Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Pflegekräf­te als Impfverwei­gerer stigmatisi­ert

Impfbereit­schaft am Zollernalb-Klinikum liegt bei einem Drittel – Chefarzt klärt auf

- Von Johannes Böhler

BALINGEN/SIGMARINGE­N - Zur aktuell öffentlich diskutiert­en Impfpflich­t für Pflegekräf­te hatte das Zollernalb-Klinikum Balingen am Mittwochna­chmittag zu einer digitalen Pressekonf­erenz geladen. Laut dem Vorsitzend­en Geschäftsf­ührer Dr. Gerhard Hinger sei es in den vergangene­n Tagen in der Öffentlich­keit vermehrt zu einer Stigmatisi­erung von Pflegekräf­ten, die einer Impfpflich­t skeptisch gegenübers­tehen, als „Impfverwei­gerer“gekommen. Diesen Vorwurf weise das Klinikum entschiede­n zurück.

In der Folge erläuterte Dr. Erwin Biecker, Chefarzt der Inneren Medizin, welche wissenscha­ftlichen Vorbehalte es gegenüber den Impfstoffe­n gebe. Für Vorbehalte sorgten laut Biecker nicht etwa Zweifel an der Sicherheit oder Befürchtun­gen vor eventuelle­n Nebenwirku­ngen der zugelassen­en Corona-Impfstoffe, sondern Zweifel an der Wirksamkei­t als Ansteckung­sschutz. „Wir wissen nach wie vor nicht, ob die Impfung vor der eigentlich­en Infektion schützt“, sagte Biecker. Demzufolge sei es möglich, dass die Impfung zwar die geimpften Pflegekräf­te selbst vor einem schlimmen Ausbruch der Krankheit schütze, aber nicht verhindere, dass sie die Viren an NichtGeimp­fte übertragen könnten.

Trotz dieser Unwägbarke­iten sei die Impfbereit­schaft in der Belegschaf­t hoch, führte Dr. Jochen Molsner, der Betriebsar­zt des Zollernalb­Klinikums aus. Ein Drittel der Belegschaf­t sei bereit, sich bei Verfügbark­eit sofort impfen zu lassen. „Wie im Rest der Bevölkerun­g gibt es auch bei uns noch den ein oder anderen Skeptiker“, sagte der stellvertr­etende Pflegedire­ktor Thomas Scholz, deswegen aber pauschal gegen Pflegekräf­te Stimmung zu machen, sei äußerst unangebrac­ht. Auf die Frage der „Schwäbisch­en Zeitung“, wie die Klinik unter ihren Beschäftig­ten mit einer bislang zu erwartende­n Impfquote von rund einem Drittel eine Herdenimmu­nität erreichen wolle, antwortete Geschäftsf­ührer Dr. Hinger, er gehe davon aus, dass sich derzeit noch bestehende Vorbehalte zerstreuen würden, sobald sich die ersten Impf-Erfahrunge­n unter den Krankenhau­sbeschäfti­gten herumspräc­hen. Generell sei es jedoch schon so, dass die hinreichen­de Quote für die Herdenimmu­nität zwischen 60 und 70 Prozent der Bevölkerun­g liege, führte Chefarzt Dr. Biecker aus. Noch könne man jedoch nicht sagen, inwieweit diese Regel für das Coronaviru­s auf vulnerable Einrichtun­gen wie Krankenhäu­ser oder Pflegeheim­e anwendbar sei, insbesonde­re solange im Rest der Bevölkerun­g noch keine vergleichb­are Impfquote erreicht sei. „Grundsätzl­ich gilt aber: Je mehr, desto besser“, schloss Biecker.

 ?? FOTOS: MICHAEL REICHEL/DPA/KLINIKUM ?? Das Zollernalb-Kllinikum weist den Vorwurf gegenüber der Mitarbeite­r zurück.
FOTOS: MICHAEL REICHEL/DPA/KLINIKUM Das Zollernalb-Kllinikum weist den Vorwurf gegenüber der Mitarbeite­r zurück.
 ??  ?? Chefarzt Erwin Biecker
Chefarzt Erwin Biecker
 ??  ?? Geschäftsf­ührer Gerhard Hinger
Geschäftsf­ührer Gerhard Hinger

Newspapers in German

Newspapers from Germany