Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Corona: Kriminelle weichen ins Netz aus
Zahl der Straftaten geht 2020 zurück – Sorge wegen Zunahme bei den Beleidigungen
KREIS SIGMARINGEN - Die CoronaPandemie hat auch die Arbeit der Polizei stark verändert. Die Ausgangsbeschränkungen im Frühjahr und im Herbst 2020 haben sich nicht nur auf das Verhalten der Menschen ausgewirkt, sondern auch deutlich auf die Kriminalitätsentwicklung in den drei Landkreisen Ravensburg, Sigmaringen und Bodenseekreis Einfluss genommen. Das sagte Polizeipräsident Uwe Stürmer bei der Vorstellung der polizeilichen Kriminalitätsstatistik für das Jahr 2020 am Mittwoch.
„Die Kriminalitätsbelastung ist im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Ravensburg insgesamt deutlich gesunken“, sagte er. Einige Taten seien nicht mehr möglich gewesen. „Die Tatgelegenheitsstruktur hat sich deutlich verändert“, sagte Stürmer. Als Beispiele nannte er Diebstähle und Einbrüche, aber auch Körperverletzungsdelikte wie Schlägereien in Gaststätten, Discos oder auf Volksfesten. Während er bei den Körperverletzungsdelikten davon ausgeht, dass sie sich nach Corona wieder auf einem üblichen Niveau einpendeln, geht er davon aus, dass die Zahl der Einbrüche weiter sinkt. Deliktsbereiche verschoben sich ins Internet. Gerade Lug und Betrug hätten dort deutlich zugenommen, sagte der Polizeipräsident. In den drei Landkreisen verzeichnete die Polizei einen Rückgang der Straftaten um 1236 Fälle, was 4,2 Prozent entspricht, auf insgesamt 28 497. Entgegen dieses Trends kam es allerdings im Bodenseekreis zu einem Anstieg um 1,9 Prozent. „Hier dürften sich die hohe Attraktivität und Aufenthaltsqualität sowie das geänderte Freizeitverhalten in der Corona-Krise widerspiegeln, die dazu geführt haben, dass sich in den Sommermonaten deutlich mehr Menschen in der Bodenseeregion aufgehalten haben“, sagte Stürmer.
Die Polizei konnte von den 28 497 Straftaten fast zwei Drittel (18 585 Delikte) aufklären. Mit 65,3 Prozent liegt die Aufklärungsquote nicht nur höher als im Vorjahr (61,1 Prozent), sondern auch über Landesdurchschnitt von 64 Prozent.
Bei der Gewaltkriminalität, also bei schweren Straftaten wie Tötungs-, Raub- und Körperverletzungsdelikten, verzeichnete die Polizei 2020 einen Rückgang. Am höchsten ist er bei den Raubdelikten, die von 120 auf 69 und somit um 42,5 Prozent zurückgingen. „Das ist mit Abstand der niedrigsten Stand der vergangenen zehn Jahre, wobei ein Teil dieses Rückgangs coronabedingt zu erklären sein dürfte“, sagte Stürmer. Bei den Tötungsdelikten – auch bei den versuchten Fällen – liegt die Aufklärungsquote
bei 100 Prozent. Auch bei den Körperverletzungen hat die Polizei die Aufklärungsquote gesteigert. „Unsere Botschaft ist unmissverständlich“, sagte Stürmer. „Wer zuschlägt, muss damit rechnen, ermittelt und im weiteren Verlauf zur Rechenschaft gezogen zu werden.“
Entgegen der ursprünglichen Annahme, dass sich die coronabedingten Restriktionen negativ auf das Deliktsfeld der häuslichen Gewalt auswirken, hat das Polizeipräsidium keinen Anstieg angezeigter Fälle registriert. Vielmehr sei die Zahl leicht zurückgegangen. Allerdings müsse von einem entsprechend erhöhten Dunkelfeld ausgegangen werden, sodass der Rückgang in der Statistik nicht unbedingt positiv zu bewerten sei, sagte Stürmer.
In zwei Deliktsbereichen sieht der Polizeipräsident eine langfristige negative Entwicklung. In den vergangenen zehn Jahren sei die Zahl der Angriffe auf Polizeibeamte, die dabei teils schwer verletzt wurden, kontinuierlich angestiegen. 2020 ist erstmals ein leichter Rückgang zu verzeichnen. „Es ist noch unklar, ob es eine Trendumkehr ist“, sagte Stürmer. „Angriffe auf Polizisten sind Angriffe gegen die Rechtsstaatlichkeit. Das ist völlig inakzeptabel und da muss Einhalt geboten werden“, sagte Stürmer. Einen weiteren Anstieg registriert die Polizei außerdem bei Beleidigungsdelikten auf 1920 Fälle. „Wir näheren uns der 2000er-Grenze. Das scheint zu einem Massendelikt zu verkommen“, sagte der Polizeipräsident. „Diese Entwicklung beobachten wir mit zunehmender Sorge.“
Bei den Betrugsdelikten sticht laut Stürmer nach wie vor der sogenannte Callcenter-Betrug heraus, bei dem sich Betrüger als Polizisten oder Enkel ausgeben oder ein Gewinnversprechen machen, um die Angerufenen abzuzocken. Die Zahl der Fälle sei zwar leicht zurückgegangen, bewege sich aber nach wie vor auf einem hohen Niveau.
Unter den Tatverdächtigen sticht in der Statistik eine Gruppe heraus. „Auffällig ist, dass nichtdeutsche Tatverdächtige in bestimmten, teils schweren Deliktsgruppen deutlich überrepräsentiert sind“, sagte Stürmer. Der Anteil nichtdeutscher Tatverdächtiger sei im Bereich der Gewaltkriminalität, beim schweren Diebstahl und bei der der gefährlichen und schweren Körperverletzung verglichen mit der Gesamtbevölkerung auffällig hoch.
„Wir stellen das fest, sind aber ideologiefrei“, sagte Stürmer. Der übergroße Anteil der Nichtdeutschen verhalte sich rechtstreu und regelkonform. „Kriminalität ist überwiegend jung und männlich“, so Stürmer.