Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Mann soll Sexvideo von Minderjähriger veröffentlicht haben
Ein junger Mann muss sich gleich wegen mehrerer Anschuldigungen vor dem Amtsgericht Albstadt verantworten
ALBSTADT - Es war „anstrengend, aber interessant“. Damit hatte die Richterin am Amtsgericht Albstadt am Mittwochabend nach mehrstündiger Verhandlung wohl recht. Denn gleich drei Sachverhalte galt es zu aufklären. Bei zweien gab man sich damit zufrieden, dass man an diesem Tag wohl nicht herausfinden kann, was wirklich passiert ist. So wurde schlussendlich das Verfahren wegen Verbreitung jugendpornografischer Schriften gegen den jungen Mann eingestellt.
Unstrittig war lediglich, dass er und seine minderjährige Freundin sich beim einvernehmlichen Sex filmten. Wie genau der sechsminütige Akt dann im Frühjahr 2019 auf einer einschlägigen Plattform landete, wer filmte, ob sie einverstanden war oder beide betrunken, blieb ungeklärt.
Das Ende vom Lied: Die damals Minderjährige zeigte ihren ehemaligen Freund an, er hätte die Videos von ihr hochgeladen. Dafür wurde er von der Staatsanwaltschaft angeklagt. Er wiederum bezichtigte seine ExFreundin in der Verhandlung der Lüge. Sie selbst hätte nämlich regelmäßig Filmchen der beiden und von sich selbst hochgeladen. Um etwas für einen Urlaub zu verdienen, da ihre Eltern ihr kein Geld geben konnten, so seine Aussage. Der mutmaßliche Username, unter dem die Videos hochgeladen wurden, passe zudem zu einem ihrer privaten Bücher, meinte die Verteidigung. Überzeugende Beweise gab es nicht, auch wenn Oberstaatsanwalt Beiter unnachgiebig den Angeklagten und die Minderjährige befragte. „Es lohnt sich nicht, etwas Falsches zu sagen, ich kriege das raus“, sagte er.
Schlussendlich drehten sich die Befragungen vor allem darum, wer, wie und warum die Videos wieder gelöscht hat, ob man einen Account fürs Ansehen benötigt, wer möglicherweise einen Account hatte, und wie viele Klicks die Filmschnipsel erzielten. Anstrengend, aber interessant wurde es dann, wenn es in der Sache zu den Verflechtungen mit einer Fehde des Angeklagten mit einem Freund der Minderjährigen kam.
Könnte auch er das Video gehabt und hochgeladen haben? In den Augen des Angeklagten sprach viel dafür. Doch es blieb genauso strittig, wie Kernfragen in ebendieser Fehde. Der Kontrahent des Angeklagten veranstaltete offenbar wegen 30 Euro eine wochenlange Hetzjagd mit Freunden auf den jungen Albstädter, die in einer
Streitigkeit im April 2019 gipfelte. Ungesühnt blieb die angeklagte gefährliche Körperverletzung bei dieser Streitigkeit. Der Freund, der womöglich die Filmchen hochgeladen hatte, war der Geschädigte in der Sache, tauchte jedoch unentschuldigt nicht vor Gericht auf. So konnte nicht zweifelsfrei geklärt werden, ob der Angeklagte von diesem auf dem Boden liegend ins Gesicht getreten wurde oder der Angeklagte selbst der Aggressor mit Pfefferspray war. Das Verfahren wurde in diesem Punkt eingestellt. Das Handy einer Beteiligten, das er zerstört hatte, ersetzt er bereitwillig und überweist ihr 800 Euro.
Als sich die achtköpfige Gruppe um den mutmaßlich Geschädigten bereits vom Streitort in Tailfingen entfernt hatte, tauchte die alarmierte Polizei auf, die sogleich auf übelste Art und Weise vom Angeklagten angeschrien und beleidigt wurde. Der erfahrene Polizeibeamte, der vor Ort war, fasste den Tag mit drei Einsätzen rund um die Beteiligten so zusammen: „Für mich war das Kinderkram, was da passiert ist, es gab keine Verletzungen“, meinte der Polizist. „Eine Beleidigung wie scheiß Bulle prallt nach all den Jahren an mir ab, aber Scheißhaufen voller Idioten war zu viel“, schlussfolgerte er.
Dass der Angeklagte, der für seine Ausfälle um Entschuldigung bat, in der Vergangenheit seine verbale Aggression immer wieder nicht kontrollieren konnte, wurde auch beim dritten Vorfall im September 2020 deutlich.
Dort hatte er einen Nachbarn im Rahmen eines Streits auf kreative und üble Art und Weise beleidigt, zugleich aber auch gedroht, er schieße mit seiner Knarre in dessen Gesicht. Das belegten Videos. Die Folge: Der Angeklagte wurde rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt, die für zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wird. Und das, obwohl er wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt wurde und Bewährungsbrecher ist.
„Wie er sein kann, ein netter anständiger Kerl, haben wir heute gesehen“, sagte der Oberstaatsanwalt. „Wie er aber auch sein kann, haben wir bei den Beleidigungen und Bedrohungen gesehen.“Dennoch hatten Richterin, Staatsanwaltschaft und Verteidigung das Gefühl, er komme durch seine Arbeitsstelle und die bald beginnende Ausbildung auf die richtige Bahn. „Sie wissen, was auf dem Spiel steht, sie werden sich am Riemen reißen“, sagte die Richterin abschließend.