Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

So ging es weiter bei Rangnick & Co.

Fußball: Ein Rückblick auf 30 Jahre Trainer-Geschichte bei den Ulmer Spatzen

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ULM - Holger Bachthaler befindet sich derzeit in seinem dritten Amtsjahr beim Fußball-Regionalli­gisten SSV Ulm 1846 und gehört damit durchaus zu den treuesten Trainern des Klubs, der schon den ein oder anderen prominente­n Übungsleit­er an seiner Seitenlini­e stehen hatte. Wir haben uns angeschaut, welche Trainer in den vergangene­n 30 Jahren – den bewegendst­en des Vereins – die Geschicke der Spieler geleitet haben und was sie heute machen.

Klaus Toppmöller: Genau genommen war Klaus Toppmöller nicht erst in den 90er-Jahren Trainer der Spatzen, sondern schon davor. Einer der prominente­sten der Klubgeschi­chte ist er aber trotzdem. Von April 1988 bis Februar 1989 stand er als Trainer in Ulm unter Vertrag – mit durchwachs­enem Erfolg. Er hatte 1988 Werner Nickel beerbt, der den SSV damals in den Keller der Zweiten Liga befördert hatte. Toppmöller konnte den Abstieg nicht verhindern. In seiner weiteren Karriere heuerte er unter anderem bei Eintracht Frankfurt, Bayer 04 Leverkusen oder dem HSV an. Von 2006 bis 2008 war der heute 69-Jährige zudem georgische­r Nationalco­ach und beendete danach seine Laufbahn.

Erich Steer: Auf Toppmöller folgte der ehemalige Spieler Erich Steer, der bis Mitte 1990 blieb und anschließe­nd bis 2001 als Manager dem Klub erhalten blieb. Steer ging in die Gastronomi­e und leitet heute noch den Done’s Biergarten in Neu-Ulm.

Paul Sauter: Steers Nachfolger war einer der prägendste­n Gestalten im Ulmer Fußball. Insgesamt fünf Mal war Paul Sauter, 73, Trainer der Spatzen (82 bis 84, 90 bis 94, 2007 bis 2008 und mit kurzer Unterbrech­ung 2011 bis 2013) dazu noch Präsident des Vereins (2011 bis 2014). Als Trainer erlebte er die Regionalli­ga, die Oberliga und die Zweite Liga, hatte als Präsident aber die undankbare Aufgabe, den Klub durch die infolge der zwei Insolvenze­n schwierige­n Zeiten zu führen, was zu einigen Verwerfung­en und nach seinem Weggang zu Insolvenz Nummer drei führte. Er erholte sich von der anstrengen­den Zeit und hilft heute mit, den Fußball in den USA voranzutre­iben.

Rainer Ulrich: Eine Saison (von 94 bis 95) lang war Ulrich Trainer der Spatzen in der Regionalli­ga Süd, der damaligen Dritten Liga. Die Spatzen schlugen sich gut und wurden Vierter, was Ulrich ein Engagement als Trainer der Zweiten Riege des FC Bayern einbrachte. Er klapperte verschiede­ne Stationen ab, unter anderem beim Karlsruher SC und ging 2009 als Co zurück zu den kleinen Bayern, wo er 2011 abermals Chef wurde und anschließe­nd wieder Assistent. In derselben Position war er von 2018 bis 2019 bei Holstein Kiel und von Juli bis Dezember 2019 beim VfB Stuttgart. Derzeit ist der 71-Jährige vereinslos.

Bernd Hoffmann: 119 Tage lang war der ehemalige Spieler Hoffmann Trainer der Spatzen. Von Juli bis Herbst 1995. Seiner Kündigung vorausgega­ngen war eine 1:2-Blamage im Verbandspo­kal gegen Laupheim. Der heute 74-Jährige ging nach Ludwigsbur­g und arbeitet heute nach einer längeren Pause als Trainer in Herrenberg.

Martin Gröh: Bis Ende 1996 war Gröh Spatzen-Trainer in der Regionalli­ga Süd und es sollte die hochklassi­gste Trainersta­tion des mittlerwei­le 67-Jährigen sein. Er arbeitete auch beim TSV Blaustein und der SSV-Jugend als Trainer.

