Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
„Wir wissen nicht, was morgen ist“
Bildungseinrichtungen bleiben zu und setzen vorerst auf Spontaneität
- Einmal mehr bleiben die Schulen vorübergehend zu, allerdings sollen Grundschüler in Baden-Württemberg ab 18. Januar wieder unterichtet werden, weiterführende Schulklassen sollen, mit Ausnahme der Abschlussklassen, bis Ende Januar von zu Hause aus lernen. Auch der Regelbetrieb in Kindergärten setzt vorerst aus, soll allerdings, wie die Grundschulen, am 18. Januar wieder starten, wenn es nach dem Kultusministerium des Landes geht. Doch so wirklich darauf vorbereiten möchten sich die Einrichtungen noch nicht.
Dazu zählt das Kinderhaus in Sigmaringendorf. „Es ist zur Zeit viel durcheinander, wir wissen nicht, was morgen ist und das ist ein unangenehmes Arbeiten“, sagt die stellvertretende Leiterin Doris Wälder. Diese Woche noch sind etwa zehn Kinder in der Notbetreuung, der Rest ist zu Hause. Selbst die Organisation des Kindergartenalltags dieser zehn Kinder sei nicht so einfach, sagt Wälder: „Wir betreuen die Kinder nach Gruppen, die sitzen beim Essen getrennt. Die Kinder im oberen Stock dürfen zusammenspielen und die im unteren Stock auch.“Dadurch müsse das Personal immer darauf schauen, ob die Kleinen voneinander getrennt sind, gerade im Freien, wenn alle zusammen draußen sind. Und die Herausforderung steigt, so Wälder: „Ich rechne damit, dass es nächste Woche noch mehr Kinder werden.“Denn am Montag enden die Weihnachtsferien im Land, in denen viele Eltern noch Urlaub hatten.
Am Donnerstag ist deshalb die Entscheidung gefallen, wie es weitergeht – Anmeldungen ab Montag für die Notbetreuung nehmen die Kindergärten in Sigmaringendorf und Laucherthal am Freitag entgegen, nachdem die Eltern am Donnerstag informiert wurden. Kriterium ist, dass die Eltern beruflich unabdingbar sind und eine anderweitige Betreuung nicht gewährleistet werden kann, sagt Carolin Schoßer, stellvertretende Hauptamtsleiterin. Dazu bedarf es einer Bescheinigung des Arbeitgebers. Die Kurzfristigkeit der Anmeldungen sei für das Kinderhaus-Personal allerdings „kein Thema“, sagt Wälder: „Wir haben durch die Coronapandemie gelernt, spontan zu sein.“Für die Eltern wiederum sei die Herausforderung größer, da sie den Verbleib des Kindes schnell organisieren müssen.
Die Stadt Sigmaringen bietet ebenfalls Notbetreuung wie gehabt in allen städtischen Kindergärten an, Infos zur Inanspruchnahme gibt es noch keine. „Wir gehen davon aus, dass mindestens 100 Kinder zur Notbetreuung angemeldet werden. Dies entspricht dem Bedarf im Dezember“, sagt Stadtsprecherin Janina Krall.
Auch die Grundschule Inzigkofen bereitet sich auf den Montag vor. Dort laufe dasselbe Programm wie vor den Ferien, sagt Rektorin Meike Laplace: Die Schüler bekommen Aufgaben, die sie analog lösen müssen, die Lehrer halten telefonisch Kontakt zu den Kindern. Außerdem gibt es die Notbetreuung, hier allerdings ohne Arbeitgeber-Bescheinigung. Die Eltern melden also formlos an, dass sie auf der Arbeit gebraucht werden und eine andere Betreuung nicht möglich ist. „Das basiert auf Vertrauen“, so Laplace. Ob die Zahl der Anmeldungen im Vergleich zur Zeit vor den Ferien, als etwa zehn Kinder notbetreut wurden, steigt oder sinkt? Darüber ist sich die Rektorin noch unsicher. „Die Gemeinde vermutet, dass es mehr werden, ich vermute eher, dass es weniger werden“, sagt sie und bezieht sich damit auf die Kinderkrankentage, die nach der jüngsten Corona-Verordnung von zehn auf 20 Tage verdoppelt wurden – speziell für Schulschließungen aufgrund der Pandemie. „Das könnte ja für diesen Zeitraum genutzt werden“, sagt Laplace.
Die Wiederöffnung der Grundschulen am 18. Januar unter strengen Hygienemaßnahmen wünscht sich die Rektorin. Das sei für die Kinder „schöner“und für die Eltern und Lehrer eine Entlastung, sagt sie. Vorbereitungen dafür liefen jedoch noch nicht. Laplace rechnet frühestens Mitte nächster Woche mit weiteren Informationen des Kultusministeriums. „Wenn wir eines gelernt haben, dann dass die Dinge aktuell sehr kurzfristig laufen“, sagt sie.
Der geschäftsführende Schulleiter der Schulen in Sigmaringen und Umgebung, Hardy Fredrich, auch Rektor der Theodor-Heuss-Realschule, hält die Schulen für den Fernunterricht für gut vorbereitet. Dieser stütze sich auf zwei Säulen, eine Unterrichtsplattform und einen Messengerdienst. „Man hat es ja kommen sehen“, so Fredrich. Eine Herausforderung seien die bevorstehenden Halbjahreszeugnisse und -informationen, doch viele Lehrer hätten die Klassenarbeiten auf die Vorweihnachtszeit verlegt. „Für die Abschlussklassen wäre es auch im Lockdown möglich, Klassenarbeiten zu schreiben.“Ob Präsenzunterricht nötig wird, werde sich zeigen. Für die Klassen fünf bis sieben werde eine Notbetreuung angeboten. „Die ist aber nur für ganz dringende Fälle gedacht.“
Die Theodor-Heuss-Realschule ist gerade dabei, im Haus WLAN-Zugangspunkte zu erstellen, damit Lehrer von der Schule aus sowohl Fernunterricht als auch Präsenzunterricht leisten können. „Unsere Website ist derzeit down. Das ist natürlich der schlimmst mögliche Fall“, so Fredrich. Das Land habe eine neue Datenbankstruktur, die nicht mit dem System der Schule kompatibel sei, eingerichtet. Der Rektor ist aber zuversichtlich, dass bis Montag alles funktioniert – und bis dahin auch von der Stadt bezogene Tablets einsatzfähig sind, die bereits geliefert wurden. Allen Schülern, die über kein eigenes Gerät verfügen und die für den digitalen Unterricht ein Leihgerät benötigen, stellt die Stadt Geräte zur Verfügung. Auf die Frage, wie er den Bildungsrückstand der Schüler einschätzt, antwortet Fredrich: „Ich denke, dass es kompensierbar ist. Wir haben viele Schüler an die Stelle gebracht, wo sie waren.“Die Lehrkräfte würden sehr engagiert arbeiten.
Wie die Faschingsferien ausfallen werden und ob es sie in gewohnter Form geben wird, das wagt Hardy Fredrich noch nicht zu beantworten. „Manchmal hat man ja immerhin ein Bauchgefühl, aber nicht einmal das habe ich im Moment.“