Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Laschet gegen Grünen-Idee
Bußgeld für Unternehmen ohne Homeoffice gefordert
BERLIN (sz/dpa) - Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) lehnt eine verpflichtende Homeoffice-Einführung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie ab. „Eine Krankenschwester kann nicht ins Homeoffice und ein Polizist auch nicht. Klar ist: Dort wo Homeoffice möglich ist, rufen wir alle Arbeitgeber auf, das zu ermöglichen“, sagte der Politiker im Interview mit der „Schwäbischen Zeitung“. Angesichts hoher Infektionszahlen hatten die Grünen am Sonntag eine solche Pflicht vorgeschlagen und Bußgelder für Unternehmen gefordert, die nicht alle Mitarbeiter, bei denen es möglich ist, von zu Hause aus arbeiten lassen. „Wir brauchen eine Corona-Arbeitsschutzverordnung, die Unternehmen verpflichtet, überall dort, wo es möglich ist, Homeoffice jetzt auch anzubieten“, sagte Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. Die Arbeitgeber lehnen den Vorstoß ab.
BERLIN - Wer wird neuer Vorsitzender der CDU? Am kommenden Samstag entscheidet sich das Rennen zwischen Armin Laschet, Friedrich Merz und Norbert Röttgen. Im Interview mit Guido Bohsem und Ellen Hasenkamp erklärt NRW-Ministerpräsident Laschet, warum er nicht für einen Bruch mit der Ära von Bundeskanzlerin Angela Merkel steht – und ob er mit einem längeren Lockdown wegen der Corona-Pandemie rechnet.
Freuen Sie sich auf den kommenden Samstag?
Ja. Das wird zwar ungewöhnlich, so einen digitalen Parteitag hat es noch nicht gegeben. Man hält eine Rede ins schwarze Nichts. Die Delegierten sitzen nicht im Saal, sondern in ihren Wohnzimmern. Dort diskutiert dann vielleicht die halbe Familie mit.
Wissen Sie schon, was Sie sagen werden?
Nicht im Wortlaut, aber für meine Grundidee einer modernen CDU im neuen Jahrzehnt werbe ich ja schon seit mehr als einem halben Jahr. Meine Botschaft ist, dass wir keinen Bruch mit bald 16 Jahren erfolgreicher Regierungsarbeit vollziehen sollten. Die Bundeskanzlerin hat unser Land in dieser Zeit sicher und souverän durch schwere Krisen geführt. In Kontinuität dieser Erfolge sollten wir die neuen Aufgaben nach der Pandemie anpacken.
Welche sind das?
Die Wirtschaft nach der Pandemie wieder in Schwung bringen, den Staatshaushalt wieder ins Gleichgewicht bringen, Klimapolitik nach dem Ende der Kernenergie und dem Ausstieg aus der Kohle mit gleichzeitiger Sicherung unseres Industrielandes und seiner Wettbewerbsfähigkeit. Und ich wünsche mir, dass wir in der Partei eine neue Diskussionskultur beginnen.
Sowohl der Osten als auch der Südwesten gilt für Sie als eher schwieriges Territorium und als Hochburgen Ihres Wettbewerbers Friedrich Merz. Woran liegt das?
So pauschal sehe ich das nicht. Mich erreicht auch viel Zuspruch aus Baden-Württemberg, den Landesverbänden im Osten und dem Rest der Republik. Ich werbe um die Stimme jedes einzelnen Delegierten.
Ist es bei so einem Parteitag wie bei einer Landtagswahl: Das Momentum am Schluss zählt?
Wahlen können noch am letzten Tag entschieden werden. Trotzdem ist das Ganze ein Marathon. Die zentralen Fragen sind trotzdem: Wer hat schon mal regiert in seinem Leben? Und: Wer hat schon mal eine Wahl gewonnen? Ich habe gezeigt, dass ich beides kann. Entscheidend ist doch, dass wir die Wähler der Mitte halten und ab September weiter gestalten können.
Die CDU fällt die Entscheidung jetzt unter dem Eindruck der Pandemie. Bei der Bundestagswahl im September sind aber womöglich schon wieder andere Themen und vielleicht eine andere Persönlichkeit gefragt?
Natürlich weiß niemand sicher, wann wir die Pandemie hinter uns gelassen haben. Mir ist es wichtig, dass vor Deutschland jetzt ein Modernisierungsjahrzehnt liegt: Die Pandemie hat uns auch unsere Defizite gezeigt.
Könnte ein solcher Themenwandel dafür sprechen, dass der CDUChef dann nicht unbedingt der Kanzlerkandidat ist?
Wieso?
Weil die Schwerpunkte anders sind. Jetzt zählen Krisenmanagement und eben auch Kontinuität. Im Bundestagswahlkampf dann vielleicht eher Wirtschaftskompetenz, Dynamik, Aufbruch.
Ob Pandemiebekämpfung oder generell die Erneuerung unseres Landes: Regierungserfahrung ist gefragt. Mit der FDP arbeite ich seit über drei Jahren an einer neuen Dynamik für die Wirtschaft und den Mittelstand in unserem Land. Erste Erfolge sind spürbar.
