Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Verantwortung fürs Privatleben
Ein weiterer Hoffnungsschimmer einerseits, eine gewisse Hilflosigkeit andererseits: So lässt sich der Corona-Montag in Deutschland zusammenfassen. Ein zweiter Impfstoff gegen das Virus liefert vielversprechende Testergebnisse. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte: Noch ist weitgehend ungewiss, ob die harten Einschnitte, die seit zwei Wochen gelten, ausreichen. Und erneut sind sich Spitzenpolitiker aus Bund und Ländern in der Bewertung der Lage uneins. Wie schon vor dem November-Lockdown bremsten die Ministerpräsidenten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) aus.
Zwar sieht das Robert-Koch-Institut Anzeichen für eine leichte Entspannung. Doch steckt im Durchschnitt jeder Infizierte weiterhin einen weiteren Menschen an. Weiter drohen Engpässe beim Pflegepersonal auf Intensivstationen, weiter ist die Lage in Nachbarstaaten dramatisch.
Noch immer stellt das Coronavirus Wissenschaft und Politik vor viele Unbekannte. Deswegen ist es einerseits nachvollziehbar, dass Merkel auf noch härtere Einschnitte drängt. Sie zielt vor allem auf private Treffen und Feiern, welche mit die größten Infektionsquellen bleiben.
Andererseits hat die Kanzlerin jedoch versucht, bis weit ins Privatleben hinein zu regulieren – und wurde zu Recht von den Regierungschefs der Länder gebremst. Statt verbindlicher Regeln bleibt es zunächst beim Appell. Zum Glück. Denn solche drastischen Auflagen lassen sich nur schwer kontrollieren. Wer will schon Polizei durch Häuser schicken um zu eruieren, aus wie vielen Familien dort Kinder zusammenspielen? Wer garantiert, dass nicht am Tag vorher eine andere Familie zu Gast war?
Wenn etwas Weihnachten retten kann, dann die Vernunft der Bürger. Jetzt unnötige Treffen und Feiern absagen, jetzt Abstand- und Hygieneregeln einhalten – und den Heiligen Abend einigermaßen unbesorgt wenigstens im engen Kreise feiern. Nur nach der Politik zu rufen, verkennt, wer für das Privatleben nun einmal verantwortlich ist: jeder und jede Einzelne selbst.