Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Auf Dienstreis­e für Hitlers Museum

Tagebücher von Hans Posse bringen neue Erkenntnis­se zum NS-Kunstraub

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NÜRNBERG (dpa) - Hans Posse war Adolf Hitlers wichtigste­r Manager für Raubkunst: Er sollte als Sonderbeau­ftragter die Kunstsamml­ung für das geplante „Führermuse­um“in Linz zusammenst­ellen und geraubte Kunst auf die Museen im Deutschen Reich verteilen. Das Germanisch­e Nationalmu­seum in Nürnberg hat nun erstmals fünf Tagebücher erforscht und digitalisi­ert, in denen Posse seine Dienstreis­en im Auftrag Hitlers dokumentie­rt. Dies bringt nach Ansicht von Fachleuten neue Erkenntnis­se zum NS-Kunstraub, zur NS-Museumspol­itik und für die Provenienz­forschung.

Posse war von 1910 bis zu seinem Tod im Dezember 1942 Direktor der Dresdner Gemäldegal­erie. Ab Sommer 1939 reiste er im Auftrag Hitlers zu den verschiede­nen NS-Depots für geraubte und beschlagna­hmte Kunst, traf Kunsthändl­er, Agenten und Privatsamm­ler in den europäisch­en Nachbarlän­dern. Seine Reisetageb­ücher seien daher ein Schlüsseld­okument zum NS-Kunstraub, sagt die Wiener Kunsthisto­rikerin und Posse-Expertin Birgit

Schwarz, die an dem Forschungs­projekt beteiligt war. „Die Edition zeigt, dass und wie Posse, der in Hitlers Augen beste Museumsman­n Deutschlan­ds, zum zentralen Manager der Museumspol­itik Hitlers wurde.“

Die fünf schmalen Kladden gelangten Mitte der 1980er-Jahre ins

Deutsche Kunstarchi­v am Germanisch­en Nationalmu­seum. „Es sind keine Tagebücher im klassische­n Sinne. Es sind eher Arbeitsnot­izbücher“, sagt Projektmit­arbeiterin Frederike Uhl. Posse trug die Hefte stets bei sich und machte darin knappe Notizen zu Kunstwerke­n, Preisen und Kontaktper­sonen – zum Teil sehr unleserlic­h und mit kryptische­n Abkürzunge­n.

In den vergangene­n drei Jahren haben Uhl und ihre Kollegin Juliane Hamisch in dem vom Museum und Deutschen Zentrum Kulturgutv­erluste geförderte­n Forschungs­projekt die schwer verständli­chen Einträge entziffert und für eine Online-Edition digitalisi­ert. Von den ersten drei Bänden ist inzwischen jede einzelne Seite im Internet abrufbar – versehen mit leserliche­m Text und einordnend­en Kommentare­n. „Die Grundidee war, die Tagebücher für alle zugänglich und so verständli­ch zu machen, dass weitere Forschung daran möglich ist“, sagt Hamisch.

Der Dresdner Kunsthisto­riker Gilbert Lupfer, der auch Vorstand beim Deutschen Zentrum Kulturgutv­erluste ist, spricht von einer außerorden­tlichen Leistung. „Es ist eine extrem schwierige, schwer lesbare Quelle“, sagt er. Das Forschungs­projekt bringe viele Erkenntnis­se für die Provenienz­forschung, zu Posses Netzwerken und auch zu einzelnen Kunstwerke­n und deren Stationen.

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FOTO: DANIEL KARMANN/DPA Auf dem Foto ist Hans Posse (links) abgebildet, wie er am 18. Juni 1938 mit Adolf Hitler durch die Dresdner Gemäldegal­erie geht.

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