Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Aufkleber verbreiten Hass und Hetze

An mehreren Stellen in der Stadt kleben seit einigen Tagen Parolen aus der rechten Szene

- Von Gerd Mägerle

BIBERACH - An mehreren Stellen in der Stadt, darunter am Kontaktlad­en des Vereins Jugend Aktiv in der Viehmarkts­traße, an Laternenma­sten zwischen ZOB und Hochschule sowie an den Schaukäste­n der „Schwäbisch­en Zeitung“, klebten diese Woche Aufkleber mit unterschie­dlichen Motiven, die der rechten Szene zuzuordnen sind. Wer diese offenbar am vergangene­n Wochenende dort anbrachte, ist bislang unklar.

Auf einem der Aufkleber steht eine anti-israelisch­e Parole, zwei weitere tragen Parolen und Zitate, die der rechten Szene zuzuordnen sind. Eine Internetre­cherche zeigt, dass es diese zu geringen Stückpreis­en auf einschlägi­gen Websites zu bestellen gibt. Mehreren Bürgern in Biberach sind die Aufkleber in den vergangene­n Tagen aufgefalle­n, darunter auch Andreas Heinzel, Leiter Offene und Mobile Jugendarbe­it bei Jugend Aktiv und Vorstandsm­itglied im „Bündnis für Demokratie und Toleranz im Landkreis Biberach“. „Wir erstellen jetzt eine Karte, wo in der Stadt sich überall solche Aufkleber befinden und geben diese ans städtische Ordnungsam­t“, so Heinzel. Außerdem wolle er das auch der Kriminalpo­lizei melden. Dies mache er in der Regel immer so, wenn er derartige Aufkleber im Stadtbild entdecke.

Auch im Vorstand des Bündnisses wolle er das Ganze thematisie­ren. Es sei wichtig, in dieser Hinsicht Aufklärung­sarbeit zu betreiben. „So haben wir erst vor Kurzem einen Workshop zu den Codes und Styles der einschlägi­gen Szenen veranstalt­et“, erläutert Heinzel, wie er die Menschen sensibilis­ieren will.

Auch Dagmar Rüdenburg, ebenfalls im Bündnis für Demokratie und

Toleranz, außerdem im Interkultu­rellen Flüchtling­sforum (IFF) aktiv, ärgert sich über die Aufkleber. Dass man den Urhebern der Aktion möglicherw­eise einen Gefallen tut, wenn man diese in die Öffentlich­keit trägt, weiß sie. „Aber man sollte es nicht einfach ignorieren, auch wenn es blödsinnig erscheint“, sagt Rüdenburg. Ihr eigener Briefkaste­n sei im vergangene­n Jahr mehrfach mit ähnlichen Aufklebern versehen worden. „Ich finde das im Augenblick ziemlich massiv.“

Darin gibt ihr Sebastian Lipp, freier Journalist und Betreiber des Online-Portals „Allgäu-Rechtsauße­n“, recht. „Solche Aufkleber und auch Flyer kommen derzeit vermehrt vor“, sagt er. Im Umfeld der Querdenken-Bewegung vermische sich derzeit so einiges „von Neonazis bis zu Reichsbürg­ern“. Niederschw­ellige Aktionsfor­men, wie das Verteilen von Aufklebern, Flugblätte­rn oder Postwurfse­ndungen mit entspreche­nden Inhalten, gehören zu der Radikalisi­erung, die über das vergangene Jahr hinweg stattgefun­den habe, sagt Lipp. So waren in den vergangene­n Wochen in einigen oberschwäb­ischen Städten, darunter Biberach und Bad Waldsee, auch dubiose Flugblätte­r unter dem Titel „Vaterländi­scher Hilfsdiens­t“(VHD) in Briefkäste­n gesteckt worden. Auf den Flyern rufen Reichsbürg­er, die nach Angaben des Bundesamts für Verfassung­sschutz hinter dem VHD stehen, dazu auf, sich bei diesem „Hilfsdiens­t“zu melden, um „das Vaterland zu reorganisi­eren“.

Derartige Aktionsfor­men habe es zwar vor den Corona-Maßnahmen bereits gegeben, „aber das hat sich seither gesteigert und auch an inhaltlich­er Schärfe zugenommen“, so Lipp. Rechtlich sieht der Journalist dagegen aber nur schwer eine Handhabe, da sich die Äußerungen auf den Aufklebern meist in einer Grauzone bewegen, die nicht als Straftat gewertet werden kann. „Das heißt aber nicht, dass man als Zivilgesel­lschaft nicht darauf aufmerksam machen sollte und sagen kann, dass da was schief läuft“, so Lipp. Es sei wichtig, eine Debatte über solche Aktionen anzustoßen und klare Kante gegen rechts zu zeigen. Lipp befürchtet allerdings auch, dass diese Form der Radikalisi­erung noch zunehmen könnte, je länger die Corona-Einschränk­ungen andauern. „Denn die sind ja für einige eine reale Existenzbe­drohung.“

Beim Polizeiprä­sidium Ulm, wo man bereits Kenntnis von den Aufklebern in Biberach hat, ist man dankbar für derartige Hinweise. „Wir sehen hier zwar aktuell keinen Straftatbe­stand, sind aber interessie­rt daran, dass man unsere Kriminalpo­lizei über solche Vorfälle informiert“, sagt Polizeispr­echer Wolfgang Jürgens.

Auch wenn sich dieser Straftatbe­stand nicht feststelle­n lassen sollte, will die Stadtverwa­ltung Biberach dennoch Anzeige gegen unbekannt bei der Polizei erstatten, wie die städtische Pressespre­cherin Andrea Appel am Mittwoch auf SZ-Anfrage mitteilte. Einen Plan, wo sich Aufkleber befinden, habe die Stadt von Andreas Heinzel mittlerwei­le erhalten. „Die Mitarbeite­r unseres Baubetrieb­samts werden alle Aufkleber entfernen, die sie finden.“In dieser Form komme so etwas bislang glückliche­rweise nicht allzu oft in der Stadt vor, sagt Appel.

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FOTO: GERD MÄGERLE Aufkleber, die der rechten Szene zuzuordnen sind, tauchen seit dem Wochenende an verschiede­nen Stellen im Stadtbild auf. Die Stadtverwa­ltung erstattet deswegen Anzeige gegen unbekannt.

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