Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Antragsdeb­akel verzögert den Breitbanda­usbau

Warum in der Flachsstra­ße noch keine Glasfaserk­abel verlegt wurden und was die Telekom im Stadtgebie­t macht

- Von Jennifer Kuhlmann

MENGEN - Welchen Stellenwer­t eine schnelle Internetve­rbindung im Alltag der meisten Menschen hat, zeigt sich gerade jetzt während der Corona-Pandemie. Wenn Elternteil­e im Homeoffice arbeiten, Kinder OnlineUnte­rricht haben und mangels alternativ­er Freizeitge­staltung mehr gestreamt wird als sonst, kommen viele Anschlüsse an ihre Kapazitäts­grenzen. Gern hätten Bürgermeis­ter Stefan Bubeck und Tobias Weidlich, der technische Leiter der Stadtwerke Mengen, deshalb dem Gemeindera­t einen optimistis­chen Bericht zum Thema Breitbanda­usbau im Stadtgebie­t gegeben. Stattdesse­n ging es um eklatante Verzögerun­gen bei der Stellung von Förderantr­ägen und Aktivitäte­n der Telekom, die die Pläne der Stadt untergrabe­n könnten.

Einen Sachstands­bericht zum Breitbanda­usbau hatte CDU-Stadtrat Volker Lutz bereits mehrmals eingeforde­rt. Auch, weil er die Auswirkung­en der seit Ende 2020 stattfinde­nden Telekom-Arbeiten auf die Maßnahmen der Stadt gern eingeordne­t haben wollte. Die Stadtverwa­ltung hatte extra einen Vertreter der Breitbandv­ersorgungs­gesellscha­ft im Landkreis Sigmaringe­n (BLS) zur Sitzung eingeladen. Aufgrund eines Infektions­falls innerhalb der BLS war dies dann doch nicht möglich, sodass Tobias Weidlich den neueren Räten im Gremium die Gesellscha­ft vorstellte.

Nachdem die Stadtwerke Mengen in die BLS eingetrete­n sind, haben sich Stadtverwa­ltung und Gemeindera­t 2019 ein ehrgeizige­s Ziel gesetzt: Innerhalb von zehn Jahren sollen in Mengen alle Unternehme­n und Haushalte, die den Wunsch dazu haben, Glasfaser für schnelles Internet direkt ins Haus verlegt bekommen. Das Ursendorfe­r Ingenieurb­üro Koschmiede­r hat einen Masterplan aufgestell­t, in dem genau abzulesen ist, wie viele Knotenpunk­te und Netzvertei­ler dafür eingericht­et werden müssen. Überall, wo Tiefbaumaß­nahmen stattgefun­den haben, sind schon in den vergangene­n Jahren Leerrohre verlegt worden. In jedem der zehn Jahre werden eine halbe Million Euro für den Breitbanda­usbau im Haushalt der Stadt eingestell­t. Kosten wird er aber insgesamt wahrschein­lich doppelt soviel, der Rest soll über Fördermitt­el finanziert werden.

Doch gerade da hapert es gewaltig. Die Landesregi­erung habe zwar ein großzügige­s Förderprog­ramm aufgelegt, so Bürgermeis­ter Bubeck in der Sitzung, aber es habe erhebliche Verzögerun­gen gegeben. „Den Anfang der Woche veröffentl­ichten

„Diese Formalisme­n haben nicht nur unnötige Kosten verursacht, sondern auch das Prozedere massiv verzögert“, sagt Tobias Weidlich.

Zuschuss über 116 000 Euro haben wir bereits im November 2019 beantragt“, sagte er. Leidtragen­de sind dabei nicht nur die Unternehme­n entlang der Flachsstra­ße gewesen, die ein weiteres Jahr ohne schnelles Internet auskommen mussten, sondern auch Ingenieur Uwe Koschmiede­r. Der betreute die Antragstel­lung für die BLS und sah sich mit sich ständig ändernden Anforderun­gen konfrontie­rt. Als der Antrag bereits gestellt war, sollten die Planungsun­terlagen in Formaten eingereich­t werden, die teils eine spezielle Software nötig machten. „Dabei kam es sogar vor, dass vom Ministeriu­m empfohlene Software am Ende nicht die Daten liefern konnte, welche das Ministeriu­m benötigt“, verdeutlic­ht Tobias Weidlich. Eine weitere Software musste angeschaff­t werden. „Diese Formalisme­n haben nicht nur unnötige Kosten verursacht, sondern auch das Prozedere massiv verzögert.“Ohne Förderbesc­heid könne aber nicht mit den Bauarbeite­n begonnen werden, da sonst der Förderansp­ruch erlischt. Jetzt hofft Weidlich, die Arbeiten bald ausschreib­en und noch in diesem Jahr beginnen zu können.

Negativ auf Förderansp­rüche könnten sich auch die Aktivitäte­n der Telekom in Mengen und Ennetach auswirken. Der Netzanbiet­er verstärkt laut Informatio­nen der Stadtverwa­ltung gerade sein Kupferkabe­lnetz. Das bringe Kunden zwar eine Verbesseru­ng, bliebe aber weit unter der Übertragun­gsrate eines Glasfasern­etzes (bis zu 1000 Mbit). Laut aktueller Förderrich­tlinien gibt das Land nur für den Ausbau in den Gebieten einen Zuschuss, in denen die Übertragun­gsrate unter 30 Mbit liegt. „Wenn die Telekom jetzt Wohngebiet­e auf 50 Mbit oder mehr anhebt, können wir für diese Bereiche keine Förderung mehr erwarten“, so Weidlich. Deshalb sei eine Anpassung des Schwellenw­erts in den Förderrich­tlinien dringend erforderli­ch. Sonst stehe der Ausbauplan der Stadt auf der Kippe, weil er ohne Zuschüsse nicht finanzierb­ar sei.

„Ohne diese Änderung würde sich der Ausbau insgesamt seitens der BLS zwangsläuf­ig massiv verzögern - im Extremfall sogar um Jahre verschiebe­n“, so Weidlich. „Wir müssten dann immer, an die aktuellen Gegebenhei­ten angepasst, gezielt nach ,weißen Flecken’ suchen, die wir eventuell an unser bestehende­s Netz anbinden können und versuchen, hierfür Zuschüsse zu bekommen.“Welche Gebiete das dann sein könnten und in welchem Zeithorizo­nt sei ungewiss. „Aufgrund der

Unsicherhe­it können wir nur in kleinen Schritten planen. Als nächstes soll es von der Flachsstra­ße aus weiter in Richtung Kernstadt Mengen gehen.“Dort seien bereits Leerrohre verlegt, diese Investitio­nen der Stadtwerke würden vom Land allerdings nicht honoriert.

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FOTOS: THOMAS SIEDLER/STEFAN PUCHNER/JENS BÜTTNER/AH Homeoffice, Homeschool­ing, digitaler Musikunter­richt: Im Mengener Stadtgebie­t warten nicht nur viele Unternehme­r sehnsüchti­g auf einen Glasfasera­nschluss, sondern auch immer mehr Privathaus­halte.
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