Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Dicke Probleme
Der Schweinepreis steigt wieder – Doch der Markt ist für viele Bauern zu unsicher
STUTTGART - Seit Monaten schimpfen Bauern über zu niedrige Preise beim Schweinefleisch. Die Politik will helfen. Doch das ist nicht ganz einfach. Baden-Württembergs Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) und Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) haben deshalb am Freitag mit führenden Unternehmen des süddeutschen Lebensmitteleinzelhandels gesprochen. Das Dilemma: Die Tierwohlanforderungen steigen stetig, der Marktpreis für Fleisch aber schwankt. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Was ist das Problem?
Für Schweinebauern kam zuletzt einiges zusammen. Zahlreiche gesetzliche Verschärfungen auf EU- und Bundesebene zwingen die Landwirte immer wieder zu Investitionen. Das treibt die Kosten in die Höhe. Und während die Anforderungen an die Bauern steigen, führt ein extrem schwankender Marktpreis für Schlachtschweine zu maximaler Unsicherheit. Momentan ist der Preis wegen der Corona-Pandemie und des Ausbruchs der Afrikanischen Schweinepest im Keller: Pro Kilogramm von einem Mastschwein bekommt ein Bauer gerade mal noch 1,30 Euro. Vor einigen Wochen lag der Preis sogar noch tiefer. Damit sich auch die Arbeit der Ferkelerzeuger rechnet, müsste ein Schlachtschwein mindestens 1,80 Euro pro Kilo kosten, heißt es vom Bauernverband.
Schweinebauer zu sein lohnt sich also derzeit schlicht nicht. Und selbst wenn die Talsohle in der aktuellen Krise durchschritten scheint, führt die wirtschaftliche Unkalkulierbarkeit zu einem beachtlichen Schwund an Schweinehöfen. Zwischen 2010 und 2020 sank die Zahl der Betriebe in BadenWürttemberg nach Zahlen des Statistischen Landesamts um mehr als die Hälfte auf nur noch knapp 4000. Ähnlich sieht die Entwicklung in Bayern aus.
Der Discounter Lidl hatte im Dezember nach Protestaktionen von Landwirten einen Preisaufschlag für Fleischprodukte aus deutscher Produktion eingeführt. Doch die Aktion scheiterte. Ein Euro pro Kilogramm zusätzlich war den Verbrauchern offenbar zu teuer. Lidl stellte die Aktion nach nicht einmal zwei Monaten wieder ein.
Was hat das Gespräch gebracht?
Vor allem Absichtserklärungen.
Hauk und Kaniber zeigten sich erfreut, dass „alle nennenswerten Player“des Lebensmitteleinzelhandels am Gespräch teilgenommen hätten. Die Einzelhändler sicherten dabei laut der beiden Minister zu, mit Erzeugern und Verarbeitern der Wertschöpfungskette Fleisch in grundlegende Gespräche zu treten, um eine generelle Ausrichtung für die Zukunft zu besprechen.
Die Politik selbst könne nichts an der Preisfestsetzung machen, sagte Hauk. Er sei trotzdem zuversichtlich. Der Lebensmitteleinzelhandel habe mit „verhältnismäßig offenen Karten“gespielt und sei sehr konstruktiv gewesen. Hauk forderte von der Bundesregierung erneut, ein Verbot für Werbung mit Dumpingpreisen im Zusammenhang mit Fleisch und Fleischprodukten auszusprechen.
Seine bayrische Amtskollegin Michaela Kaniber sprach von einem Schulterschluss. „Die Zeit, mit dem Finger auf andere zu zeigen, ist vorbei. Jeder in der Wertschöpfungskette muss jetzt seine Hausaufgaben machen.“
Was sagen die Landwirte?
„Wir sind bereit, die höheren Tierwohlanforderung mitzutragen“, sagt Marco Eberle, Hauptgeschäftsführer des Landesbauernverbands BadenWürttemberg. „Aber wenn auf der anderen Seite die Finanzierung nicht gewährleistet ist, können wir diese Investitionen einfach nicht leisten. Diese Zwickmühle muss auch der Handel erkennen und Stabilität und Planungssicherheit reinbringen.“Man sei jedoch bereits mit dem Einzelhandel im Gespräch. Einige Händler bieten demnach bereits garantierte Erzeuger-Festpreise über einzelne Regional-Programme.
Ganz aus der Pflicht nehmen will Eberle die Politik jedoch auch nicht. Er fordert, dass der sogenannte Borchert-Plan schnellstmöglich und langfristig umgesetzt wird. Dieser sieht vor, dass bei Lebensmitteln tierischen Ursprungs eine Abgabe erhoben wird, die vom Staat eingesammelt und an jene Landwirte ausgegeben wird, die erhöhte Tierwohlstandards umsetzen. „Das ist für uns ein erfolgsversprechender Gedanke“, sagt Eberle. Aktuell wird dazu eine Machbarkeitsstudie erstellt.
Wie soll es weitergehen?
Südwest-Agrarminister Hauk setzt viel Hoffnung in seine Bundesratsinitiative. Damit soll die Bildung von Branchenverbänden ermöglicht werden, die dann für ihre zugehörigen Erzeugerorganisationen und deren angeschlossene Landwirte verbindliche Mindestpreise pro Kilogramm Schlachtgewicht für Fleisch festsetzen können. Von seiner bayrischen Kollegin erhielt Hauk dafür Zustimmung. Doch ob es im Bundesrat die notwendige Mehrheit gibt, ist noch offen. Und auch Eberle vom Landesbauernverband ist skeptisch. „Viele Experten sehen da noch viele Fragezeichen“, sagt er. „Wie kriegt man es hin, dass sich alle Branchenbeteiligten daran halten? Und sind wir überhaupt noch konkurrenzfähig, wenn wir einen solchen Mindestpreis festlegen? Das sind Fragen, die man mitbeantworten muss.“Am Freitag soll im Bundesrat entschieden werden, ob der Vorschlag beim Bundestag eingebracht wird.