Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Räte geben der Stadt Hausaufgaben auf
Gammertinger verabschieden Haushalt 2021 und stellen eine Liste mit Forderungen auf
GAMMERTINGEN - Ohne eigene Änderungswünsche hat der Gammertinger Gemeinderat in seiner Sitzung am Dienstagabend den Haushalt für das Jahr 2021 verabschiedet. Die Fraktionen nutzten die Gelegenheit aber, die Stadtverwaltung mit der Umsetzung eigener Wünsche zu beauftragen. Diese reichen von einem Ärzte-Stipendium über eine Neuordnung der Vereinsförderung bis hin zu einer Umwelt-Abgabe bei Bauplatzverkäufen.
Dass auf die Stadt finanziell schwierige Zeiten zukommen – darin waren sich in der Sitzung alle einig. So stehen einerseits Millionenprojekte wie die neue Stadthalle, das neue Pflegeheim und die Sanierung und Erweiterung von Kindergartenund Schulgebäuden auf der Agenda. Andererseits drohen gleichzeitig geringere Steuereinnahmen durch die Folgen der Corona-Pandemie.
9,75 Millionen Euro will die Stadt in diesem Jahr in verschiedene Projekte stecken – allein 2,5 davon in den Neubau der Stadt- und Kulturhalle auf dem Gelände der ehemaligen
Textilfabrik Schey. Bei den Gewerbesteuereinnahmen zum Beispiel rechnet Kämmerer Siegfried Hagg aber mit einem Rückgang von 2,4 auf 1,8 Millionen Euro. Um die vielen Investitionen dennoch stemmen zu können, will die Stadt neue Kredite in Höhe von 4,8 Millionen Euro aufnehmen. Damit steigt der Schuldenstand zum Ende des Jahres voraussichtlich auf knapp 8,5 Millionen Euro.
Die Gemeinderäte machten am Dienstagabend deutlich, dass sie diesen Kurs mittragen. Eigene Akzente setzten die Fraktionen vor allem mit Vorschlägen für weitere Maßnahmen und Projekte.
Gerhard Jaudas (CDU) regte an, mindestens einen Studierenden mit einem städtischen Ärzte-Stipendium zu unterstützen. „Voraussetzung und Verpflichtung ist dabei, dass der Absolvent nach einem entsprechenden Abschluss eine Arztpraxis bei uns übernimmt, sich niederlässt oder in eine bestehende Praxis mit einsteigt“, sagte er. Möglicherweise komme eine Kooperation mit dem Gymnasium in Frage. In jedem Fall könne das Stipendium dem drohenden Ärztemangel entgegenwirken.
„Dieses Geld ist gut angelegt“, sagte Jaudas, der mit der Idee bei Bürgermeister Holger Jerg auf offene Ohren stieß. „Die Anregung nehmen wir mit“, sagte Jerg. „Ein Stipendium wäre mir lieber, als die Miete einer Arztpraxis zu subventionieren.“
Neben dem Ärzte-Stipendium schlug Gerhard Jaudas einen mobilen Bauwagen für Wald-Projekte von Kindergarten- und Schulkindern vor. Außerdem regte er eine Initiative für mehr Photovoltaikanlagen in der Stadt an, an denen sich Bürger als Investoren beteiligen könnten.
Stephan Binsch (Gleiches Recht für alle) wünschte sich eine Anpassung der Vereinsförderung noch in diesem Jahr, woraufhin der Bürgermeister um erste Ideen als Diskussionsgrundlage bat. Darüber hinaus drängte Binsch auf die weitere Digitalisierung der Schulen und die Weiterentwicklung des Reiser-Stoll-Areals, auf dem private Investoren seniorengerechte Wohnungen errichten wollen.
Jörg Scham (SPD/Grüne/Unabhängige Bürger) regte an, das neue Pflegeheim als klimaneutralen Holzbau zu errichten. „Das wäre ein
Leuchtturmprojekt über die Region hinaus“, sagte er. Auch Scham sprach sich für mehr Photovoltaikanlagen auf den Dächern öffentlicher Gebäude aus, an denen sich die Bürger beteiligen können. „Warum machen wir das nicht längst, anstatt darüber zu jammern, dass uns das Geld ausgeht?“, fragte er. Außerdem forderte Scham, dass aus dem Erlös künftiger Bauplatzverkäufe 20 Prozent in umweltfreundliche Projekte fließen sollen: „Das können Radwege, albtypische Grünflächen, Hackschnitzeloder Photovoltaikanlagen sein.“
Alle Fraktionen drängten darauf, die Umwidmung der Europastraße in eine Bundesstraße voranzutreiben. Die Hohenzollernstraße würde dabei gleichzeitig zur Gemeindestraße werden. Geplant ist das Projekt schon seit Jahren, getan hat sich zuletzt aber nicht mehr viel. „Die Situation ist unbefriedigend“, räumte Holger Jerg ein. „Aber bei der Straßenbauverwaltung des Bundes komme ich mir vor wie ein Bittsteller – obwohl sie eigentlich das Gleiche will.“Nichtsdestotrotz versprach der Bürgermeister, dem Vorhaben noch einmal Nachdruck zu verleihen.