Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Software-Chaos und explodierende Kosten
Künftig kümmert sich der Bund um Sanierung der Autobahnen – Warum das Projekt von Minister Scheuer stockt
BERLIN - Weniger Staus, mehr Planbarkeit beim Bauen und schnellere Verkehrsinformationen für Autofahrer: Mit diesen Zielen ist die Autobahngesellschaft am 1. Januar gestartet. Mit der GmbH sind nicht mehr die Länder für die Autobahnen zuständig, sondern der Bund. Doch die Reform steht in der Kritik. Droht das nächste Megaprojekt aus dem Hause des Bundesverkehrsministers Andreas Scheuer (CSU) zu scheitern?
Die Idee
Das 13 000 Kilometer lange Autobahnnetz gehört zwar dem Bund, bisher waren aber die Länder für den Erhalt, Betrieb und Ausbau zuständig. Seit Jahresbeginn ist das nun anders. Der Bund hat eine zentrale Gesellschaft gegründet. Das soll Effizienz bringen, für mehr Tempo in der Planung und Umsetzung sorgen und Kosten sparen. Zwei Jahre hatten die Verantwortlichen Zeit, um die entsprechenden Strukturen aufzubauen, Personal zu rekrutieren und die ITSysteme hochzufahren. Doch das hat nicht überall geklappt.
Die IT
Das Bundesverkehrsministerium hat sich mit der Zentralisierung der ITSysteme völlig übernommen. In den 16 Ländern gibt es 1400 IT-Anwendungen. Die werden für banale Dinge gebraucht, etwa dann, wenn Länder Schilder bestellen möchten. Die Systeme müssen nun in eines überführt werden – eine hochkomplexe Aufgabe. Dafür reichen drei Jahre nicht aus, musste das Bundesverkehrsministerium feststellen. Deshalb hat das Ministerium die Länder gebeten, ihre Systeme fortzuführen, weit über den Startpunkt der Autobahngesellschaft hinaus, nämlich bis Ende 2023. Laut einem Bericht des „Handelsblatts“hat das für „Chaos“und „Frustration“in der Zentrale und den Außenstellen gesorgt. Statt effizienter zu planen und zu bauen, müssten nun etwa Arbeitszeiten von rund 10 000 Mitarbeitern per Hand erfasst werden.
Wie teuer diese Übergangsphase ist, kann man derzeit noch nicht sagen. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung an die Grünen-Bundestagfraktion hervor, die dieser Zeitung vorliegt. Mindestens werden sie aber bei 109 Millionen Euro liegen. Für den haushaltspolitischen Sprecher der Grünen-Fraktion, SvenChristian Kindler, steht fest, dass die Probleme mit der IT die Kosten explodieren lassen. „Minister Scheuer muss sich fragen lassen, ob die Reform so wirklich ihren Zweck erfüllt – immerhin verschlingt sie Hunderte Millionen Euro und wird von Tag zu Tag teurer“, kritisiert der Haushaltspolitiker. Das Bundesverkehrsministerium weist die Vorwürfe zurück. Die Autobahn GmbH sei voll einsatzfähig und die Reform im Zeitplan. Die IT werde schrittweise eingeführt. Ab März, sagte ein Sprecher der Gesellschaft, sei das IT-System voll funktionsfähig.
Die Kosten
Bisher sind statt der veranschlagten 40 Millionen rund 325 Millionen Euro Steuergeld in die Gesellschaft geflossen – damit haben sich die Kosten verachtfacht. Der Bund der Steuerzahler hatte teure Büromieten, enorme Kosten für Berater und hohe Gehälter für Beamte kritisiert. Präsident Reiner Holznagel schätzt, dass die Mehrkosten eine Milliardenhöhe erreichen. Er spricht von einem „Fehlstart“. Hohe Kosten hat offenbar auch verursacht, dass kritische Mitarbeiter der GmbH mundtot gemacht wurden. Laut „Handelsblatt“sind sie entlassen und statt ihrer Kräfte mit Gehältern bis zu 150 000 Euro eingestellt worden. „Die einzigen, die von der Reform wirklich profitieren, sind derzeit die teuren Berater des Verkehrsministers. Für sie ist das Vorhaben ein wahrer Goldesel“, kritisiert Kindler.
Der Geschäftsführer der Autobahn GmbH, Stephan Krenz, wies die Kritik zurück und betonte, die Ausgaben für Büros und Berater seien vergleichbar mit anderen Unternehmen. Bundesverkehrsminister Scheuer verteidigte sich jüngst, dass die Reform komplizierter sei, als in der vergangenen Wahlperiode eingeschätzt. Das Ministerium hat zudem externe Prüfer mit der Untersuchung der überhöhten Gehälter beauftragt. Der Bericht ist zwar fertig, das Ministerium verweigert aber die Veröffentlichung.
Das Personal
13 000 Mitarbeiter sollten zum Start der Autobahngesellschaft eingestellt werden. Stattdessen wurden nur 10 400 Mitarbeiter beschäftigt. Zwar beteuert Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer: „Wir sind im Plan.“Doch ob die derzeitige Anzahl an Beschäftigten ausreicht, um das Megaprojekt in Schwung zu bringen und für mehr Effizienz zu sorgen, bezweifeln Kritiker.