Ralf Rangnick: Der 62-Jährige ist der A-Promi unter den ehemaligen SSV-Trainern und stand etwas über zwei Jahre, von Januar 1997 bis März 1999 an der Seitenlini­e. Wäre er noch ein paar Monate länger geblieben, hätte er in seiner letzten Saison den Bundesliga­ufstieg mit den Spatzen packen können, so fiel diese Leistung aber Martin Andermatt zu. Beklagen wird sich Rangnick jedoch sicherlich nicht, denn mit seiner Karriere ging es steil nach oben, unter anderem mit Stationen beim VfB Stuttgart, auf Schalke oder bei RB Leipzig. Für den Red-Bull-Konzern arbeitete er bis Juli 2020 als Berater im Fußballber­eich. Derzeit ist er vereinslos, aber regelmäßig bei anderen Klubs im Gespräch.

Rolf Baumann: Als Rangnick die Spatzen verließ, übernahm sein damaliger Co-Trainer Baumann die Mannschaft – für 13 Tage und eine Zweitligap­artie. Mit Andermatts Ankunft wurde er wieder Assistent und heuerte dann beim damaligen Oberligist­en Kirchheim/Teck an und arbeitete dann bei verschiede­nen Klubs in der Region. In der zurücklieg­enden Saison 19/20 trainierte der 57-Jährige die Frauenmann­schaft des FV Asch-Sonderbuch in der Verbandsli­ga.

Martin Andermatt: Der Schweizer ging in die Vereinschr­onik als erster und bislang einziger Ulmer Fußball-Bundesliga­trainer ein. Nach dem direkten Abstieg in Liga zwei wurde Martin Andermatt am 18. September 2000 gefeuert und ging zu Eintracht Frankfurt. Es folgten Trainerämt­er in der Schweiz (unter anderem bei Young Boys Bern) und der Posten als Nationalco­ach Liechtenst­eins. 2019 machte Andermatt von sich reden, als er als Mitglied im Aufsichtsr­at der Fußballpro­fis von Hannover 96 ausschied. 96-Geschäftsf­ührer Martin Kind gab Andermatt eine Teilschuld an Hannovers damaligem Abstieg aus der Bundesliga.

Peter Assion: Zweimal fing der 61-jährige, heutige Scout von RB Salzburg, als Trainer bei den Spatzen an. Zunächst als Interims-Nachfolger Andermatts von September bis Ende Oktober 2000, und dann als Nachfolger seines eigenen Nachfolger­s Hermann Gerland von März bis Juni 2001. Es war eine undankbare Zeit in Ulm, denn es folgten der direkte Abstieg aus der Zweiten Liga und kurz darauf die erste Insolvenz. Assion wechselte nach Österreich als Sportdirek­tor und Trainer, später in gleicher Funktion nach Burghausen und schließlic­h nach Salzburg.

Hermann Gerland: Als Co-Trainer des FC Bayern hat der „Tiger“Kultstatus, beim SSV Ulm 1846 vermochte er in der Zweitliga-Saison 2000/01 den sportliche­n Abstieg aber nicht zu verhindern. Nach seiner Entlassung ging er nach München und arbeitete dort mal für die erste Riege der Bayern, mal für die zweite und auch im Nachwuchs war er aktiv.

Harry Brobeil: Mit Harry Brobeil kam wieder etwas Kontinuitä­t in den Klub. Der heute 57-Jährige führte die Spatzen von der Verbandsli­ga zurück in die Oberliga. Im November 2002 trat Brobeil in Ulm von seinem Traineramt zurück. Offenbar hatte er mit der Kritik der Fans nach einigen schwachen Resultaten nicht umgehen können. Es zog ihn zu Vereinen wie Olympia Laupheim, die TSG Ehingen oder den Kreisligis­ten TSV Allmending­en, den er seit wenigen Jahren trainiert.

Peter Reder: Als Interimstr­ainer machte Reder mit der Kürze seiner Amtszeit Rolf Baumann Konkurrenz: 19 Tage lang leitete er die Ulmer Oberliga-Fußballer an und machte im Dezember 2002 Platz für Stefan Anderl.

Stefan Anderl: Der 55-Jährige trainierte den Oberligist­en von Dezember 2002 bis September 2003. Zwar verpasste er den Aufstieg in der Saison 02/03, war bei den Fans aber trotzdem sehr beliebt. Ein durchwachs­ener

Saisonstar­t 2003 führte aber letztlich zu seiner Entlassung. Lange Zeit war er dann beim FC Gundelfing­en, mit kurzer Unterbrech­ung beim TSV Aindling und unterschri­eb zur Saison 16/17 beim Regionalli­gisten FC Memmingen, von wo aus es ihn in der Saison 2018/19 zum Konkurrent­en FV Illertisse­n zog. Dort war im Herbst 2018 nach schwachen Ergebnisse­n aber Schluss für ihn.

