Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
„Wollen um die Meisterschaft mitfahren“
Der Worndorfer Pascal Wehrlein startet mit einem neuen Team in die Formel-E-Saison
SIGMARINGEN
- Neue Saison, neuer Arbeitgeber, neuer Look: Pascal Wehrlein startet am Freitag in Riad in die neue Formel-E-Saison. Mit Porsche will der ehemalige Formel-1-Pilot nicht nur Rennen gewinnen, sondern auch um den Titel als Weltmeister mitkämpfen. Geändert hat der Worndorfer, der viel Wert auf einen modischen Haarschnitt legt, sein Outfit, hat sich von seinem Zopf getrennt. Im Gespräch mit Klaus-Eckhard Jost blickt der 25-Jährige voraus auf eine spannende Saison unter Corona-Bedingungen.
Herr Wehrlein, wann sind Sie nach Saudi-Arabien gereist?
Wir sind am Freitag in Stuttgart mit einem Charterflieger abgeflogen. An Bord waren die Mitarbeiter aller deutschen Formel-E-Teams, also von Audi, BMW, Mercedes und Porsche. Danach waren wir bis zum ersten Test am Sonntagabend 48 Stunden im Hotel in Quarantäne. Mit dem negativen Testergebnis am Montag durften wir die Quarantäne verlassen, wurden allerdings am Donnerstag noch einmal getestet.
Was haben Sie in den drei Tagen Quarantäne gemacht?
Ich habe meine Playstation dabei. Die Quarantäne fiel aufs Wochenende, somit konnte ich mit meinen Freunden spielen. Es hätte schlimmer sein können. Zudem ist das Essen in unserem Hotel auch ganz gut.
Ihr Fahrzeug-Paket musste vor Weihnachten schon fertig sein, weil eigentlich die Saison Mitte Januar hätte starten sollen. Mussten Sie seitdem nichts mehr arbeiten?
Nein, wir haben uns sehr intensiv vorbereitet. Ich habe extrem viel Zeit im Simulator verbracht. Einen Tag waren wir mit dem Auto auch auf einer Teststrecke. Wir haben das Rennen in Santiago so vorbereitet, als ob es stattgefunden hätte. Danach ging es weiter mit der Vorbereitung auf Riad. Es ist eine Doppelveranstaltung, also hat es auch doppelte Wichtigkeit. Ich fühle mich bereit. Ich kenne das Auto wie nie zuvor.
Durften Sie so häufig von Ihrem Wohnort in der Schweiz nach Deutschland reisen? Oder haben Sie sich wieder bei Ihren Eltern in Worndorf einquartiert?
Vor jeder Abreise habe ich einen PCR-Test gemacht. Dafür bestand zwar keine Pflicht, aber porscheintern ist es vorgeschrieben, dass man, wenn man aus dem Ausland kommt, einen negativen Test benötigt.
Normalerweise steht der Kalender vor dem Start der Saison. Im Moment sind acht Formel-E-Rennen terminiert, allerdings ein Teil unter Vorbehalt. Wie gehen Sie mit dieser Situation um?
Von meinem Kopf bin ich so eingestellt, dass die Rennen stattfinden. Und bereite mich darauf vor. Ob die Rennen dann wirklich stattfinden, liegt nicht in meiner Verantwortung. Ich hoffe, dass die ganze Situation besser wird und die Rennen stattfinden werden. Hoffentlich auch irgendwann vor Zuschauern.
Möglicherweise werden wieder sechs Rennen in neun Tagen ausgetragen, wie zum Ende der vergangenen Saison.
Zum Beispiel. Eine Alternative wäre, dass wir eben auf permanenten Rennstrecken fahren. So wie dies jetzt auch mit Valencia geplant ist. Falls die Situation sich nicht verbessern sollte, ist das realistischer als direkt in einer Stadt zu sein.
