Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Streit um Pavillon in der Wüste
Baden-Württembergs Präsenz auf der Expo in Dubai beschäftigt Untersuchungsausschuss
STUTTGART (kab) - Statt knapp drei Millionen Euro wird Baden-Württemberg wohl einen zweistelligen Millionenbetrag für einen Expo-Pavillon in Dubai zahlen müssen. Wie konnte es dazu kommen, und wer trägt hierfür persönlich Verantwortung? Diese Fragen wollen SPD und FDP im Stuttgarter Landtag in einem Untersuchungsausschuss klären. „Wir sind überhaupt nicht grundsätzlich gegen den Pavillon“, sagte FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke am Donnerstag in Stuttgart. „Wenn aber die Umsetzung so dilettantisch verläuft, dass am Ende so viel Steuergeld verbrannt wird, dann interessiert uns das schon.“
STUTTGART - Als einziges Bundesland unter den Nationen der Welt glänzen: Das war die Idee hinter einem eigenen Pavillon Baden-Württembergs bei der Weltausstellung in Dubai, die wegen der Corona-Pandemie von diesem Oktober um ein Jahr verschoben wurde. Die Kosten für das Millionenprojekt sollte die Wirtschaft tragen. Nun bleiben sie größtenteils am Land und damit am Steuerzahler hängen. Wie konnte das passieren? Das will die Opposition im Landtag nun in einem Untersuchungsausschuss klären. Ein Überblick:
Wer steckt hinter dem Expo-Pavillon?
Der Pavillon sollte ein Projekt „von der Wirtschaft für die Wirtschaft“sein. Dafür haben sich die Ingenieurskammer, das Stuttgarter Fraunhofer Institut und die Freiburger Messegesellschaft zur BadenWürttemberg Expo 2020 Dubai GmbH zusammengeschlossen und um Sponsoren geworben. Die Begeisterung blieb aber weit hinter den Erwartungen zurück – und die finanziellen Beiträge entsprechend.
Was hat das mit dem Land zu tun?
Weil die Sponsoren ausblieben, hat die Projektgesellschaft das Land um Förderung gebeten. Auf Drängen der CDU hat Grün-Schwarz im November 2019 eine Unterstützung von knapp drei Millionen Euro zugesagt. „Das wirtschaftliche Risiko liegt bei der Trägergesellschaft“, hatte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) damals betont. Doch es kam anders.
Wie teuer ist es nun tatsächlich?
Die Gesamtkosten für dem Expo-Pavillon liegen laut Wirtschaftsministerium bei rund 15 Millionen Euro. Sponsoren haben bislang lediglich zwei Millionen Euro zugesagt. Somit muss das Land Stand heute 13 Millionen Euro an Steuergeld aufwenden.
Warum bleiben die Kosten am Land hängen?
Das ist eine der Kernfragen, die die Opposition im Landtag von der Regierung beantwortet haben möchte. SPD und FDP planen hierfür einen Untersuchungsausschuss. Ein solcher Ausschuss gilt als schärfste Waffe des Parlaments zur Kontrolle der Regierung. Den Antrag wollen die beiden Fraktionen am Dienstag in ihren jeweiligen Sitzungen absegnen und dann beim Landtag einreichen. Klar ist aber laut Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU): Das Land steht in der Verantwortung, die Kosten für den Pavillon zu tragen.
Und warum ist das Land nun für den Pavillon verantwortlich?
Wie es dazu kam, hat die Südwestpresse nachgezeichnet. Im Zentrum steht Daniel Sander. Lange hatte der damalige Geschäftsführer der Ingenieurskammer für einen BadenWürttemberg-Pavillon in Dubai geworben. Am 4. November 2018 fragten demnach die Expo-Macher des Wüstenstaats beim Stuttgarter Wirtschaftsministerium per E-Mail, wer im Namen des Landes als Generalkommissar die Verträge unterzeichnen werde. Die damalige Amtsleiterin Stefanie Hinz setzte Sander auf dessen Wunsch ein. Er unterzeichnete drei Monate später die Verträge als Repräsentant des Landes – nicht etwa als Vertreter der Projektgesellschaft. Die Expo-Macher müssen daher annehmen, dass das Land BadenWürttemberg ihr Vertragspartner ist – zu diesem Schluss kommen zumindest im Mai Gutachter im Auftrag der Wirtschaftsministerin. Sander ist inzwischen Landesgeschäftsführer des CDU-Wirtschaftsrats. Innenminister Thomas Strobl (CDU) hat Hinz zum Januar zur Landespolizeipräsidentin berufen.
Wen wollen SPD und FDP im Untersuchungsausschuss befragen?
Sie nannten bei einer Pressekonferenz am Donnerstag in Stuttgart noch keine Namen. Sander und Hinz werden aber sicher ebenso auf der Liste stehen wie Regierungsmitglieder. „Es geht auch darum, wer persönlich Verantwortung trägt, dass so ein Fiasko passieren konnte“, sagte SPD-Fraktionschef Andreas Stoch. „Für uns ist das ein Beispiel von krassem Regierungsversagen.“Die Wirtschaftsministerin sei hier im Fokus, ihr Rücktritt nicht ausgeschlossen. „Es gab schon Regierungsmitglieder, die sind wegen geringerer Anlässe zurückgetreten“, so Stoch. FDPFraktionschef Rülke äußerte die Vermutung, dass Hoffmeister-Kraut nicht informiert worden sei oder falsche Schlussfolgerungen gezogen habe. Die beiden haben aber auch Kretschmann im Blick. „Es spielt auch eine Rolle, ob und wie viel das Staatsministerium über das Projekt wusste“, so Stoch.
Lohnt sich so ein Ausschuss noch vor der Landtagswahl im März?
„Wir müssen unsere Arbeit machen unabhängig vom Wahlkalender“, betonte Rülke.
Warum hält das Land am Projekt überhaupt noch fest?
Das hat die Regierung abgewägt, Ende September aber ein Festhalten am Projekt beschlossen. Als Grund verwies Regierungschef Kretschmann jüngst auf Ausstiegskosten von fünf Millionen Euro und „viele andere Probleme“. Eine Sprecherin der Wirtschaftsministerin wirbt trotz aller Probleme am Donnerstag für das Projekt. „Wir sehen die Beteiligung mit einem eigenen Baden-Württemberg-Haus an der nächsten großen Weltausstellung im Herbst 2021 weiterhin als herausragende Chance für das Land, den Wirtschafts-, Wissenschafts-, Kultur-, Innovations- und Tourismusstandort im Kreis von 192 Teilnehmerstaaten zu präsentieren.“