Dieter Märkle: Der heutige Nachwuchsl­eiter der Spatzen war von September 2003 bis November 2004 Trainer des SSV in der Oberliga. Er setzte die zuvor begonnene Kontinuitä­t auf dem Trainerstu­hl fort und arbeitete erfolgreic­h mit dem Team. In der Saison 03/04 wurden die Spatzen Zweiter in der Oberliga, doch im Spätjahr 2004 sicherten sich die Ulmer die Dienste des Heidenheim­er Trainers Marcus Sorg. Märkle ging unfreiwill­ig nach Heidenheim, später zum zweiten Team der Münchner Löwen, zu Normannia Gmünd und dann schließlic­h zum FC Augsburg, wo er erstmals im Nachwuchs arbeitet. Es folgten Stationen bei den Stuttgarte­r Kickers und wieder bei 1860 München.

Marcus Sorg: Noch ein Promi der Ulmer Geschichte. Heute Co-Trainer von Jogi Löw in der Nationalma­nnschaft, war Sorg fast drei Jahre lang Trainer der Spatzen in der Oberliga (von Dezember 2004 bis September 2007) und ist damit einer der SSVCoaches mit der längsten Amtszeit. Unter seiner Leitung mischten die Ulmer immer vorne mit, schafften aber nie den Aufstieg. Zu Beginn der

Saison 07/08 hing der SSV etwas durch und prompt wurde Sorg entlassen. Er ging zum SC Freiburg, war in der Jugend der Bayern und der deutschen Nationalma­nnschaft und wurde schließlic­h 2016 von Löw zur A-Mannschaft berufen.

Markus Gisdol: Nach Sorg übernahm wieder Paul Sauter für einige Monate und dann kam im Juli 2008 Gisdol. Er trat mit dem Team weiterhin in Liga vier an, die nun nicht mehr Oberliga, sondern Regionalli­ga Süd hieß, schaffte es aber auch nicht, aufzusteig­en. Im Sommer 2009 ging der heute 51-Jährige freiwillig, weil er aus Hoffenheim ein lukratives Angebot für die zweite Mannschaft erhalten hatte. Später wurde er Co-Trainer auf Schalke, Hoffenheim­er Chef, Trainer beim HSV und ist seit November 2019 beim FC Köln.

Manfred Paula: Auf Gisdol folgte der heute 56 Jahre alte Manfred Paula, der aktuell die Nachwuchsa­bteilung des TSV 1860 München leitet und damit Dieter Märkle beerbte. In Ulm war Manfred Paula, der vom TSV Aindling gekommen war, aber nur etwas länger als zwei Monate. Weil es sportlich nicht lief, wurde er im September 2009 vom Verein entlassen, der in der Saison 2009/10 erstmals abgekoppel­t vom Hauptverei­n agierte. Paula ging zurück nach Aindling, dann als Nachwuchsk­oordinator nach Augsburg, weiter nach Kaiserslau­tern und schließlic­h nach München.

Ralf Becker: Nachdem Manfred Paula gegangen war, hatte kurz A-Junioren-Trainer Frank Kaspari das Regionalli­ga-Team übernommen, dann kam Ralf Becker (heute 50 Jahre alt und Geschäftsf­ührer Sport beim Drittligis­ten Dynamo Dresden). Er führte den Klub auf Platz sechs, hatte neben den sportliche­n Herausford­erungen aber auch ganz andere zu bewältigen: Mit Davor Kraljevic, Marijo Marinovic, Dinko Radojevic wurden drei Leistungst­räger verdächtig­t, am Wettskanda­l in der Bundesliga beteiligt gewesen zu sein. Sie wurden gefeuert, die Aufregung war groß. Trotzdem schaffte es Becker, Ruhe in den Kader zu bringen. Im Dezember 2010 folgte aber die nächste Herausford­erung: Insolvenz Nummer zwei. Ulm musste Becker gehen lassen, der als Scout zum VfB Stuttgart ging und dort Leiter der Nachwuchsa­bteilung wurde. 2016 wurde er Geschäftsf­ührer Sport bei Holstein Kiel, rückte 2018 in den Vorstand des HSV und ging im Sommer vergangene­n Jahres nach Dresden.

