Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Sonderregeln für Kinder
Notbetreuung ohne Nachweis – Start der Impfzentren in den Kreisen verschoben
STUTTGART - Massive Kontaktbeschränkungen, Unterricht nur auf Distanz und keine entfernteren Ausflüge mehr: All das haben die Regierungschefs der Länder diese Woche mit der Bundeskanzlerin zur Eindämmung der Corona-Pandemie beschlossen. Ganz so strikt werden die Regeln in Baden-Württemberg ab Montag aber nicht werden. Dazu wurden am Donerstag weitere Details bekannt. Ein Überblick.
Gilt die Eine-Person-Regel unumstößlich?
Treffen sind nur noch mit einem einzigen Menschen jenseits des eigenen Haushalts erlaubt – so sieht es der Bund-Länder-Beschluss vor. Oma und Opa gleichzeitig zu besuchen wäre dabei ebenso unmöglich wie ein Treffen von zwei Alleinerziehenden mit ihren Kindern. Wenn das Land die Regel in seine Corona-Verordnung einpflegt, wird es laut Regierungssprecher Rudi Hoogvliet zwei Ausnahmen geben. „Wir werden in zwei Punkten Präzisierungen vornehmen“, sagt der Sprecher von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Zum einen soll es ähnlich wie in Bayern möglich sein, mit einer weiteren Familie eine feste Betreuungsgemeinschaft einzugehen. Theoretisch könnten das auch die Großeltern sein. Zudem sollen betreuungspflichtige Kinder unter 14 Jahren bei Treffen nicht zählen. Damit sei das Problem bei der Übergabe von Kindern in Patchworkfamilien auch erledigt, so Hoogvliet. „Das würde viele praktische Probleme im Alltag lösen, ohne das Grundziel der maximalen Kontaktbeschränkung auszuhebeln“, sagt er. Die Regeln müssen noch ausformuliert werden. Diese Woche werde die Corona-Verordnung entsprechend angepasst, damit sie wie geplant in neuer Form am Montag in Kraft treten kann. Dem CDU-Koalitionspartner gehen diese Ausnahmen nicht weit genug.
Wird die Mobilität im Südwesten überhaupt nicht eingeschränkt?
Wer in einem Kreis mit mehr als 200 Neuinfektionen in den vergangenen sieben Tagen lebt, darf sich nicht weiter als 15 Kilometer vom Wohnort entfernen. Diese Einschränkung soll im Südwesten zunächst nicht kommen, hatte Ministerpräsident Kretschmann bereits angekündigt. Den Grundgedanken, dadurch vor allem an touristischen Hotspots Massenaufläufe zu verhindern, wolle man auf anderem Weg durchsetzen, erklärt Hoogvliet nun. Die Landkreise wüssten ganz genau, wo sich Menschen ansammeln, also wo beliebte Ausflugsziele liegen. Hier sollen die Kreise einschreiten, indem sie etwa Parkplätze sperren. Einen entsprechenden Erlass an die Landkreise könne das Sozialministerium in den kommenden Tagen auf den Weg bringen, so Hoogvliet.
Wie geht es an den Schulen und Kitas weiter?
Auch hier will Baden-Württemberg einen Sonderweg gehen und nicht alle Schulen bis Ende des Monats geschlossen halten, wie es Bund und Länder vereinbart hatten. Wenn die Infektionszahlen im Trend klar sinken, könnten zumindest Grundschulen wieder öffnen, erklärt Hoogvliet. Genauere Kriterien nennt er noch nicht. Darüber wolle die Landesregierung kommende Woche entscheiden. „Die Inzidenz kann bei dieser Entscheidung nicht allein den Ausschlag geben“, erklärt ein Sprecher von Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU). Auch die negativen Folgen von Kita- und Schulschließungen für Kinder und Jugendliche habe man bei der Entscheidung im Blick. Klares Ziel sei,
Kitas und Grundschulen am 18. Januar wieder flächendeckend zu öffnen. Insbesondere mit kleineren Kindern sei digitaler Unterricht kaum bis gar nicht möglich. Eisenmanns Sprecher verweist zudem auf eine Vielzahl an Studien, die Kindern eine geringere Rolle beim Infektionsgeschehen zuschreiben. Alle älteren Schüler sollen zunächst weiter im Fernunterricht lernen. Wann sie wieder zur Schule gehen dürfen, steht ebenfalls noch nicht fest. Eine Ausnahme soll es für Schüler geben, die kurz vor ihrem Abschluss stehen.
