Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Pflegekräfte als Impfverweigerer stigmatisiert
Impfbereitschaft am Zollernalb-Klinikum liegt bei einem Drittel – Chefarzt klärt auf
BALINGEN/SIGMARINGEN - Zur aktuell öffentlich diskutierten Impfpflicht für Pflegekräfte hatte das Zollernalb-Klinikum Balingen am Mittwochnachmittag zu einer digitalen Pressekonferenz geladen. Laut dem Vorsitzenden Geschäftsführer Dr. Gerhard Hinger sei es in den vergangenen Tagen in der Öffentlichkeit vermehrt zu einer Stigmatisierung von Pflegekräften, die einer Impfpflicht skeptisch gegenüberstehen, als „Impfverweigerer“gekommen. Diesen Vorwurf weise das Klinikum entschieden zurück.
In der Folge erläuterte Dr. Erwin Biecker, Chefarzt der Inneren Medizin, welche wissenschaftlichen Vorbehalte es gegenüber den Impfstoffen gebe. Für Vorbehalte sorgten laut Biecker nicht etwa Zweifel an der Sicherheit oder Befürchtungen vor eventuellen Nebenwirkungen der zugelassenen Corona-Impfstoffe, sondern Zweifel an der Wirksamkeit als Ansteckungsschutz. „Wir wissen nach wie vor nicht, ob die Impfung vor der eigentlichen Infektion schützt“, sagte Biecker. Demzufolge sei es möglich, dass die Impfung zwar die geimpften Pflegekräfte selbst vor einem schlimmen Ausbruch der Krankheit schütze, aber nicht verhindere, dass sie die Viren an NichtGeimpfte übertragen könnten.
Trotz dieser Unwägbarkeiten sei die Impfbereitschaft in der Belegschaft hoch, führte Dr. Jochen Molsner, der Betriebsarzt des ZollernalbKlinikums aus. Ein Drittel der Belegschaft sei bereit, sich bei Verfügbarkeit sofort impfen zu lassen. „Wie im Rest der Bevölkerung gibt es auch bei uns noch den ein oder anderen Skeptiker“, sagte der stellvertretende Pflegedirektor Thomas Scholz, deswegen aber pauschal gegen Pflegekräfte Stimmung zu machen, sei äußerst unangebracht. Auf die Frage der „Schwäbischen Zeitung“, wie die Klinik unter ihren Beschäftigten mit einer bislang zu erwartenden Impfquote von rund einem Drittel eine Herdenimmunität erreichen wolle, antwortete Geschäftsführer Dr. Hinger, er gehe davon aus, dass sich derzeit noch bestehende Vorbehalte zerstreuen würden, sobald sich die ersten Impf-Erfahrungen unter den Krankenhausbeschäftigten herumsprächen. Generell sei es jedoch schon so, dass die hinreichende Quote für die Herdenimmunität zwischen 60 und 70 Prozent der Bevölkerung liege, führte Chefarzt Dr. Biecker aus. Noch könne man jedoch nicht sagen, inwieweit diese Regel für das Coronavirus auf vulnerable Einrichtungen wie Krankenhäuser oder Pflegeheime anwendbar sei, insbesondere solange im Rest der Bevölkerung noch keine vergleichbare Impfquote erreicht sei. „Grundsätzlich gilt aber: Je mehr, desto besser“, schloss Biecker.