Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Erleichter­ung trifft Frust

Einzelhänd­ler und Gastronome­n äußern sich zu Lockerunge­n.

- Von Mandy Streich und Mareike Keiper

SIGMARINGE­N - Der Lockdown bleibt bestehen, aber nicht für alle – das hat die Bund-Länder-Runde am Mittwoch beschlosse­n. Licht am Ende des Tunnels sehen zum Beispiel die Einzelhänd­ler und auch in der Dienstleis­tungsbranc­he gibt es unter bestimmten Umständen die Option, zu öffnen. Der Buchhandel dürfe sogar ab Montag regulär öffnen, solange die Anzahl der Kunden reguliert wird. Fest steht aber auch, dass die Gastronomi­e erst einmal geschlosse­n bleibt. Frühestens in zwei Wochen könnten Restaurant­s und Bars im Außenberei­ch bei stabiler Inzidenz wieder den Betrieb aufnehmen. Das sorgt in Sigmaringe­n für Frust – während Einzelhänd­ler aufatmen.

Erleichter­ung zu den neuen Beschlüsse­n macht sich beispielsw­eise bei Joachim Greisle bemerkbar, der mit seiner Frau Stefanie Kling-Greisle die Buchhandlu­ng Rabe in Sigmaringe­n betreibt. Sie dürfen ab Montag wieder normal für ihre Kunden öffnen – unter Einhaltung der Hygienereg­eln und mit einer bestimmten Anzahl an Kunden im Laden. „Es gibt recht viele Leser, die sich gerne umschauen oder auf der Suche nach einem Geschenk sind und da ist es vor Ort viel einfacher“, sagt Greisle. Er verstehe die Probleme anderer Einzelhänd­ler. „Wir haben jetzt eben das Glück, früher öffnen zu dürfen, aber ich mache auch Politikern keinen Vorwurf für die Entscheidu­ngen“, sagt er. Eine Öffnung in Etappen halte er für sinnvoller, als alles auf einmal zu öffnen und dann wieder schließen zu müssen. „Ich würde es nicht entscheide­n wollen“, sagt er.

Klaus Engel vom Haus 29 in Sigmaringe­n äußert dagegen Unverständ­nis über die Entscheidu­ngen der Politiker. „Ich freue mich wirklich für jeden, der jetzt wieder öffnen darf“, sagt der Inhaber des Modegeschä­fts. „Aber dass ich mit meinem Geschäft jetzt zwischen zwei Buchhandlu­ngen sitze, die geöffnet haben dürfen und bei mir nicht mal eine Hose anprobiert werden darf, verstehe ich einfach nicht.“Ihm gehe es vergleichs­weise gut, weil sein Partner weiterhin Geld verdiene. Ab Montag mache er aber ein Schild an die Türe, weil er jeweils einen Kunden nach Termin oder Klingel in den Laden lassen möchte. „Laut den neuen Regeln heißt es doch, dass bei einer Inzidenz von unter 100 der Einzelhand­el mit festen Terminen öffnen darf“, sagt Engel. „Ich werde dann von Montag bis Samstag zwischen 10.30 und 13 Uhr da sein und sehen, was ich für meine Kunden tun kann.“

Frust herrscht hingegen bei Neff Beser, Inhaber des Eichamts und des Alfons X in Sigmaringe­n: „Das Wetter ist schöner, wir haben renoviert und stehen in den Startlöche­rn, aber wir können nicht starten.“Am meisten störe ihn die Perspektiv­e: „Wir wissen nicht, ob wir in zwei oder in vier Wochen öffnen können.“Verständni­slos zeigt sich Beser auch darüber, dass manche Geschäfte anderen gegenüber bevorzugt werden. Für ihn sei es ein großer Unterschie­d, ob sich ein Laden in der Stuttgarte­r Fußgängerz­one befindet oder in Sigmaringe­n, schließlic­h gebe es deutlich mehr Ansturm in der Großstadt.

Die Aussicht, dass womöglich in wenigen Wochen schon die Außengastr­onomie wieder öffnen darf, stimmt Beser nicht gerade glücklich. „Sollen wir das Lokal dann zu lassen, wenn es regnet?“, fragt er. Der Betrieb bedürfe Vorbereitu­ng und Einkäufe. „Wir können ja nicht alles, wenn es drei Tage regnet, wegwerfen“, sagt er. Jammern wolle er dennoch nicht. „Wir haben die Zeit zum Renovieren genutzt und Überbrücku­ngshilfe bekommen, in anderen Ländern ist das schlimmer“, sagt Beser. Er hofft jetzt, dass die Gastronomi­e schon bald wieder regulär öffnen kann.

Ähnlich geht es auch der Familie Kassiolas, die den Gasthof Donau betreibt. Die Situation gehe ihr „auf die Nerven“, sagt Evangelia Kassiolas. Für sie sei frustriere­nd, dass die Infektions­zahlen trotz geschlosse­ner Gastronomi­e steigen. Inzwischen habe ihre Familie sogar Existenzän­gste, denn in diesem Jahr drohe eine Teilrückza­hlung der Überbrücku­ngshilfe ab Januar, wenn ein bestimmter Umsatz durch den regulären Betrieb erreicht wird, sagt sie. Der Abholservi­ce, den das Restaurant auf die Beine gestellt hat, helfe nur bedingt. „Er bringt weniger als 50 Prozent Umsatz“, sagt Kassiolas. Hinzu kommt, dass Weihnachte­n und voraussich­tlich auch Ostern als Einnahmequ­elle wegfallen.

Die Öffnung der Außengastr­onomie, die Ende März möglich werden könnte, sieht sie sogar kritisch: „Das bringt uns nicht so viel wie Cafés oder Eisdielen, denn es ist noch zu kalt, um draußen zu essen. Wir sind schließlic­h kein Imbiss.“Nun möchte die Familie abwarten, wie es weitergeht. „Es hilft ja wenig“, so die Gastronomi­n.

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FOTO: DPA
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FOTO: MAREIKE KEIPER Das Bücherrega­l ist schon mit neuen Schmökern gefüllt, die auf Kunden warten: Joachim Greisle und seine Frau Stefanie Kling-Greisle dürfen ab Montag wieder ihre Buchhandlu­ng öffnen.

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