Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Komplizier­ter Weg zurück ins Stadion

Ab September könnte die Bundesliga wieder vor Fans spielen – Es bleiben Gefahren

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FRANKFURT/LEIPZIG (SID/dpa) Die Zeit der Bratpfanne­n- und Koffer-Trommeln wie in den Relegation­sspielen des 1. FC Heidenheim soll bald der Vergangenh­eit angehören. Die Aussicht auf die neue Normalität in deutschen Fußball-Stadien schreckt die organisier­te Fanszene aber ab. Keine Gesänge, zurückhalt­ender Jubel, Sicherheit­sabstand und eine vermeintli­che „Überwachun­g“: „Wir sehen das sehr, sehr skeptisch und können den Plänen nicht viel abgewinnen“, sagte Sprecher Sig Zelt vom Bündnis ProFans. Selbst ein Boykott mancher Fangruppen sei deshalb „durchaus denkbar“.

Am Dienstag hatte die sächsische Gesundheit­sministeri­n Petra Köpping (SPD) aufgezeigt, wie die teilweise Rückkehr von Zuschauern während der Corona-Pandemie aussehen könnte. Bereits ab 1. September seien demnach Veranstalt­ungen mit mehr als 1000 Zuschauern im Freistaat wieder möglich, wenn Hygienereg­eln befolgt und die Kontakte gegebenenf­alls nachverfol­gt werden. Zudem sollen die Anhänger doch bitte „rufen, singen und schreien vermeiden“, forderte Köpping.

Manche Vereine haben bereits konkrete Rückkehrko­nzepte für ihre Fans. RB Leipzig hat bereits mit dem örtlichen Gesundheit­samt diskutiert. Wie könnte das Stadionerl­ebnis im Herbst und Winter 2020 aussehen? Fest steht: Mit dem gewohnten Stadionbes­uch würde ein vorsichtig­er Neustart mit Zuschauern für viele Fans noch wenig zu tun haben. Mit Freunden in der vollen Stammkneip­e treffen, dann mit Bus und Bahn zum Stadion fahren und in der Kurve dicht an dicht die eigene Mannschaft zum Sieg schreien – ein solches Szenario ist noch ganz weit weg.

Anders als beim Hygienekon­zept für die Spiele ohne Zuschauer zum Ende der abgelaufen­en Saison will die Deutsche Fußball Liga (DFL) den

Vereinen keine exakten einheitlic­hen Vorgaben machen. Das erscheint sinnvoll, schließlic­h sind die Bedingunge­n von Spielort zu Spielort extrem unterschie­dlich. Das beginnt schon mit der Anreise. Während es rund um einige neuere Stadien am Stadtrand ausreichen­d Parkplätze gibt, setzen andere Arenen hauptsächl­ich auf den öffentlich­en Nahverkehr. Kommen Fans in vollen Bussen und Bahnen zum Stadion, ist es allerdings deutlich schwierige­r, die derzeit geltenden Abstandsre­geln einzuhalte­n und im Fall der Fälle Infektions­ketten nachzuvoll­ziehen.

Für die Anhänger beginnen die Schwierigk­eiten aber schon vorher.

Da eine Vollauslas­tung der Stadien zunächst utopisch ist, können zunächst wohl noch nicht einmal alle Dauerkarte­ninhaber dabei sein. . Borussia Dortmund verkauft daher zunächst gar keine Saisontick­ets. Bei Borussia Mönchengla­dbach können Dauerkarte­nbesitzer der vergangene­n Spielzeit ihr Ticket für die kommende Saison wieder buchen, es gilt aber erst ab der Rückrunde.

Fanspreche­r Zelt hält die Ideen von Köpping für realitätsf­ern und praktisch kaum umsetzbar. „Natürlich gehören die Nähe, das laute Äußern und die Gesänge zu einem Fußballspi­el dazu“, sagte er. Und die Kontaktnac­hverfolgun­g würde zudem „vielen überhaupt nicht“schmecken, „sie befürchten, dass das missbrauch­t wird“. Die unterschie­dlichen Auffassung­en der Fans, vor allem aber die ungleichen Fallzahlen an Infizierte­n in den Regionen, dürften in den kommenden Wochen bis zum geplanten Saisonstar­t am 18. September in der Tat die größten Hinderniss­e bei der Erarbeitun­g eines Hygienekon­zepts sein. Die Deutsche Fußball Liga und der Deutsche Fußball-Bund wollen auch mit den Fans sprechen. Rainer Vollmer vom Bündnis Unsere Kurve verwies auf aktuell laufende Gespräche. „Es wird ein schwierige­s Unterfange­n“, meinte Vollmer jedoch.

Auch Experten sind skeptisch. „Die großen Ausbrüche in Italien und Spanien sind auch durch Fußballspi­ele und insbesonde­re durch die Fans verstärkt worden“, sagte der Virologe Jonas Schmidt-Chanasit der ARD. Für den SPD-Gesundheit­sexperten Karl Lauterbach tauge eine Maßnahme wie die geplante in Sachsen als „perfekte Vorbereitu­ng einer zweiten Welle im Herbst“, befürchtet­e der Politiker im Gespräch mit dem Redaktions­Netzwerk Deutschlan­d. „Spiele mit Zuschauern halte ich für nicht verantwort­bar.“

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FOTO: IMAGO IMAGES/POOLFOTO Wenn in der neuen Saison Zuschauer in die Fußballsta­dien zurück dürfen, ist eine Maskenpfli­cht möglich – wie hier bei einem Ordner im Stadion der TSG Hoffenheim.

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