Gut, dann fragen wir anders: Wolfgang Schäuble und Ralph Brinkhaus finden, dass Kanzlerkandidat auch werden kann, wer nicht CDUoder CSU-Vorsitzender ist. Auch Annegret Kramp-Karrenbauer sagt: Alles ist möglich.
75 Jahre lang hatte die CDU die Tradition, dass entweder der Vorsitzende von CDU oder CSU auch Kanzlerkandidat war. Das steht nicht im Grundgesetz, war aber meistens ein Erfolgsrezept. Wir sollten uns nach dem 16. Januar erst mal auf die wichtigen Landtagswahlen in BadenWürttemberg und Rheinland-Pfalz konzentrieren.
Ärgerlich, dass es nun Berichte gibt, wonach Spahn offenbar doch hinter den Kulissen für eine Kanzlerkandidatur sondiert?
Diese Berichte hat ja Jens Spahn selbst zurückgewiesen. Unsere Aufstellung im Team ist klar.
Welche Lehre sollte Deutschland ziehen aus dem Sturm auf das USKapitol?
Dort ist die Saat aufgegangen, die lange gesät wurde. Wenn die Menschen ständig mit Unwahrheiten aufgehetzt werden, werden sie irgendwann aggressiv – und fühlen sich dann auch im Recht. Hannah Arendt hat einmal gewarnt, dass dem bösen Wort die böse Tat folgt. Das zeigt umso klarer: Schon den populistischen Unwahrheiten müssen wir mit Klarheit und Deutlichkeit widersprechen.
Viele ziehen eine Parallele zwischen dem Trumpismus und der AfD.
Ich nehme es sehr ernst, dass an den Demonstrationszügen, aus denen heraus es den Versuch gegeben hat, das Reichstagsgebäude zu stürmen, Abgeordnete der AfD beteiligt waren. Sie haben Störer in den Bundestag geschmuggelt. Man muss sich einmal vorstellen, dass Leute im Büro von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble die Füße auf den Tisch legen, seine Post lesen und im Plenarsaal den Präsidentenplatz besetzen. Das darf niemals passieren.
Wie wollen Sie umgehen mit der AfD als möglicher CDU-Vorsitzender?
Abgrenzen und widersprechen, hart bekämpfen. Alles was den Eindruck erweckt, wir sprechen deren Sprache oder übernehmen die Themen, macht sie noch stärker.
Bislang wurde immer differenziert zwischen der AfD und ihren Wählern.
Man muss klar sagen, wer sich mit so was einlässt, den müssen wir bekämpfen. Mit der Methode habe ich die AfD in NRW auf sechs bis sieben Prozent gedrückt. Nur der klare Kurs hilft.
Kommen wir zu Corona: Sie wollten die Schulen im vergangenen Frühjahr lange offen halten. Jetzt muss auch NRW zum zweiten Mal die Klassenzimmer schließen.
Jeder Tag ohne echten Präsenzunterricht richtet Schäden an. Der
Küchentisch in einer Zwei-ZimmerWohnung ist kein guter Lernort für Kinder. Aber angesichts der jetzigen Lage in der Pandemie und der Unklarheit über das mutierte Virus sowie der Inzidenz infolge der Weihnachtsage müssen wir auf Vorsicht und Sicherheit setzen.
Die Schüler müssen zu Hause bleiben, aber die Arbeitnehmer brechen jeden Morgen auf. Das empört viele.
Man muss doch noch eine Substanz haben, um das Wirtschaftsleben zu erhalten. Man kann doch nicht auch noch pauschal Fabriken oder Büros schließen.
Es geht eher um eine Pflicht zum Homeoffice.
Eine Krankenschwester kann nicht ins Homeoffice und ein Polizist auch nicht. Klar ist: Dort wo Homeoffice möglich ist, rufen wir alle Arbeitgeber auf, das zu ermöglichen.
Wer zumacht, muss auch wieder aufmachen, haben Sie immer gesagt. Wie wird das diesmal sein?
Das ist die viel schwierigere Phase. Wann beurteilen wir die Inzidenzen so, dass man wieder öffnen kann und mit was fangen wir an? Mir ist es wichtig, dass wir schnell den Kindern wieder Bildung vollumfänglich ermöglichen. Sie sind unsere Zukunft.
Ist der dafür festgelegte Inzidenzwert von 50 noch vernünftig?
Ich glaube, die Frage Lockdown oder Öffnung hängt nicht alleine an einer Zahl. Fest steht: Wenn man zu früh lockert, läuft man Gefahr, dass es danach wieder steil nach oben geht. Wir brauchen Geduld und Umsicht.
Wenn wir aufs Frühjahr hoffen, stellt sich die Frage: Halten wir einen Lockdown durch bis Mitte April?
Es fällt mir schwer, mir das vorzustellen. Meine Hoffnung ist, dass wir durch den Lockdown und die fortschreitenden Impfungen die Lage entspannen können. Aber wenn sich das in Großbritannien entdeckte mutierte Virus noch weiter ausbreitet, werden die Zeiten noch ernster.
Kann ein Corona-Management auch im Wahlkampf funktionieren?
Einen Bundestagswahlkampf über ernste Fragen wie die Bekämpfung der Pandemie parteitaktisch und polemisch zu führen, würde bei der Bevölkerung viel Vertrauen in die Maßnahmen zerstören.