Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Menschen teilen Essen trotz Pandemie
Foodsharing im Kreis Sigmaringen bleibt ein Erfolg – Neuer „Fairteiler“eröffnet in Gammertingen
GAMMERTINGEN - Für genießbare Lebensmittel, die vor dem Mülleimer gerettet wurden, gibt es jetzt auch in Gammertingen einen Ort. Der sogenannte „Fairteiler“befindet sich im Eingangsbereich des Stadtarchivs in der Hohenzollernstraße, unweit des Rathauses. Dort darf sich jeder kostenlos bedienen oder selbst etwas spenden.
Die ehrenamtliche FoodsharingGruppe ist seit dem Sommer 2018 im Landkreis Sigmaringen aktiv. Es gibt bereits mehrere Fairteiler, etwa in Sigmaringen oder in Veringenstadt. „Hier in Gammertingen steht aber unser Luxus-Fairteiler“, sagt Renate Sigrist, die das Foodsharing im Kreis koordiniert. „Wir haben hier einen separaten Raum und sogar einen Kühlschrank.“Geöffnet ist die Anlaufstelle von 6 bis 20 Uhr – nachts bleibt die Tür dank einer Zeitschaltuhr verschlossen.
Das Prinzip ist bei jedem Fairteiler dasselbe: „Wir arbeiten mit Betrieben zusammen, die uns Waren zur Verfügung stellen, die ansonsten im Müll landen würden“, sagt Sigrist. Solche Betriebe seien zum Beispiel Supermärkte oder Bäckereien, die meist nicht öffentlich genannt werden wollen. Ehrenamtliche Helfer, sogenannte „Foodsaver“, holen die Lebensmittel dort regelmäßig ab und bestücken den Fairteiler. „Wir retten nur, was man noch essen kann und sortieren aus, wenn zum Beispiel etwas schimmelt“, so Sigrist.
Angesichts der aktuellen Situation rund um das Corona-Virus musste das Foodsharing-Team für den Fairteiler neue Regeln einführen, zum Beispiel was die Mindestabstände zwischen Personen angeht. Auf Hygiene sei aber auch schon zuvor streng geachtet worden, erklärt Kerstin Masuch, die gemeinsam mit Melanie Störmer-Draskovic für den Gammertinger Fairteiler verantwortlich ist: „Wir tragen beim Abholen der Waren Handschuhe.“
Wer sich im Fairteiler Lebensmittel aussuche, solle das in Ruhe tun und nur das berühren, was er mitnehmen will. „Zuhause sollte man unverpacktes Obst und Gemüse dann abwaschen – so wie beim Einkaufen im Laden eben auch“, so Masuch.
Wegen der Pandemie blieben die diversen Fairteiler im Kreis ab Mitte März geschlossen. „Vor ein paar Wochen haben unsere Foodsaver dann wieder damit begonnen, Lebensmittel bei den Betrieben abzuholen. Die haben wir entweder im Eigenbedarf verbraucht oder an Freunde und Familie verteilt“, erklärt Melanie Störmer-Draskovic. Seit Ende Juni sind die Anlaufstellen wieder für alle geöffnet.
Angst vor einer Ansteckung können die Frauen bei den Benutzern der Fairteiler nicht erkennen – im Gegenteil: „Die Leute haben uns immer wieder gefragt, wann es endlich mit dem Foodsharing weitergeht“, sagt Sigrist. „Als wir dann wieder begonnen haben, die Fairteiler zu befüllen, haben sich Schlangen gebildet und die Regale waren schon nach kurzer Zeit leer“, ergänzt Masuch.
Auch Gammertingens Bürgermeister Holger Jerg ist überzeugt vom Foodsharing. Die Stadt war behilflich bei der Suche nach einem passenden Standort. „Spontan ist uns der Eingangsbereich des Stadtarchivs eingefallen. Unser Archivar geht sowieso meistens durch den Hintereingang, deshalb können wir diesen Flur gut dafür nutzen“, sagt Jerg. So seien die Lebensmittel unabhängig von der Jahreszeit und dem Wetter sauber und sicher. Nun hofft Jerg, dass das Angebot in Gammertingen
gut angenommen wird. „Die Leute dürfen gerne ihre ganzen Corona-Hamsterkäufe hier abgeben“, sagt Foodsharing-Botschafterin Sigrist. Und der Bürgermeister ergänzt verschmitzt: „Dann müssten die meisten ja das Klopapier bringen, das sie zuhause haben.“
Weitere Informationen
zum Thema Foodsharing im Kreis Sigmaringen gibt es im Internet unter www.foodsharing.de. Die Verantwortlichen suchen laut Renate Sigrist laufend nach Menschen, die
wollen.
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