Sie haben Mahindra verlassen und sind zu Porsche gewechselt, weil Ihnen die Chancen größer erschienen, irgendwann die Meisterschaft zu gewinnen. Wie unterscheiden sich die beiden Teams?
Klar gibt es Unterschiede. Ich mag es aber nicht, zwei Teams miteinander zu vergleichen. Die Leute bei Mahindra haben sich lange Zeit um mich gekümmert. Bei Porsche ist die ganze Struktur und die Infrastruktur ganz anders. Aber ich möchte nicht zu sehr ins Detail gehen.
Aus Kostengründen mussten sich die Teams bei der Entwicklung des Antriebsstrangs entscheiden, entweder für diese Saison mit einem neuen anzutreten oder erst zur nächsten. Dauersieger Techeetah vertraut zum Start auf seinen alten Antrieb. Kann dies die Rangfolge durcheinanderwirbeln?
Zuerst muss ich sagen, dass die Motoren schon extrem effizient sind. Die sind schon ganz nah an 100 Prozent. Klar gibt es immer kleine Unterschiede, aber man findet von einem Jahr aufs andere keine zehn Prozent mehr Effizienz. Ob es ein Nachteil für Techeetah ist, dass sie den nächsten Zeitslot gewählt haben, ist schwer zu sagen. Sie haben einen Zwischenschritt im April gewählt. Unter normalen Umständen hätten wir bis April die halbe Saison schon bestritten, jetzt haben wir bis dahin gerade einmal zwei Rennen gefahren. Das bedeutet, dass ihr Motor deutlich früher als geplant kommt.
Wo würden Sie nach den Testfahrten Anfang Dezember in Valencia Porsche einstufen?
Schwer zu sagen. In der Formel E ist dies ähnlich wie früher in der DTM. Man weiß vor der Saison nicht wirklich, wo man genau steht. Und die Fahrer und Autos sind so nah beieinander, dass ein, zwei Zehntel einen riesigen Unterschied machen.
Und was sind die Ziele?
Wir wollen Rennen gewinnen und um die Meisterschaft mitfahren. Mein persönliches Ziel ist, immer zu gewinnen. Dafür werde ich alles geben.
In Riad steht mit zwei Nachtrennen eine Premiere für die Formel E an. Sie haben aus der Formel 1 durch die Rennen in Singapur Erfahrung. Was macht Rennen bei Nacht zu etwas Besonderem? Oder besteht durch die Beleuchtung kein Unterschied?
Die Strecken sind wirklich sehr gut beleuchtet, trotzdem merkt man, dass es Nacht ist. Für die Konzentration ist es etwas anstrengender. Was ich sehr mag: Es kommt einem alles viel schneller vor, weil man außer den Mauern nichts anderes sieht.
Einerseits will die Formel E grün sein, dann benötigt man viel Energie für die Beleuchtung des Kurses. Ist ein Nachtrennen unter energetischen Gesichtspunkten nicht kontraproduktiv?
Es kommen besonders energiesparende Leuchten zum Einsatz und auch der Strom kommt aus erneuerbaren Energiequellen. Insofern passt die Verbindung zur Formel E. Mal sehen, wie die Lichter sind. Weil ich unsicher war, habe ich ein riesiges Repertoire an Visieren dabei.
Mit welchen Resultaten würden Sie am Ende der Saison sagen: Ich bin zufrieden.
Das kommt auch auf den Verlauf der Saison an. Wenn ich Zweiter oder Dritter in der Endabrechnung würde, ich aber die Meisterschaft hätte gewinnen können, dann wäre ich natürlich nicht zufrieden. Wenn man irgendwann merkt, dass es für die Meisterschaft nicht ganz reicht, sich dann aber mit ein paar Siegen den zweiten oder dritten Platz holen würde, dann ist das eine andere Situation. Deshalb im Vorfeld zu sagen, mit welchem Platz man zufrieden ist, hängt ganz vom Verlauf der Saison ab. Außer mit Platz eins. Da würde ich sagen: Damit bin ich immer zufrieden.