Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
„Ja zur Trasse der Vernunft“
Bruno Dreher von der Bürgerinitiative gegen die Nordtrasse über ein unverhofftes 25-jähriges Jubiläum
INZIGKOFEN - Es ist 25 Jahre her, als sich die Bürgerinitiative gegen die Nordtrasse gegründet hat. Seitdem haben die Mitglieder sich für eine alternative Trasse der B 311n eingesetzt. Der Vorsitzende der Initiative, Bruno Dreher, erklärt im Interview mit SZ-Redakteurin Anne Laaß welche Hürden hinter dem Verein liegen, welches Ziel verfolgt wird und warum es wichtig ist, auf ein Jubiläum zu blicken.
Herr Dreher, warum hat es die Bürgerinitiative auf ein 25-jähriges Jubiläum gebracht?
Bruno Dreher: Das ist ganz einfach, unser Ziel war einfach noch nicht erreicht. Wir haben uns 1995 gegründet, um eine Alternative zur Nordtrasse zu finden – was wir auch getan haben. In Paragraf zwei unserer Satzung haben wir den Zweck der Initiative genau formuliert: Der Verein verfolgt das Ziel, für die Verlegung der B 311/ B 313 und B 32 zwischen Meßkirch und Mengen die am besten verträglichen Lösungen zu fördern. Das ist bis heute nicht umgesetzt worden. Die Trasse ist nur im Bundesverkehrswegeplan von Stufe 1 auf Stufe 3 gerutscht. Daher gab es keine weiteren Planungen in den vergangenen 15 Jahren. Aber das Projekt war nicht abgeschlossen.
Was haben Sie in dieser Zeit gemacht?
Dreher: Wir haben immer einen Blick auf das Geschehen gehabt und wollten Gewehr bei Fuß sein, sobald sich etwas tut. Außerdem hatten wir den Rückhalt der Bevölkerung. Die Petition, die wir 2017 gestartet haben, als sich der Bundesverkehrswegeplan änderte und die Trasse wieder in die Stufe 1 rutschte, hat 2807 Stimmen gebracht. Ein weiterer Punkt war, dass wir nach der Präsentation unserer Alternativtrasse, der sogenannten M&M, viele positive Rückmeldungen erhalten haben. Für uns gilt seither mehr denn je, nein zur Nordtrasse und ja, zur Trasse der Vernunft zu sagen.
Nach welchen Kriterien entscheiden Sie, was eine gute Alternative wäre?
Dreher: Wir haben einen Fokus auf die Menschen. Die Verkehrsbelastung hat in den vergangenen 25 Jahren zugenommen. Gleichzeitig haben sich aber auch die Wohngebiete der Gemeinden, die durch die Nordtrasse betroffen sind, erweitert. Das heißt, dass die Menschen, die sich ein Eigenheim geleistet haben, nun mit einem Qualitätsverlust des Wohnraums zu rechnen hätten. Uns ist der Artenschutz und die Erhaltung der Landschaft selbstverständlich wichtig, aber man darf dabei auch die Menschen nicht vergessen – auch sie sollten schützenswert sein. Wir wissen, was die Menschen im Ablachtal durchmachen und wollen ihnen helfen. Wir wollen aber die Bürger und Bürgerinnen entlang der B 313 nicht zusätzlich belasten.
Was meinen Sie genau damit?
Dreher: Für uns gilt der Artenschutz nicht allein für die Flora und Fauna, sondern auch für den Menschen. Besonders durch die Corona-Pandemie hat sich ein gewisses Umdenken verdeutlicht. Die Menschen wollen nicht mehr unbedingt in Ballungszentren ziehen, sie orientieren sich eher aufs Land. Homeoffice, ausreichende Betreuungsplätze für Kinder sind nur zwei Gründe für diese Entscheidung. Sie investieren lieber in ein Eigenheim auf dem Land als hohe Mieten in der Stadt zu zahlen. Die Bauplätze in den Gemeinden sind oft schnell verkauft, was für diesen Trend spricht. Wir benötigen also attraktive und bezahlbare Baugebiete, die nicht vom Lärm des überregionalen Verkehrsaufkommens beeinträchtigt sind. Hinzu kommt, dass bei bereits bestehenden Baugebieten wie in Laiz etwa, die Nordtrasse durch die zusätzlich notwendigen Lärmschutzwände diesen Ortsteil noch stärker teilen würde.
Sie haben die Verkehrsbelastung angesprochen, woran machen Sie fest, dass diese zugenommen hat?
Dreher: Nun, zum einen zeigt dies das tägliche Verkehrsaufkommen. Dies wurde auch bestätigt durch das vom Landkreis an die PTV-Group in Auftrag gegebene Gutachten 2016 mit Vorschau bis zum Jahr 2025. Darin nicht beinhaltet ist das neue Amazon-Verteilerzentrum in Meßkirch. Das wird sich negativ auf die bestehenden und auf die neuen Baugebiete auswirken. Dabei muss man lediglich die Anlieferungslastwagen und die 600 Auslieferungsfahrzeuge heranziehen. Auch die Mitarbeiterzahl ist anzuschauen. Wie kommen diese denn ins Industriegebiet in Meßkirch? Wahrscheinlich mit dem Auto und so erhöht sich das Aufkommen ganz automatisch. Ein Shuttlebus wie er geplant ist, macht in Corona-Zeiten keinen Sinn und es gehören noch einige weitere Faktoren dazu, um so ein Angebot adäquat umzusetzen. Zum anderen pendeln viele Menschen zu ihrer Arbeitsstelle, was heute mehr als ein Auto pro Haushalt zur Folge hat, daraus erschließt sich wiederum mehr Verkehr.
Glauben Sie, dass in den neuen Planungen auch die Trasse, die Sie befürworten, in Betracht kommt?
Dreher: Ja, das wissen wir sogar. Es ist momentan alles offen. Mit Thomas Blum ist von der Planungsgesellschaft des Landkreises Sigmaringen ein erfahrener Straßenplaner eingestellt worden. Er überprüft alle bisherigen Trassenvorschläge – Nord-, Süd- und Waldtrasse. Außerdem wurde eine faunistische Planungsraumanalyse in Auftrag gegeben. Es tut sich also etwas. Bei der Überprüfung der Trassen hat die Bürgerinitiative zwar kein Mitspracherecht, aber die Landrätin hat zugesagt, dass wir in den Arbeitsgruppen, die in der Bürgerbeteiligung geschaffen werden, mitarbeiten dürfen.
Wie ist die Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen?
Dreher: Gut. Wir haben regelmäßigen Kontakt zur Landrätin. Grundsätzlich ist die Zusammenarbeit von großem gegenseitigen Vertrauen geprägt, was das Landratsamt, die IHK und die Kommunen betrifft. Unsere Vorschläge werden gehört und berücksichtigt, wie die Überprüfung der Alternativtrasse M&M zeigt.
Welche Ziele hat die Bürgerinitiative für 2021?
Dreher: Wir bleiben bei der Stange. Die Planungen sind im Gange und es wird sicher noch dauern. Wir rechnen damit, dass die Trasse Mengen-Messkirch, als Lückenschluss der Ost-West Verbindung Ulm-Freiburg, etwa 2030 realisierbar ist. Bis dahin ist unsere Bürgerinitiative mit Unterstützung der Bürgerinitiative „Lebenswertes Göggingen und Umgebung“mehr denn je gefordert, aktiv zu bleiben. Wir wollen gemeinsam den Planer und sein Team unterstützen, durch Einbringen unserer Vorschläge.