Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Beschwerdemanagement durch leitenden Mitarbeiter
Witze mit/über Namen sind zurecht verpönt in Zeitungsschreiber-Kreisen. Deshalb sei an dieser Stelle versichert, dass es uns absolut ernst ist mit der Feststellung, Jan-Moritz Lichte müsse sein Licht nicht unter den Scheffel stellen. Jan-Moritz Lichte nämlich, nach Achim Beierlorzers
Demission bei Mainz 05 fürs Erste vom Co- zum Cheftrainer befördert, ist ein eher ruhiger Zeitgenosse. Keiner, der mit seinen Fähigkeiten hausieren geht. Das könnte der 40-Jährige durchaus tun, hat er doch seinen Fußballlehrer anno 2011 als Jahrgangsbester gebaut – trotz Kurskollegen wie Roger Schmidt, Markus Gisdol, Tayfun Korkut und Markus Weinzierl.
Als zweite (Übungsleiter-)Kraft war Jan-Moritz Lichte neben André Schubert, Sami Hyypiä, Michael Frontzeck und Sandro Schwarz tätig. Von jedem nahm er „etwas mit“. Ein brauchbares Paket entstand.
Ein überaus brauchbares – auch durch so manches Marke Lichte veredelt. Der Mann gilt als Taktikfuchs (seit jeher), der Mann hat profunde Kenntnisse in Sachen Standards. Die gehörten meist dezidiert zu seinem Aufgabenbereich als „Co“– insofern hat das Fußballschicksal es am Samstag, nun ja, richtig fies gemeint mit
Jan-Moritz Lichte: Das 0:1 gegen Bayer Leverkusen ist einem Eckball entsprungen. Zuordnung schlecht bis nicht vorhanden, viel Freiraum für Gästestürmer Lucas Alario. Der Kopfball des Argentiniers verteilte die Punkte – noch immer haben die Rheinhessen (nur sie!) null. Was diesmal mitnichten an mangelndem Wollen lag, auch defensiv sah das manierlicher aus als noch beim 0:4 in Berlin. Zwei Viererketten, eng verzahnt, tief stehend das Mainzer Kollektiv: ein Bollwerk. Peter Bosz’ ansehnliche Ansammlung an Bayer-Kreativen wirkte bedingt kreativ – ja: weit unter ihren Möglichkeiten – beim Versuch, es zu schleifen. Dumm nur, dass die Mainzer Aktivitäten nach vorne ebenfalls überaus überschaubar blieben – was Quantität und Qualität betraf. Die Präzision im letzten Pass fehlte, die wenigen Torschüsse waren keine der Kategorie „Torchance“.
Zumindest zwei der 250 zugelassenen Zuschauer sahen das auch so, ihr Unmut machte sich Luft im stillen Rund nach Spielende – und Jan-Moritz Lichte wagte den Dialog. Nein: Es drang ihn dazu – „mir war danach, das irgendwo zu klären“. Zu rückwärtsgerichtete Spielweise? Zu harmlose Angreifer? Laut diskutierten Fans und Trainer, emotional. Ohne Beschimpfungen oder gar Beleidigungen, ließ Jan-Moritz Lichte später wissen. Dafür im Konsens, „dass wir alles reinhauen, was wir haben“. Beschwerdemanagement durch leitenden Mitarbeiter. Bemerkenswert! Wie auch das Lichte’sche Schlusswort: „Wir werden’s nur gemeinsam schaffen. Deshalb brauchen wir jeden der Fans.“
Belegschaftsmotivation durch leitenden ● Mitarbeiter – das gab es vergangene Woche beim 1. FC Köln zu besichtigen. Markus Gisdol hatte irgendwann ausgangs der Länderspielpause die Häupter seiner Lieben gezählt, und siehe: Es waren viele. Mängelverwaltung wich Variationspotenzial, „vor allem auf den Außenpositionen. Dann kamen noch die Nationalspieler zurück. Freitag habe ich gesagt: ,Schaut mal, jetzt haben wir eine Mannschaft, die ist wettbewerbsfähig.‘“Die Mannschaft hat’s geglaubt – und die neue Wettbewerbsfähigkeit prompt auf den Platz gebracht. Ondrej Duda unterstrich sie gegen eine starke Frankfurter Eintracht mit seinem 1:1, der erste Zähler 2020/21 war geschafft. Zurecht geschafft. Trainer Gisdol bemühte erleichtert den „Anfang“, der „gemacht“sei; der Torschütze stellte sein Visier schon auf Kommendes ein. „Jetzt ist es an der Zeit“, befand Ondrej D., „endlich drei Punkte zu holen.“Nächster Kölner Gegner am Freitag: der VfB Stuttgart, auch nicht eben wettbewerbsunfähig.
Dass Andreas Luthe und nicht ● Nachzugszugang Loris Karius das Berliner Union-Tor hütete beim Sonntagabendspiel auf Schalke, blieb letztlich Randnotiz. Der Kopfball, der ihn überwand, war Gonçalo Paciências Werk. Ein 1:1 am Ende auch hier, ein Punkt für S04. Ebenfalls der erste. Der Portugiese Paciência kommentierte ihn so: „Auf einem langen Weg muss man auch kleine Schritte vorwärts nehmen.“Jan-Moritz Lichte hätte gewiss gerne mit ihm getauscht.