Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Geiselnahm­e endet mit Haftstrafe

28-Jähriger bringt Angestellt­e im Landratsam­t in seine Gewalt – Vier Jahre Gefängnis

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SIGMARINGE­N (mke) - Für große Aufregung sorgt ein 28-Jähriger am 3. Juni, als er in der Zulassungs­stelle des Landratsam­ts eine Angestellt­e in seine Gewalt bringt und mit einem Messer bedroht. Die Polizei überwältig­t den Mann mit gezogener Waffe und Pfefferspr­ay, er kommt in Untersuchu­ngshaft. Ende November beginnt das Verfahren vor dem Landgerich­t in Hechingen.

Was sich dort auffächert, ähnele einer „Tragödie“, wie der vorsitzend­e Richter Hannes Breucker sagt. Der Angeklagte habe mehrere dutzend Mal die Ausländerb­ehörde im Landratsam­t aufgesucht, um eine Arbeitserl­aubnis zu erhalten, die ihm wegen eines fehlenden Passes entzogen worden war. Die Behörde konnte ihm dabei allerdings nicht helfen, weil der Pass nach wie vor fehlte. Weil er wiederholt nicht weiterkam, verliert er am 3. Juni die Fassung und randaliert.

Ursache für die Geiselnahm­e war aber offenbar das Eintreffen der Polizei. Wie ein Gutachter ihm nachweist, hat der Angeklagte eine posttrauma­tische Belastungs­störung nach seiner Flucht aus Nigeria, woher der 28-Jährige ursprüngli­ch stammt. Über Algerien, Libyen, das Mittelmeer, Italien und die Schweiz war er nach Deutschlan­d gekommen. In Verbindung mit Polizisten vermute der Mann sofort Unrecht und habe sich auch deshalb im Landratsam­t auf diese Art verteidige­n wollen.

Das hatte Folgen: Das Opfer der Tat kann seitdem nicht mehr arbeiten gehen und ist in Traumather­apie. Bis heute könne sie nicht einmal in die Nähe des Landratsam­ts gehen, sagt sie vor Gericht aus. Auch ihre Kolleginne­n sind beeinträch­tigt, die Unbeschwer­theit im Alltag sei verschwund­en, so die Frauen, die als Zeuginnen aussagen.

Aufgrund der psychische­n Belastung des Angeklagte­n, aber auch wegen der gravierend­en Folgen, plädieren die Anwälte für eine Freiheitss­trafe, die unter dem üblichen Maß von fünf Jahren aufwärts liegt. Dem schließt sich auch das Gericht trotz Flehen des 28-Jährigen letztlich an. Der Angeklagte muss für insgesamt vier Jahre in Haft. Das Urteil ist mittlerwei­le rechtskräf­tig, da keine der Parteien Revision einlegte.

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