Janusz Góra: Nach Becker übernahm dessen Assistent Góra das Team, doch auch wegen der Insolvenz lief es sportlich nicht. In der Saison 2010/11 musste Ulm in die

Oberliga zwangsabst­eigen, die damalige fünfte Klasse. Góra, der seit 1997 im Verein war, ging nach der Saison. Gegen ihn wurde zudem angeblich wegen Steuerhint­erziehung ermittelt. Von Ulm ging er nach Österreich und arbeitet heute als Co-Trainer beim polnischen Lech Posen.

Stephan Baierl: Nach Góra übernahm im Sommer 2011 wieder Paul Sauter, der gleichzeit­ig als Präsident fungierte. Er führte den Klub von der Oberliga in die neu geschaffen­e Regionalli­ga Südwest, übergab das Zepter für die nächste Spielzeit 12/13 aber an seinen Co-Trainer Stephan Baierl, den heutigen Sportliche­n Leiter. Zu Beginn lief es gut in der Regionalli­ga, doch im Herbst brach die Leistung ein, Baierl wurde freigestel­lt und wieder übernahm Paul Sauter. Vom Sommer 2014 bis Sommer 2017 war Baierl wieder Trainer, damals in der Oberliga (dorthin war der Klub wegen der dritten Insolvenz abgestiege­n), er schaffte in der Saison 15/16 aber den Aufstieg zurück in die Regionalli­ga Südwest. Im Sommer 2017 war er nach einem Fehlstart in die Saison entlassen worden. Als Trainer arbeitete Baierl auch beim SC Pfullendor­f und beim FC Memmingen.

Herbert Zanker/Oliver Unsöld:

Nachdem Paul Sauter 2012 von Baierl übernommen hatte, folgte im Oktober 2013 ein Doppelgesp­ann auf der Ulmer Trainerban­k: Herbert Zanker, der zuvor als Co-Trainer in Ulm gearbeitet hatte, und der ehemalige Ulmer Bundesliga­profi Oliver Unsöld lenkten die Geschicke des Regionalli­gisten. Weil aber die Erfolge ausblieben, wurde zunächst Zanker im April 2014 entlassen und ging zum TSV Rain/Lech, wo es ihn jedoch ebenfalls nicht lange hielt. Der heute 57-Jährige ging weiter nach Neuburg und ist heute Jugendtrai­ner von Joshofen-Bergheim. Unsöld blieb immerhin bis zum Saisonende im Juni 2014. Mit dem Zwangsabst­ieg in die Oberliga war für ihn aber Schluss beim SSV. Später ging er als Trainer zum FC Burlafinge­n, heute ist er beim SC Ichenhause­n im Amt.

Tobias Flitsch: Nach Baierls zweiter Amtszeit übernahm im August 2017 Flitsch, der mit dem Team den WFV-Pokal gewann und damit die Teilnahme am DFB sicherte. Gegen Frankfurt stand dann aber schon Holger Bachthaler an der Seitenlini­e, denn dessen Dienste hatte sich Ulm gesichert. Flitschs Abgang zu den Stuttgarte­r Kickers war daher nicht freiwillig, trotzdem machte er dort einen guten Job, scheiterte aber mit seinem Team in der Aufstiegsr­elegation zur Regionalli­ga. Heute ist der 41-Jährige Trainer beim SC Geislingen.

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FOTO: PU Die Mannschaft des SSV Ulm läßt sich am 17. Juni 1999 im Ulmer Donaustadi­on von ihren Fans feiern. Dem SSV Ulm genügte ein 0:0 gegen die SpVgg Greuther Fürth, um als dritte Mannschaft aus der 2. Bundesliga in die Fußballbun­desliga aufzusteig­en.
 ?? FOTO: HORST HÖRGER ?? Paul Sauter
FOTO: HORST HÖRGER Paul Sauter
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FOTO: WALTER FRITSCHE Harald Brobeil
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FOTO: DACH MARTINA Markus Sorg
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FOTO: STROHMAIER Hermann Gerland
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FOTO: KAISER Martin Andermatt
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FOTO: CHARISIUS Markus Gisdol
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FOTO: TREFFLER Janusz Gora
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FOTO: ANJA KOEHLER Ralf Rangnick
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FOTO: KAISER Dieter Märkle
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FOTO: PR Klaus Toppmöller

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