Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Mit aller Lust am Spielen
Jochen Busse, Schauspieler, Kabarettist und Autor, wird 80 Jahre alt – Zurückblickend kokettiert er: „Es gab kein Fach für mich. Und damit bin ich zum Kabarett gegangen“
DÜSSELDORF (dpa) - Die Erfahrung mache er immer wieder, sagt Jochen Busse: „Da sind Sie 80 Jahre. Und wann immer Sie jemandem auf der Straße begegnen, der Sie erkennt, muss er lächeln.“Den Schauspieler, Kabarettisten und Autor, der an diesem Donnerstag seinen runden Geburtstag feiert, dürfte diese Reaktion kaum überraschen: „Ich bin schon mit zehn Jahren darauf gekommen, dass es sehr wichtig ist, andere Leute zum Lachen zu bringen.“
Fußballspielen war seine Sache nicht, im Internat musste er sich anders durchsetzen – mit Witz und Humor. Schon früh lernte der in Iserlohn geborene Busse, sich zu verstellen. Als die Firma seines Vaters, die Vorhangvorrichtungen
aus Aluminium und Messing herstellte, in Konkurs ging, weil nun Plastik angesagt war, ließ der kleine Jochen den Gerichtsvollzieher ins Haus. „Alle wurden immer wohlhabender – und wir mussten mitspielen, als wären wir wohlhabend. Daraus entwickelte sich eine Lebenslüge. Und diese Lebenslüge hat mich mein ganzes Theaterleben begleitet“, erzählte er einmal.
Doch schon vor seiner Ausbildung in München ahnte Jochen Busse, dass man sich nicht ewig verstellen kann. „Du überzeugst auf der Bühne nur Leute, wenn du du bist.“Das habe er erst lernen müssen. „Als ich anfing und Schauspieler werden wollte, ein sogenannter seriöser Schauspieler, wusste man mich vom Typ her nirgendwo einzugliedern. Der jugendliche Liebhaber, der schüchterne Liebhaber, der jugendliche Komiker, der jugendliche Charakter und was weiß ich – das war ich alles nicht. Es gab kein Fach für mich. Und damit bin ich zum Kabarett gegangen.“
Erste Erfahrungen sammelte er als Statist bei den Münchner Kammerspielen unter dem legendären Regisseur Fritz Kortner und beim Studentenkabarett Knallfrösche. Busses Gabe, Dialekte nachzusprechen, die präzise Diktion und die Fähigkeit zur genauen Menschenbeobachtung halfen ihm dabei. „Das war damals im Kabarett sehr gesucht, und darum habe ich mich dort ausprobiert.“Unter Friedrich Hollaender spielte er dann in der Berliner Revue „Hoppla, auf’s Sofa“, dann ging er zum Düsseldorfer Kom(m)ödchen. Von 1976 bis 1991 gehörte Jürgen Busse zum Ensemble und den Autoren der Münchner Lachund Schießgesellschaft; im Fernsehen wurde er rund 300-mal Gastgeber der satirischen Wochenschau „Sieben Tage, sieben Köpfe“auf RTL.
Jürgen Busse blieb sich aber immer treu: Wo Busse draufsteht, ist Busse drin. „Ich habe eine Zeit lang den Blick meines Hundes nachgemacht. Das ist komisch. Aber das ist natürlich ein Bruch. Das sind nicht Sie.“Seine Lust am Spielen habe auch damit zu tun, dass er jeden Abend auf der Bühne etwas ausprobieren könne, „etwas, das das Stück und den Dialog nicht kaputtmacht. Aber wo ich an die Grenze des Wahrhaftigen komme.“
Seine Spiellust bekam durch die Corona-Pandemie einen Dämpfer. Wie alle Schauspieler ging Busse in den Lockdown. „Es ist etwas Furchtbares, wenn Sie morgens aufstehen und wissen, Sie gehen abends wieder ins Bett. Und dazwischen ist nix.“Mit Yoga hält sich Busse fit, er hat begonnen, sein persönliches Archiv zu ordnen, „alles Beschäftigungstherapie“.
„Ich habe keine schrecklichen Krankheiten gehabt, keine Pleite erfahren und musste in kein Dschungelcamp. Ich habe Helmut Kohl und vier Ehen überstanden. Wie kann man nur so verdammt viel Glück haben?“, schrieb Jürgen Busse zum Erscheinen seiner Memoiren „Wo wir gerade von belegten Brötchen reden“(2016). Und dann bleibt da noch immer dieses „herrliche Gefühl“der Begegnungen auf der Straße: „Sie erzeugen Heiterkeit einfach aufgrund dessen, dass Sie existieren. Was wollen Sie mehr?“