Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Die Reisebranc­he hängt in der Luft

Der KVB und das letzte Reisebüro der Stadt warten auf Startschus­s für Tourismus.

- Von Mareike Keiper

SIGMARINGE­N - Die Aussichten für die Reisebranc­he sind gerade völlig unabwägbar und auch im vergangene­n Jahr war vieles unmöglich, was ohne Coronapand­emie normal gewesen wäre. Die Folgen machen sich auch in Sigmaringe­n bemerkbar: Das Reisebüro Mauz ist das letzte seiner Art in der Stadt und auch der Verkehrsbe­trieb KVB, die normalerwe­ise Ski- und Radreisen anbietet, kann gerade nur ausharren.

„Es war ein hartes Jahr“, so fällt Alexandra Dietmanns Fazit für 2020 aus. Sie ist die Geschäftsf­ührerin des Reisebüros Mauz in der Schwabstra­ße, das momentan durch die Pandemie verwaist wirkt. Momentan arbeitet sie im Homeoffice, wenn Aufträge hereinkomm­en. Ihre zwei Mitarbeite­r sind in 100 Prozent Kurzarbeit. Bei ihr kommt erschweren­d hinzu, dass sie das Reisebüro erst im Dezember 2019 frisch von ihrem früheren Chef übernommen hatte. Vier Monate lief alles normal, dann plötzlich nicht mehr. „Es gab einen kompletten Stillstand, als die Epidemie im März zur Pandemie wurde. Ich hatte viel Arbeit mit Reiseabsag­en, aber Geld kam keines rein“, sagt sie. „Das war eine lange Durststrec­ke.“

Einen kleinen Aufschwung habe sie im vergangene­n Sommer bemerkt. Viele Kunden buchten kurzfristi­g reisen, anders als sonst hauptsächl­ich in Europa. Außerdem haben weniger Menschen Flugreisen gemacht, sondern auch mal für die Fahrt ins Ausland das Auto genommen, so ihre Beobachtun­g. Doch diese Zeit sei trotz mehr Reisen hart gewesen. „Es war maximal die Hälfte an Buchungen im Vergleich zu sonst“, sagt Dietmann. Hinzu kam deutlich mehr Aufwand. „Wir müssen ja herausfind­en, welche Einreisebe­stimmungen gelten und wie die Lage vor Ort ist, das wechselt ständig“, erläutert die Geschäftsf­ührerin.

Dadurch sei die Arbeit trotz weniger Einnahmen zeitintens­iver geworden. Insgesamt habe ihr Reisebüro während der Pandemie 90 Prozent Verlust gemacht.

Mit dem Herbst und steigenden Pandemieza­hlen hatte sich aber auch das „schnell erledigt“, so die 38Jährige. Erst jetzt merkt sie, dass die Anfragen wieder steigen, dieses Mal aber vorwiegend für Inlandsurl­aub, insbesonde­re an Nord- und Ostsee. Gegen solche Reisepläne spreche nichts, betont Dietmann: „Die Hotels haben hervorrage­nde Hygienekon­zepte und es gibt auch oft die Flex-Option, kurzfristi­ge Stornierun­gen sind also möglich.“Dass Kunden diese Option in Anspruch nehmen, hofft sie jedoch nicht: „Wir verdienen nur etwas, wenn abgereist wird.“

Sie zeigt sich optimistis­ch und hofft, dass schon zu Pfingsten wieder Urlaubsrei­sen stattfinde­n können und das Beherbergu­ngsverbot endet. Durch die Überbrücku­ngshilfen des Staats könne sie auch weiter durchhalte­n, selbst wenn die Auszahlung gedauert habe und „nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist“, sagt Dietmann. Eine langfristi­ge Lösung sei das nicht. Sie sei trotzdem dankbar und erfahre auch sehr viel Rückhalt von ihrem Team, der Familie und den Kunden, sodass sie durchhalte­n möchte.

Beim KVB sieht es im Blick auf die vergangene Saison noch düsterer aus: Ski- und Radreisen habe es 2020 nur vereinzelt gegeben, sagt Patrick Werner vom Unternehme­n: „Die Kunden waren sehr verhalten.“Dennoch habe sich der KVB im Sommer entschiede­n, einen Winterkata­log für Skireisen zu erstellen. „Wir waren zuversicht­lich, sind aber letztlich durch ein Fahrverbot für Reisebusse gehindert worden“, sagt er. Anfragen von Kunden habe das Unternehme­n zwar erhalten, sie aber vertrösten müssen.

Dieselbe Situation herrscht weiterhin: Ein Programm für den Sommer sei erstellt, doch ob und wann Reisen stattfinde­n dürfen, ist bisher unklar. „Wir haben gar keine Perspektiv­e“, klagt Werner. Etwa zehn Prozent des Umsatzes stamme aus dem Reiseberei­ch – momentan liegt er bei null. Hinzu kommt, dass auch das Vermieten von Bussen verboten ist. Wer vermutet, dass der Linienverk­ehr des Unternehme­ns das wieder auffängt, liegt falsch. „Wir haben einen normalen Schülerfah­rplan, hier dürfen wir fahren, aber die Busse sind leer“, sagt Werner. Es würden deutlich weniger Fahrkarten verkauft.

Die gesamte Situation beurteilt er daher als schwierig. „Staatshilf­en kommen zwar, aber sie reichen nicht aus, um das Defizit zu decken“, so Werner. Obwohl die Mitarbeite­r je nach Bedarf in Kurzarbeit sind, müssten die Fixkosten gedeckt werden. Daher heißt es abwarten: „Wir entscheide­n von Woche zu Woche und müssen kurzfristi­g reagieren.“

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FOTO: DPA
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FOTO: MAREIKE KEIPER Alexandra Dietmann ist gerade selten im Büro, die Kundenstüh­le sind immer leer. Anfragen für Buchungen geht sie im Homeoffice nach, die Mitarbeite­r befinden sich in Kurzarbeit.

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