Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
„Es war mir so unwahrscheinlich wichtig“
Eltern nehmen gemeinsam Abschied von ihren Sternenkindern
SIGMARINGEN - Ein kleiner Holzsarg steht inmitten der großen Trauerhalle. Ein buntes Blumengesteck bedeckt den winzigen Sarg, fast so, als wolle es beschützend seine Blüten und Blätter über ihn legen. Daneben flackern Kerzen, erst drei, am Ende der Trauerfeier gut ein Dutzend. Angezündet von Eltern und Angehörigen für ihre sogenannten Sternenkinder. Kinder, die bereits im Mutterleib oder unmittelbar nach der Geburt verstorben sind.
Seit vergangenem Jahr ermöglichen die SRH-Kliniken Sigmaringen und Bad Saulgau eine zentrale Trauerfeier für Eltern und Angehörige mit anschließender Beisetzung der Sternenkinder. Eine ebenso emotionale wie wichtige Veranstaltung. Denn dieses Thema gilt auch heute noch in der Gesellschaft als Tabuthema, die Fakten jedoch sind ernüchternd. „Allein für unser Einzugsgebiet liegt die Zahl der Sternenkinder pro Jahr zwischen 150 und 200“, sagt Daniela Segna-Gnant von der ökumenischen Krankenhausseelsorge der SRH-Kliniken. Gemeinsam mit Pfarrerin Ulrike Sill zeigt sie sich dankbar, dass den Eltern diese Möglichkeit des Abschiednehmens und der gemeinsamen Trauer gegeben wird. „Die Eltern und Angehörigen können Abschied nehmen und haben zukünftig einen Ort, an dem sie ihr Kind besuchen können.“Dieser Ort ist das Sternengrab auf dem Hedinger Friedhof, angelegt und gepflegt von der Stadt. Eine kleine Sandsteinmauer umgibt Engel und Blumen und eine große Hand aus Stein, die behutsam ein kleines Kind hält.
Xenia Krämer, Leiterin der Trauergruppe für Eltern nach einer stillen Geburt Sigmaringen, wandte sich einfühlsam an die Anwesenden: „Wir müssen abgeben, was wir doch so sehr festhalten wollen.“Das neue Leben verglich sie mit der Metamorphose der Raupe, dem Entschlüpfen des zarten Schmetterlings aus der harten Schale des Kokons. Daniela Segna-Gnant bat die Trauernden innezuhalten, und dann „das Leben wieder leise zu lernen“. Dazu gehöre lernen loszulassen, die Stimme wiederzufinden, sich zu fragen: was sage ich und vor allem wem, unerfüllte Träume zu ertragen und sich auch wieder freuen zu können.
Zwischen den Worten der Rednerinnen untermalte Franz Gnant die leisen Momente auf seiner Gitarre.
„Dieser Tag heute war mir so wichtig, hier her kommen und Abschied nehmen zu können“, sagt eine junge Frau. Ein paar Tränen rollen über ihr Gesicht, aber sie wirkt gefasst und auch erleichtert. „Ich habe mein Kind Ende August verloren“, sagt die junge Frau aus Bad Waldsee. Aber wegen der Verschiebung der eigentlich für März geplanten Trauerfeier musste sie nun fast ein ganzes Jahr warten. „Es war eine unwahrscheinlich schwere Zeit und es hat so gutgetan, endlich richtig Abschied nehmen zu können“, sagt sie und fasst sich mit einem kleinen Lächeln an ihr Herz: „Hier drinnen wird meine Tochter ewig leben.“