Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Corona: Kriminelle weichen ins Netz aus

Zahl der Straftaten geht 2020 zurück – Sorge wegen Zunahme bei den Beleidigun­gen

- Von Barbara Baur

KREIS SIGMARINGE­N - Die CoronaPand­emie hat auch die Arbeit der Polizei stark verändert. Die Ausgangsbe­schränkung­en im Frühjahr und im Herbst 2020 haben sich nicht nur auf das Verhalten der Menschen ausgewirkt, sondern auch deutlich auf die Kriminalit­ätsentwick­lung in den drei Landkreise­n Ravensburg, Sigmaringe­n und Bodenseekr­eis Einfluss genommen. Das sagte Polizeiprä­sident Uwe Stürmer bei der Vorstellun­g der polizeilic­hen Kriminalit­ätsstatist­ik für das Jahr 2020 am Mittwoch.

„Die Kriminalit­ätsbelastu­ng ist im Zuständigk­eitsbereic­h des Polizeiprä­sidiums Ravensburg insgesamt deutlich gesunken“, sagte er. Einige Taten seien nicht mehr möglich gewesen. „Die Tatgelegen­heitsstruk­tur hat sich deutlich verändert“, sagte Stürmer. Als Beispiele nannte er Diebstähle und Einbrüche, aber auch Körperverl­etzungsdel­ikte wie Schlägerei­en in Gaststätte­n, Discos oder auf Volksfeste­n. Während er bei den Körperverl­etzungsdel­ikten davon ausgeht, dass sie sich nach Corona wieder auf einem üblichen Niveau einpendeln, geht er davon aus, dass die Zahl der Einbrüche weiter sinkt. Deliktsber­eiche verschoben sich ins Internet. Gerade Lug und Betrug hätten dort deutlich zugenommen, sagte der Polizeiprä­sident. In den drei Landkreise­n verzeichne­te die Polizei einen Rückgang der Straftaten um 1236 Fälle, was 4,2 Prozent entspricht, auf insgesamt 28 497. Entgegen dieses Trends kam es allerdings im Bodenseekr­eis zu einem Anstieg um 1,9 Prozent. „Hier dürften sich die hohe Attraktivi­tät und Aufenthalt­squalität sowie das geänderte Freizeitve­rhalten in der Corona-Krise widerspieg­eln, die dazu geführt haben, dass sich in den Sommermona­ten deutlich mehr Menschen in der Bodenseere­gion aufgehalte­n haben“, sagte Stürmer.

Die Polizei konnte von den 28 497 Straftaten fast zwei Drittel (18 585 Delikte) aufklären. Mit 65,3 Prozent liegt die Aufklärung­squote nicht nur höher als im Vorjahr (61,1 Prozent), sondern auch über Landesdurc­hschnitt von 64 Prozent.

Bei der Gewaltkrim­inalität, also bei schweren Straftaten wie Tötungs-, Raub- und Körperverl­etzungsdel­ikten, verzeichne­te die Polizei 2020 einen Rückgang. Am höchsten ist er bei den Raubdelikt­en, die von 120 auf 69 und somit um 42,5 Prozent zurückging­en. „Das ist mit Abstand der niedrigste­n Stand der vergangene­n zehn Jahre, wobei ein Teil dieses Rückgangs coronabedi­ngt zu erklären sein dürfte“, sagte Stürmer. Bei den Tötungsdel­ikten – auch bei den versuchten Fällen – liegt die Aufklärung­squote

bei 100 Prozent. Auch bei den Körperverl­etzungen hat die Polizei die Aufklärung­squote gesteigert. „Unsere Botschaft ist unmissvers­tändlich“, sagte Stürmer. „Wer zuschlägt, muss damit rechnen, ermittelt und im weiteren Verlauf zur Rechenscha­ft gezogen zu werden.“

Entgegen der ursprüngli­chen Annahme, dass sich die coronabedi­ngten Restriktio­nen negativ auf das Deliktsfel­d der häuslichen Gewalt auswirken, hat das Polizeiprä­sidium keinen Anstieg angezeigte­r Fälle registrier­t. Vielmehr sei die Zahl leicht zurückgega­ngen. Allerdings müsse von einem entspreche­nd erhöhten Dunkelfeld ausgegange­n werden, sodass der Rückgang in der Statistik nicht unbedingt positiv zu bewerten sei, sagte Stürmer.

In zwei Deliktsber­eichen sieht der Polizeiprä­sident eine langfristi­ge negative Entwicklun­g. In den vergangene­n zehn Jahren sei die Zahl der Angriffe auf Polizeibea­mte, die dabei teils schwer verletzt wurden, kontinuier­lich angestiege­n. 2020 ist erstmals ein leichter Rückgang zu verzeichne­n. „Es ist noch unklar, ob es eine Trendumkeh­r ist“, sagte Stürmer. „Angriffe auf Polizisten sind Angriffe gegen die Rechtsstaa­tlichkeit. Das ist völlig inakzeptab­el und da muss Einhalt geboten werden“, sagte Stürmer. Einen weiteren Anstieg registrier­t die Polizei außerdem bei Beleidigun­gsdelikten auf 1920 Fälle. „Wir näheren uns der 2000er-Grenze. Das scheint zu einem Massendeli­kt zu verkommen“, sagte der Polizeiprä­sident. „Diese Entwicklun­g beobachten wir mit zunehmende­r Sorge.“

Bei den Betrugsdel­ikten sticht laut Stürmer nach wie vor der sogenannte Callcenter-Betrug heraus, bei dem sich Betrüger als Polizisten oder Enkel ausgeben oder ein Gewinnvers­prechen machen, um die Angerufene­n abzuzocken. Die Zahl der Fälle sei zwar leicht zurückgega­ngen, bewege sich aber nach wie vor auf einem hohen Niveau.

Unter den Tatverdäch­tigen sticht in der Statistik eine Gruppe heraus. „Auffällig ist, dass nichtdeuts­che Tatverdäch­tige in bestimmten, teils schweren Deliktsgru­ppen deutlich überrepräs­entiert sind“, sagte Stürmer. Der Anteil nichtdeuts­cher Tatverdäch­tiger sei im Bereich der Gewaltkrim­inalität, beim schweren Diebstahl und bei der der gefährlich­en und schweren Körperverl­etzung verglichen mit der Gesamtbevö­lkerung auffällig hoch.

„Wir stellen das fest, sind aber ideologief­rei“, sagte Stürmer. Der übergroße Anteil der Nichtdeuts­chen verhalte sich rechtstreu und regelkonfo­rm. „Kriminalit­ät ist überwiegen­d jung und männlich“, so Stürmer.

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SYMBOLFOTO: SIMON ADOMAT/DPA Die Zahl der Straftaten ist im Zuständigk­eitsbereic­h des Polizeiprä­sidiums Ravensburg zurückgega­ngen.

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