Was sagen die Schulen dazu?
Es ist ein außergewöhnlicher Vorgang: Sechs Lehrerverbände haben am Donnerstag gemeinsam ein Positionspapier mit Forderungen veröffentlicht. Unter ihnen sind auch der Realschullehrerverband und der Verein für Gemeinschaftsschule, die in der Regel sehr unterschiedliche Meinungen vertreten. Unterzeichnet haben auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, der Berufsschullehrerverband, der Grundschulverband sowie der Philologenverband, der die Gymnasiallehrer vertritt. Eine Kernforderung: Die Politik müsse klare Regeln schaffen, wann welche Art von Unterricht erfolgt. Die Verbände orientieren sich an Empfehlungen des Robert-KochInstituts, das ab einer Sieben-TageInzidenz von 50 pro 100 000 Einwohner Wechselunterricht für alle Schüler vorschlägt. Das heißt, dass dann immer nur die Hälfte der Schüler im Klassenraum sitzt, die andere Hälfte bekommt Fernunterricht. Ab 35 Neuinfektionen in einer Woche sollen alle Grundschüler im Klassenraum sein, für die älteren Kinder soll es beim Wechselunterricht bleiben.
Die Lehrerverbände fordern zudem Alltagsmasken und stärker schützende FFP-2-Masken – auch für Grundschulen und Kitas, die bislang bei einer Verteilung ausgeklammert waren. In der Landesregierung gibt es bereits Streit um verteilte FFP-2Masken, da diese wohl nicht dem angegebenen Standard entsprechen. In einem Brief hat Ministerin Eisenmann nun Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) aufgefordert, für Ersatz zu sorgen. Diese sollen dann auch an Grundschulen gehen – auch wenn es dort keine Maskenpflicht gebe, sagt Eisenmanns Sprecher.
Grundsätzlich kritisieren die Verbände, bei Entscheidungen des Ministeriums nicht im Detail eingebunden zu werden. Kritik an Eisenmanns Kommunikation kocht immer wieder hoch. Ihr Sprecher weist diese zurück. Es gebe einen regelmäßigen Austausch, die Wünsche der Verbände seien zum Teil aber sehr unterschiedlich. „Daraus ergibt sich zwangsläufig, dass wir nicht alle Rückmeldungen berücksichtigen und auch nicht alle Wünsche umsetzen können.“
Wird es ab Montag eine Notbetreuung für die Kinder geben?
Ja, und zwar für Kitakinder sowie für Schüler bis einschließlich Klasse 7. Wenn beide Eltern, respektive alleinerziehende Eltern arbeiten müssen – egal ob im Homeoffice oder vor Ort –, haben sie Anspruch auf Notbetreuung für ihr Kind. Im Gegensatz zum Frühjahr 2020 brauchen die Eltern diesmal keine Bescheinigung vom Arbeitgeber.
Wie knapp ist der Impfstoff im Südwesten?
Bislang wird der Impfstoff gegen das Coronavirus in neun Zentralen Impfzentren und durch mobile Teams in Alten- und Pflegeheimen aufgezogen. Wegen anhaltender Engpässe bei der Impfstofflieferung starten die 50 Kreisimpfzentren nun eine Woche später als geplant, also am 22. Januar, erklärt das Gesundheitsministerium.