Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Wachstum im Lockdown
Deutsche Wirtschaft legt Ende 2020 stärker zu als angenommen
WIESBADEN (dpa) - Die deutsche Wirtschaft geht überraschend stabil ins zweite Jahr der Corona-Pandemie. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stieg im Schlussquartal 2020 im Vergleich zum Vorquartal trotz des erneuten Lockdowns um 0,3 Prozent. Zunächst hatte das Statistische Bundesamt nur ein Plus von 0,1 Prozent errechnet. Die Ausgangslage für das laufende Jahr hat sich damit verbessert, auch wenn die Wirtschaftsleistung im Winter angesichts der anhaltenden Corona-Beschränkungen schrumpfen dürfte. Trotz der milliardenschweren Löcher, die die Krise in den Staatshaushalt gerissen hat, sehen Ökonomen derzeit keinen Grund zur Panik.
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sprach am Mittwoch mit Blick auf den Jahresausklang von einem „wichtigen Signal der Zuversicht“. Nach Einschätzung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) kommt vor allem die Industrie „bislang robust durch den Winter“.
Warenexporte und die Bauinvestitionen stützten die Konjunktur im Zeitraum Oktober bis Dezember 2020, die privaten Konsumausgaben sanken hingegen um 3,3 Prozent verglichen mit dem dritten Quartal. In der ersten Corona-Welle im Frühjahr hatte die deutsche Wirtschaft einen historischen Einbruch verzeichnet, im Sommer folgte ein Comeback. Der zweite Lockdown dämpfte dann die Erholung.
Getrieben von besseren Exporterwartungen blickt die Industrie einer Umfrage zufolge auch wieder zuversichtlicher in die Zukunft. Nach Angaben des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) beurteilen aktuell 31 Prozent der Industriefirmen ihre Geschäftslage als gut – im Herbst 2020 waren es 23 Prozent. Eingetrübt hat sich dem Ifo-Institut zufolge hingegen die Bereitschaft der Unternehmen, Beschäftigte einzustellen. Besonders angespannt ist demnach die Situation im Handel, der besonders von den Corona-Beschränkungen betroffen ist.
Im Jahresvergleich hinterließ die Krise deutliche Spuren. Die Wirtschaftsleistung verringerte sich Ende 2020 im Vergleich zum Vorjahresquartal um 2,7 Prozent. Das Bruttoinlandsprodukt brach um 4,9 Prozent ein. Zunächst hatte das Bundesamt ein Minus von 5,0 Prozent errechnet.
Deutschland schlug sich damit aber besser als der Euro-Raum insgesamt. Im gemeinsamen Währungsraum mit seinen 19 Mitgliedern war die Wirtschaftsleistung im vierten Quartal um 0,6 Prozent gegenüber dem dritten Vierteljahr geschrumpft. Im Gesamtjahr 2020 stürzte das BIP um 6,8 Prozent ab und damit so stark wie noch nie.
Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherung gaben insgesamt 139,6 Milliarden mehr aus, als sie einnahmen. Das Minus fiel kleiner aus als die zunächst berechneten 158,2 Milliarden Euro. Bezogen auf die gesamte Wirtschaftsleistung lag das Haushaltsdefizit bei 4,2 Prozent. Das war das zweithöchste Minus seit der deutschen Vereinigung. Das größte Minus wies der Bund mit 86,6 Milliarden Euro aus.
Für das Gesamtjahr 2021 rechnete die Bundesregierung zuletzt mit einem Wirtschaftswachstum von drei Prozent. Im Herbst war die Bundesregierung noch von einem Plus von 4,4 Prozent ausgegangen. Risiken sehen Ökonomen vor allem in der weiteren Entwicklung der Pandemie. „Corona bleibt vorerst das größte Konjunkturrisiko“, sagte Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der staatlichen Förderbank KfW.