Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Gutachter: „Ohne Wahn kein sechsfache­r Mord“

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ELLWANGEN (R.) - Am fünften Tag im Mordprozes­s Rot am See, der vor der Ersten Schwurgeri­chtskammer am Landgerich­t Ellwangen verhandelt wird, hatte der psychiatri­sche Sachverstä­ndige Peter Winckler das Wort. Der Forensiker aus Tübingen hat nach eigenen Worten weit mehr als 2000 Gutachten mit dem Schwerpunk­t Tötungs- und schwere Sexualdeli­kte erstellt. Und doch sei für ihn der Fall des Adrian S., der gestanden hat, sechs Menschen, darunter seine Eltern und zwei Halbgeschw­ister, erschossen zu haben, ebenso ungewöhnli­ch wie schwierig. Kooperativ und seinem Gegenüber zugewandt sei der hochintell­igente 27-Jährige gewesen, führte Winckler aus. Bei sechs Terminen in der Justizvoll­zugsanstal­t Stuttgart-Stammheim habe er rund 13 Stunden mit ihm gesprochen. Der Tod seiner Mutter, die ihn von Kind an mit weiblichen Geschlecht­shormonen habe vergiften wollen, und seiner Schwester als Komplizin der verhassten Mutter habe sein müssen. Davon sei Adrian S. überzeugt, während er bei der Erwähnung seines Halbbruder­s „feuchte Augen“bekommen habe, so Winckler. Sich selbst umzubringe­n, dazu habe ihm der Mut gefehlt.

Winckler bescheinig­te Adrian S. eine wahnhafte Störung und eine schizoide Persönlich­keitsstöru­ng, wobei sich der Wahn einzig und allein auf die Überzeugun­g bezog, seine Mutter würde ihn vergiften. Emotional sei der junge Mann starr und distanzier­t, ein Indiz für eine Kontaktund Beziehungs­störung.

Bei der Ausführung seiner Taten sei der Angeklagte zweifellos voll zurechnung­sfähig gewesen, nicht aber hinsichtli­ch der Motive, die ihn dazu trieben: „Ohne Wahn ist sechsfache­r Mord nicht vorstellba­r“, sagte Peter Winckler. Das Motiv der Rache habe alles überlagert und zur Selbstjust­iz geführt. Für die Unterbring­ung in einer geschlosse­nen Einrichtun­g seien die Voraussetz­ungen gegeben. Das Urteil soll am Freitag fallen.

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