahm, gehörte der Familie Rentschler, die auch hinter dem gleichnamigen Auftragsfertiger aus Laupheim (Landkreis Biberach) steht. Im Dezember 2019 musste das Unternehmen Insolvenz anmelden, nachdem aufgrund von Mängeln in den Prozessabläufen ein Produktions- und Auslieferungsstopp verhängt worden war. Der Zusammenbruch des zum damaligen Zeitpunkt unter Impletio Wirkstoffabfüllung firmierenden Unternehmens gehört zu einer der größten Pleiten in Vorarlberg.
Vetter hat das gut 10 000 Quadratmeter große Firmengelände sowie die Immobilie mit einer Anlage zur Abfüllung von Injektionsfläschchen (sogenannte Vials), einer Gefriertrocknung, Laborausstattung und Equipment für die Materialvorbereitung zum 30. Juni übernommen und dafür einen „niedrigen zweistelligen Millionen-Euro-Betrag“gezahlt, erklärte Vetter-Geschäftsführer Thomas Otto am Mittwoch in Rankweil. In den kommenden zwölf bis 15 Monaten sollen die Prozessabläufe in Rankweil auf die bei Vetter üblichen
Standards gebracht und im Anschluss die Zulassung bei den zuständigen österreichischen Behörden beantragt werden. Parallel dazu wird die Belegschaft aufgebaut. In der zweiten Jahreshälfte 2021 plant Vetter, mit rund 40 Mitarbeitern den Betrieb in Rankweil aufzunehmen.
„Was wir technisch hier vorfinden passt“, sagte Otto. Die notwendigen Änderungen an den Produktionsanlagen seien überschaubar. Wichtiger sei, die hohen Qualitäts- und Prozessstandards
bei der aseptischen Abfüllung von Injektionssystemen von Vetter auch in Rankweil zu etablieren und damit die zuständigen Zulassungsbehörden zu überzeugen. Denn die dürften den neuen Hausherren aus Oberschwaben nach der überraschenden Pleite der RentschlerNachfolgefirma Impletio Wirkstoffabfüllung ganz genau auf die Finger schauen. Zweifel am Erfolg des Vorhabens ließ Otto aber nicht aufkommen: „Wir schaffen das.“
Tatsächlich kann Vetter auf Erfahrung mit der Übernahme und dem Umbau bestehender Werke, vor allem aber im Umgang mit den Zulassungsbehörden zurückblicken. In den USA hat das Unternehmen, das im vergangenen Jahr mit 5000 Mitarbeitern 660 Millionen Euro umgesetzt hat, in der Nähe von Chicago einen Standort zur Abfüllung injizierbarer Wirkstoffe für die klinische Entwicklung genau nach diesem Muster erfolgreich etabliert. „Unser Ziel ist es, einen solchen unabhängigen und flexiblen Standort auch in Rankweil aufzubauen“, gab Udo Vetter, Mitgesellschafter und Vorsitzender des Beirats des Ravensburger Familienunternehmens, die Marschrichtung vor. Eine kommerzielle Abfüllung von Wirkstoffen, wie sie in Ravensburg und Langenargen geschieht, schloss Vetter für Rankweil aus. „Das lässt sich schon aus regulatorischen Gründen nicht miteinander vermischen.“
Wohl wissend um die Historie des Standorts hat Vetter auch das Gespräch mit der Landesregierung von Vorarlberg in Bregenz und der Lokalpolitik gesucht und Vertreter an den Firmensitz nach Ravensburg eingeladen. Schlussendlich sei man „herzlich willkommen geheißen in Vorarlberg“, sagt Vetter. Nun gilt es, das Vertrauen zu rechtfertigen. Denn die Enttäuschung über die Pleite des Vorbesitzers, der 2016 mit großen Vorschusslorbeeren gestartet war und insgesamt 30 Millionen Euro investiert hat, sitzt in Rankweil und Umgebung noch tief – zumal die Hintergründe der Insolvenz nach wie vor Fragen aufwerfen. So hatte Rentschler Fill Solutions erst Ende August 2019 die zunächst für ein Jahr befristete Zulassung von der österreichischen Arzneimittelbehörde AGES verlängert bekommen. Drei Monate später dann die Pleite. 40 Mitarbeiter, denen fristlos gekündigt wurde, mussten laut „Vorarlberger Nachrichten“ihren Arbeitsplatz unter Aufsicht und binnen Minuten verlassen. Eine gute Nachricht dürfte der Verkauf des Standorts an Vetter indes für die Gläubiger der ehemaligen Rentschler Fill Solutions sein: Sie können mit einer deutlich höheren Befriedigung ihrer Forderungen durch den Insolvenzverwalter rechnen.
Die damalige Entscheidung von Rentschler, in die Wirkstoffabfüllung einzusteigen und damit in direkte Konkurrenz zu Vetter zu treten, kommentierte Vetter-Geschäftsführer Otto rückblickend „überraschend“. Genauso überraschend sei für ihn dann das plötzliche Aus gekommen. Dem Miteinander scheint die kurze Episode aber keinen Abbruch getan zu haben: Erst Anfang der Woche haben die beiden Unternehmen eine strategische Zusammenarbeit im Bereich der Biopharmazie verkündet. Darin bringen beide Partner ihre jeweiligen Kernkompetenzen ein: Vetter die der Abfüllung und Verpackung und Rentschler die der Wirkstoffproduktion.