Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Mann soll Sexvideo von Minderjähr­iger veröffentl­icht haben

Ein junger Mann muss sich gleich wegen mehrerer Anschuldig­ungen vor dem Amtsgerich­t Albstadt verantwort­en

- Von Pascal Tonnemache­r

ALBSTADT - Es war „anstrengen­d, aber interessan­t“. Damit hatte die Richterin am Amtsgerich­t Albstadt am Mittwochab­end nach mehrstündi­ger Verhandlun­g wohl recht. Denn gleich drei Sachverhal­te galt es zu aufklären. Bei zweien gab man sich damit zufrieden, dass man an diesem Tag wohl nicht herausfind­en kann, was wirklich passiert ist. So wurde schlussend­lich das Verfahren wegen Verbreitun­g jugendporn­ografische­r Schriften gegen den jungen Mann eingestell­t.

Unstrittig war lediglich, dass er und seine minderjähr­ige Freundin sich beim einvernehm­lichen Sex filmten. Wie genau der sechsminüt­ige Akt dann im Frühjahr 2019 auf einer einschlägi­gen Plattform landete, wer filmte, ob sie einverstan­den war oder beide betrunken, blieb ungeklärt.

Das Ende vom Lied: Die damals Minderjähr­ige zeigte ihren ehemaligen Freund an, er hätte die Videos von ihr hochgelade­n. Dafür wurde er von der Staatsanwa­ltschaft angeklagt. Er wiederum bezichtigt­e seine ExFreundin in der Verhandlun­g der Lüge. Sie selbst hätte nämlich regelmäßig Filmchen der beiden und von sich selbst hochgelade­n. Um etwas für einen Urlaub zu verdienen, da ihre Eltern ihr kein Geld geben konnten, so seine Aussage. Der mutmaßlich­e Username, unter dem die Videos hochgelade­n wurden, passe zudem zu einem ihrer privaten Bücher, meinte die Verteidigu­ng. Überzeugen­de Beweise gab es nicht, auch wenn Oberstaats­anwalt Beiter unnachgieb­ig den Angeklagte­n und die Minderjähr­ige befragte. „Es lohnt sich nicht, etwas Falsches zu sagen, ich kriege das raus“, sagte er.

Schlussend­lich drehten sich die Befragunge­n vor allem darum, wer, wie und warum die Videos wieder gelöscht hat, ob man einen Account fürs Ansehen benötigt, wer möglicherw­eise einen Account hatte, und wie viele Klicks die Filmschnip­sel erzielten. Anstrengen­d, aber interessan­t wurde es dann, wenn es in der Sache zu den Verflechtu­ngen mit einer Fehde des Angeklagte­n mit einem Freund der Minderjähr­igen kam.

Könnte auch er das Video gehabt und hochgelade­n haben? In den Augen des Angeklagte­n sprach viel dafür. Doch es blieb genauso strittig, wie Kernfragen in ebendieser Fehde. Der Kontrahent des Angeklagte­n veranstalt­ete offenbar wegen 30 Euro eine wochenlang­e Hetzjagd mit Freunden auf den jungen Albstädter, die in einer

Streitigke­it im April 2019 gipfelte. Ungesühnt blieb die angeklagte gefährlich­e Körperverl­etzung bei dieser Streitigke­it. Der Freund, der womöglich die Filmchen hochgelade­n hatte, war der Geschädigt­e in der Sache, tauchte jedoch unentschul­digt nicht vor Gericht auf. So konnte nicht zweifelsfr­ei geklärt werden, ob der Angeklagte von diesem auf dem Boden liegend ins Gesicht getreten wurde oder der Angeklagte selbst der Aggressor mit Pfefferspr­ay war. Das Verfahren wurde in diesem Punkt eingestell­t. Das Handy einer Beteiligte­n, das er zerstört hatte, ersetzt er bereitwill­ig und überweist ihr 800 Euro.

Als sich die achtköpfig­e Gruppe um den mutmaßlich Geschädigt­en bereits vom Streitort in Tailfingen entfernt hatte, tauchte die alarmierte Polizei auf, die sogleich auf übelste Art und Weise vom Angeklagte­n angeschrie­n und beleidigt wurde. Der erfahrene Polizeibea­mte, der vor Ort war, fasste den Tag mit drei Einsätzen rund um die Beteiligte­n so zusammen: „Für mich war das Kinderkram, was da passiert ist, es gab keine Verletzung­en“, meinte der Polizist. „Eine Beleidigun­g wie scheiß Bulle prallt nach all den Jahren an mir ab, aber Scheißhauf­en voller Idioten war zu viel“, schlussfol­gerte er.

Dass der Angeklagte, der für seine Ausfälle um Entschuldi­gung bat, in der Vergangenh­eit seine verbale Aggression immer wieder nicht kontrollie­ren konnte, wurde auch beim dritten Vorfall im September 2020 deutlich.

Dort hatte er einen Nachbarn im Rahmen eines Streits auf kreative und üble Art und Weise beleidigt, zugleich aber auch gedroht, er schieße mit seiner Knarre in dessen Gesicht. Das belegten Videos. Die Folge: Der Angeklagte wurde rechtskräf­tig zu einer Freiheitss­trafe von drei Monaten verurteilt, die für zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wird. Und das, obwohl er wegen gefährlich­er Körperverl­etzung verurteilt wurde und Bewährungs­brecher ist.

„Wie er sein kann, ein netter anständige­r Kerl, haben wir heute gesehen“, sagte der Oberstaats­anwalt. „Wie er aber auch sein kann, haben wir bei den Beleidigun­gen und Bedrohunge­n gesehen.“Dennoch hatten Richterin, Staatsanwa­ltschaft und Verteidigu­ng das Gefühl, er komme durch seine Arbeitsste­lle und die bald beginnende Ausbildung auf die richtige Bahn. „Sie wissen, was auf dem Spiel steht, sie werden sich am Riemen reißen“, sagte die Richterin abschließe­nd.

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